Nun, Rock ist für mich tot da er sich in viel zu viele Unterkategorien aufgeteilt hat. Der Begriff ist entleert worden. Man kann keine einigermaßen aktuelle Band mehr als "Rock" bezeichnen ohne viel zu allgemein zu urteilen. Bruce Springsteens Musik ist Rock weil er sozusagen die Grande Dame dieses Genres ist. Er hat den Rock begleitet bis er sich aufgegabelt hat. Heute ist Bruce Springsteen nur noch ein kleiner Nebenfluss im großen Strom des "Rock". "Rock" ist wie "Old School". Heute kann keiner mehr behaupten, das was er spiele oder mache sei "Old School".
Was muss Musik für mich haben damit ich sie gut finde? Unvorhersehbarkeit bei gleichzeitiger Wahrung des musikalischen Gesamtbildes - das heisst abrupte Rythmenwechsel und vertrackte Gitarrenriffs sind zwar toll, aber wenn alles in ein Chaos ausartet wird es schlecht (Frage ist nur wo das absolute Chaos anfängt - Birushana, eine japanische Band, spielen Live unheimlich dicht und chaotisch, ich fands phänomenal gut). Raffinesse, fähiger Umgang mit den Instrumenten. Anspruch. Sie muss anregen und verstanden werden können - damit meine ich, dass es in dieser Musik etwas geben muss, zu dem man vordringen kann. Wenn es, wie beim Rap, ums Reden geht, dann sollten die Texte sich nicht schämen müssen, verstanden zu werden. Einfallsreichtum und Mut, neue Wege zu gehen sind für mich auch Merkmale guter Musik.
Es gibt so viele Wege Musik zu etwas Besonderem zu machen. Warum schlägt man sie so selten ein? Ich führe das auf das Phänomen zurück dass Menschen schon seit es sie gibt von Gleichförmigkeit und Berechenbarkeit fasziniert sind. "Mainstream" ist so ein hässliches Wort, aber seitdem HipHop Mainstram ist, konnte man ihn nicht mehr auf einem intellektuellen Niveau diskutieren. Genauso geht es dem Hardcore. Zu Zeiten von "Lifetime" fiel es noch leicht, den Hardcore als Musikstil zu verteidigen. Zu Zeiten von "Orchid" war die Band Kunst. Mittlerweile ist das Genre voll von hirnlosen Brüllaffen und unfähigen Gitarristen/Bassisten/Schlagzeugern die genau diesen Stil imitieren und das Genre "Emoviolence" oder "Screamo" aus dem Boden gestampft haben. Warum war "Mineral" denn eine gute Band? Weil "Mineral" sich nicht die Mühe gemacht haben jedem Trottel verklickern zu wollen worum es in ihren Songs geht, sie hatten einigermaßen Anspruch. Was hat denn "Nostromo" und "Theory In Practice" zu guten Bands gemacht? Ihre technische Raffinesse hat den Hörer gefordert, das ging halt "nicht so leicht ins Ohr wie Peter Alexander". Genauso geht es Bands wie Orbital, Afrika Bambaataa oder Front 242.
Musiker müssen wie Pioniere sein, dort hingehen wo sie wenigstens ein wenig Neuland finden. Dinge mit Verstand und Gefühl kombinieren, die so noch nie gehört wurden. Vieles langweilt mich heute da Musiker momentan häufig einfach in die bewährte Trickkiste greifen und das zusammenbauen was vorher schon gut angekommen ist.
Als Musikhörer muss man wie ein Forscher sein, den Blick nicht nur auf die Gegenwart und Zukunft gerichtet, sondern auch auf die Vergangenheit. Bloß weil ein Archäologe einmal kurz durchs Neanderthal gelaufen ist war kann er ja nicht sagen "Ich kenne mich hier aus." und "Hier ist alles langweilig, es gibt nichts Neues mehr." Genauso wird man als Musikfreund immer wieder Dinge ausgraben können, die einen Musikstil in einem völlig anderen Licht scheinen lassen. "Rock ist tot" war vielleicht eine etwas forsche Aussage, aber begründet darin dass jede Neuerung im Genre Rock sich selbst wieder einen anderen Namen gibt (das Beste was ich bis jetzt gelesne habe war "Jazz-Core mit Grindelementen") ist der Rock an sich alt geworden, ein austrocknender Fluß.