raketenmann
Becks Apfel (Emstaler Champagner)
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Meines Erachtens bietet der Staat jedem die Möglichkeit sich zu bilden. Wir haben Schulpflicht, nur müssen die Jugendlichen auch das Angebot annehmen und ernsthaft umsetzen.
Das geht ja hier langsam am Thema vorbei, aber ich will das noch forcieren, weil mich obiges so aufregt.
Das Jugendliche nur im Bildungsregal zugreifen müssen, halte ich für Quark. Ich habe ein eher unterdurchschnittliches Abitur, weil ich irgendwann einfach komplett gelangweilt war. Immerhin habe ich aber ein Abiturzeugnis - und bekam, als ich mich seinerzeit damit bewarb, nichts als Absagen. Das mag natürlich auch an mir gelegen haben, aber es wird doch wohl niemand ernsthaft behaupten, dass jemand ohne Abitur noch sonderlich große Möglichkeiten hat, sich seinen Arbeitsplatz auszusuchen.
Wenn ich mir vorstelle, wie es jemandem geht, der mit einem Haupt- oder Realschulabschluss in der Welt steht, vielleicht noch keine Ahung hat, was er überhaupt tun soll und generell nicht glaubt, dass er überhaupt irgendeine Ausbildungsstelle erhalten wird, dann wirds mir sehr gruselig zumute. Selbst die, die sich hochziehen, um ein Studium anzuhängen, um ihre Chancen zu verbessern (ein Narr, wer da Sicherheiten sieht), werden ziemlich bald merken, dass sie vor frustrierenden Sklaventreiber-Nebenjobs gar keine Zeit mehr finden, das Studium auch zu bewältigen. (Immerhin kostet es pro Semester nun weit mehr als ein Azubi im Monat verdient.) Denn nicht alle haben Eltern, die das möglich machen.
Ich kenne da einige Fälle von Leuten, die Abitur haben, kurz vorm Abschluss des Studiums stehen und sich plötzlich beim Therapeuten wiederfinden, weil sie zusammengeklappt sind. Der einzig zukunftssichere Beruf ist nunmal der des Therapeuten. Und der wird sicherlich eines Tages von den Krankenkassen gestrichen.
Vielleicht sind wir ja auch alle zu weich geworden. Der russische Bauer auf dem Feld kennt weitaus weniger psychische Probleme. Vielleicht geht es draußen vor der Tür aber auch immer mehr darum, dass uns gesagt wird, was wir zu tun haben, bevor uns gesagt wird, dass wir das eh nicht schaffen können. Dazu muss man nur den Fernseher einschalten oder die Zeitung lesen.
Und jetzt sag mir jemand, dass er ernsthaft glaubt, dass Jugendliche alle Chancen haben. Sag einer, dass es nicht nötig ist, Frust zu schieben all night long. Das geht ja selbst mir so. Und ich habe ein abgeschlossenes Studium, Kunden, die meine Dienste wollen und meine Arbeit nicht nur mit Geld honorieren, eine Freundin und die Möglichkeit, aus mir selbst heraus sehr viel zu schaffen.
Wenn ich mir vorstelle, heute 15 zu sein, auf der Schule keine sonderlichen Chancen zu haben, weil mein soziales Umfeld ziemlich zu wünschen übrig lässt und es mich mitzieht; wenn ich mir vorstelle, jeden Tag enormem Druck ausgesetzt zu sein, dem ich mich selbst einfach nicht entziehen kann und aus den Medien höre, dass ich mich "nur rasieren und waschen" müsse, was ich jeden Tag mache. Wenn ich mir vorstelle, dass wahrscheinlich das, was ich so liebend gern täte, einfach für mich nicht erreichbar ist, obwohl ich doch weiß, dass ich gut darin wäre. Ja, dann denke ich über junge Menschen, die alles niederballern wollen (ebenso wie über die, die Faustkommunikation als Droge nutzen) und viele andere ganz ganz anders.