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Gendergerechte Sprache

mbert

Macoun
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Da ist es schon verlockend, Anstrengungen zu diskreditieren, hier Veränderungen herbeiführen zu wollen.
Ich glaube nicht, dass ich mir das vorwerfen lassen muss (und auf meinen Kommentar antwortest Du nun einmal).

Das ist ja menschlich grundsätzlich nachvollziehbar, wenn man aber in einem Internetforum lange Aufsätze zu dem Thema schreibt sollte man auch genug Selbstreflektion besitzen um zu erkennen, dass "wenn ich gezwungen werde will ich das nicht" kein logisches Argument ist.
Zwang darf nicht einfach jeder ausüben, und der, der es darf, benötigt dazu in der Regel eine Legitimierung. Wird dieses Prinzip verletzt, ist es absolut ein logisches Argument, darauf zu verweisen. Abgesehen davon, das solltest Du wahrgenommen haben, habe ich an dieser Stelle lediglich eine persöniche Anmerkung gemacht.

Diese Institutionen bedürfen aber für ihre internen Richtlinien zur Kommunikation keine gesamtgesellschaftliche, sondern eben nur eine interne Legitimation. Und da z.B. jede Universität eigene Richtlinien zum Gendern festlegt, gehe ich davon aus, dass diese gegeben ist. Universitäten sind nicht üblicherweise diktatorisch organisiert.
Formal ist das sicher richtig. Allerdings wurde beispielsweise in Österreich bereits erfolgreich gegen schlechtere Benotungen wegen nicht gegenderter Sprache geklagt, und wenn Universitäten systematisch auf Konfrontationskurs mit der Mehrheit in der Gesellschaft gehen, ist das schon etwas heikel.

In dieser Absolutheit ist diese Aussage bezüglich mehrerer Aspekte zumindest fragwürdig. Gerade ein demokratischer und pluralistischer Staat, der die Grundrechte aller BürgerInnen zu schützen hat, darf gar nicht lediglich ein Instrument des Willens der Mehrheit sein.
Völlig richtig, aber wenn der Staat gegen den entschiedenen Willen der Mehrheit handelt, muss es dafür schon verdammt gute Gründe geben. Ich kann das in Bezug auf das Gendern, wo es primär um eine spezifische Interpretation bestimmter Aspekte unserer Sprache geht, die darüber hinaus unter Experten nicht unumstritten ist, keine Situation erkennen, die das rechtfertigte.

Ja, das wäre ganz toll. Ist aber eben nicht so. Und ein Problem beim Kampf gegen Diskriminierung, egal ob aufgrund Geschlecht, sexueller Orientierung oder Hautfarbe, sind Leute, die "keinen Unterschied machen" oder "keine Farben sehen".
Diese zunächst einmal löblich erscheinende Haltung verstellt nämlich häufig den Blick auf die faktischen Nachteile, die Geschlecht oder Hautfarbe in den letzten Jahrhunderten bedeutet haben und weiterhin bedeuten.
Alles richtig, nur heißt das eben nicht automatisch, dass die Thesen hinter dem Gendern korrekt sind und von der Gesellschaft ggf. auch gegen ihren Willen angenommen werden sollte.

Und diese Haltung können sich auch meistens nur Leute leisten, die noch nie aufgrund ihres Geschlechts oder ihrer Hautfarbe Diskriminierung erfahren mussten. Da redet es sich immer ganz leicht locker flockig von "sind doch alle Personen".
Das ist ein Totschlagargument, und es ist nicht geeignet, Aufschluss darüber zu geben, ob das Gendern eine gute Idee ist oder nicht.

Und das ist dann keine "Verunglimpfung" oder gar (mancher entblödet sich nicht, hier dieses Wort zu benutzen) "Vergewaltigung" der Sprache.
Ich halte zwar wenig von so konfrontativer Sprache, aber jeder hat das Recht auf eine eigene Wahrnehmung. Ich persönlich fühle mich durch Gendern belästigt und stelle entschieden den angeblichen Nutzen, den es bringen soll, in Abrede. Aber das muss sachlich und im gegenseitigen Respekt bleiben.

Na zum Glück gibt es doch Menschen, die sich damit beschäftigen. Wenn viel zu tun ist, muss ja mal jemand anfangen.
Ich sehe das anders. Es ist ein Wettlauf mit sich selbst, den man nicht gewinnen kann, denn je tiefer man gräbt, desto mehr wird sich an jeder Ecke neues auftun. Am Ende verlieren wir immer mehr das, was uns als Menschen ausmacht, denn dazu gehören auch unsere Schwächen und das Unvollkommene. Nicht ganz im selben Kontext, aber doch passend finde ich ein Zitat von John Cleese, das ich vor ein paar Tagen in die Finger bekam:

»And that’s why I’ve been warned recently, don’t go to university campuses. Because political correctness has gone from being a good idea, which is “let’s not be mean particularly to people who are not able to look after themselves very well” - that’s good idea! - to the point where any kind of criticism of any individual or group can be labeled cruel. «

Eine gute Balance zu finden, ist aus meiner Sicht ein lohnendes Ziel. Dazu gehört aber auch, dass wir die Grenzen dessen erkennen und akzeptieren und nicht zuletzt, dass wir nicht poe-a-poe alle denkbaren gesellschaftlichen Gruppen zu "Opfern" erklären und ihnen dadurch aus der Hand nehmen, die Initiative für sich selber zu ergreifen und selber zu entscheiden, ob sie Schutz durch andere benötigen. Daher ist das "people who are not able to look after themselves very well" so wichtig in diesem Kontext.

Wie gesagt - die "Mehrheit" darf in einer Demokratie, in der Grundrechte geschützt werden sollen, niemals der alleinige Maßstab sein. Ein wichtiger, ohne Frage, aber eben nicht der alleinige.
... was in diesem Zusammenhang m.E unpassend ist, da Gendern an sich keine Frage von Grundrechten ist. Über die grundsätzliche Frage von Gerechtigkeit allen Menschen gegenüber herrscht zum Glück ein recht breiter Konsens in der Gesellschaft.

Und die Abwertung von Diskriminierungserfahrungen durch Menschen, die solche (in dieser Gesellschaft) wenig bis gar nicht erleben dürften, als "künstlich geschaffene Befindlichkeiten", lässt zwar tief blicken, hilft der Diskussion aber definitiv nicht weiter.
Für mich liest sich das so, als würdest Du sachliche Einwände einzelner als illegitim abwerten, weil sie Deiner Meinung nach (ich gehe davon aus, dass Du die Diskussionsteilnehmer nicht persönlich kennst) zu "privilegiert" sind. Das empfinde ich als einen sehr schlechten Diskussionsstil.

Das gleiche gilt für Dein "lässt zwar tief blicken". Ich hoffe, Du betrachtest es doch hoffentlich nicht als "Diskriminierungserfahrung", wenn eine Person nicht-männlichen Geschlechts gemeinsam mit anderen in der Form des "generischen Maskulinums" angesprochen wird. Ich halte an meiner Aussage "künstlich geschaffene Befindlichkeiten" fest, denn sie ist aus meiner Sicht in der Sache korrekt. Die feministische Sprachkritik hat die These, dass das "generische Maskulinum" ungerecht und diskriminierend sei, aufgebracht, wodurch eine größere Anzahl Menschen, die darin nie ein Problem gesehen haben, angefangen haben, das zu tun.

Argumente, die darauf abzielen, die Thesen des anderen nicht sachlich zu entkräften sondern dadurch, dass die Integrität oder Eignung des anderen, die Diskussion überhaupt zu führen, in Frage gestellt wird, sind unfair und sollten vermieden werden. OK?
 
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Bitnacht

Normande
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Das ist nicht gerade sachlich. Schade.

Oh, das ist durchaus sachlich gedacht gewesen, denn die Befürchtung dass plötzlich meine Sprache oder Kultur sich verändert („und vielleicht sogar die Werte! Was ich gestern gesagt habe, das bedeutet heute etwas anderes!“) … das ist so ein typisch konservatives Ding.

Ich nehme mich da selbst nicht völlig aus. Ich will auch, dass man die Dinge schützt, die man als Gesellschaft gelernt hat und für gut und wertvoll erachtet. Unsere Vorfahren waren nicht dümmer oder weniger moralisch und ethisch orientiert als wir heute und die Summe ihrer Erfahrungen ist in unserer heutigen Kultur überall wiederzufinden. Zum Stillstand der Gesellschaft sollte das aber nicht führen, denn dann kann sie neue Herausforderungen nicht meistern. Und dass wussten die klugen Menschen zu allen Zeiten. Nur dadurch ist unsere Kultur zu dem geworden, was sie heute ist.

Ich persönlich fühle mich durch Gendern belästigt

Und das ist in Wirklichkeit hier das einzige Gegenargument. Dieses Gefühl darf man haben, aber es hat wenig Bedeutung, weil klar ist, dass das Gendern vom Ausführenden nicht als eine Belästigung verstanden werden will und auch keine Veranlassung besteht eine solche Absicht anzunehmen.
 

mbert

Macoun
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Und das ist in Wirklichkeit hier das einzige Gegenargument. Dieses Gefühl darf man haben, aber es hat wenig Bedeutung, weil klar ist, dass das Gendern vom Ausführenden nicht als eine Belästigung verstanden werden will und auch keine Veranlassung besteht eine solche Absicht anzunehmen.
Bitte hier den Kontext nicht außer acht lassen.

Ich halte sachliche Argumente zum Thema für entscheidend, nicht, ob ich mich persönlich durch etwas belästigt fühle. Die Argumente habe ich weiter oben gebracht.

Im obigen Kommentar hatte ich ein wenig Mühe, mich dessen zu erwehren, dass jemand (schockierenderweise auch noch unter dem Beifall einiger anderer) mir quasi das moralische Recht absprach, mich zum Thema zu äußern, weil ich zu "privilegiert" sei, während er selber, sogar eingestehend, dass er das auch sei, es völlig in Ordnung fand, über die "Diskriminierungserfahrung" anderer zu schreiben.

Ich finde die Moralkeule in diesem Kontext unangebracht. Die Frage war, ob eine spezifische Maßnahme geeignet sei, für mehr Geschlechtergerechtigkeit zu sorgen oder zumindest überhaupt allgemein sinnhaft. Die Antwort darauf ist nicht, wie jemand zu unterprivilegierten Minderheiten steht. Entschuldige, das bezieht sich natürlich nicht mehr auf Deinen Kommentar, wollte ich nach gestern Nacht aber schon noch ergänzen.
 

Bitnacht

Normande
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Ich muss gestehen, dass ich erst jetzt den Spiegel-Artikel über Professix Hornscheint und seinen/ihren/ixen(?) Vorschlag gelesen habe. Ich finde das hat durchaus Potenzial. Wenn das mal zur Norm wird, hoffe ich, dass man das gesprochene „i “ auch mitschreiben darf (wie ich es eben versucht habe). Klingt momentan ein bisschen wie in einem gallischen Dorf voller Schlümpfe, aber da gewöhnt man sich bestimmt dran.
 

Cohni

Ananas Reinette
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... was in diesem Zusammenhang m.E unpassend ist, da Gendern an sich keine Frage von Grundrechten ist.
Aber doch sehr wohl, die Gleichheit aller Menschen darf sich sehr gern auch in der Sprache widerspiegeln.

Es besteht kein logischer Grund, die Sprache von der Gleichbehandlung aller Menschen auszuschließen. Sprache ist einer der wichtigsten Bestandteile der Kommunikation aller Menschen und sollte dementsprechend auch ein Spiegelbild der Einhaltung von Grundrechten sein.

Und der Staat ist im Grunde verpflichtet, Grundrechte zu gewährleisten. Das kann er mit eiserner Hand machen, was wiederum ohne Verletzung der Grundrechte nicht funktionieren würde und tatsächlich eine Diktatur darstellen würde. Er kann es aber auch mit kleinen und vorsichtigen Schritten probieren. Da eine gesellschaftliche Balance zu finden, ist schwer. Balance kann man nicht verordnen.

Mir macht es auch Mühe, meine Sprache bewusst mitzuentwickeln und nicht einfach nur mitzuschwimmen.

Mir persönlich geht aber...ich sage es bewusst übertrieben...Extremismus fürchterlich auf den Senkel. Den gibt es überall. Auf der einen und auf der anderen Seite zu allen möglichen Themen, die die Gesellschaft bewegen.

Ich habe gelernt, mich von solchen Einflüssen fernzuhalten und meine eigenen Gedanken zu entwickeln. Das macht Mühe.
Auf jeden Fall führen bei mir diese Überlegungen meistens eher zum Wunsch der Veränderung und selten in jenen der reinen Bewahrung des Alten.

Das heißt jetzt bitte nicht, dass ich den "Bewahrern" die Fähigkeit abspreche, sich eigene mühevolle Gedanken zu machen. Das wäre falsch verstanden. Ich meine das im Sinne, dass man natürlich zu unterschiedlichen Ergebnissen seines eigenen Erkenntnisprozesses kommen kann.

Der meiste Konfliktstoff in Diskussionen entsteht, weil oft die eigene und persönliche Erkenntnis als Wahrheit empfunden wird.

Das ist aber ein großer Trugschluss und eine Falle, denn ein intelligenter Denkprozess, der zu unterschiedlichen Erkenntnissen führt zeigt zwangsläufig, dass die Wahrheit nur die Summe aller richtigen Erkenntnisse sein kann und ein einziges Individuum gar nicht in der Lage ist, die Wahrheit zu erfassen.
 

mbert

Macoun
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Aber doch sehr wohl, die Gleichheit aller Menschen darf sich sehr gern auch in der Sprache widerspiegeln.
Ich halte das für einen Trugschluss. Sprache ist nicht symmetrisch. Wir sind das auch nicht. Das als ungerecht zu empfinden, ist vor allem eine Frage der Interpretation. Und, natürlich, das darf jeder für sich tun, das stellt ja - zumindest hier gerade - niemand in Abrede.
 

Cohni

Ananas Reinette
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Die Entwicklung der Individuen ist an sich nicht symmetrisch. Und eine Gleichheit der Menschen setzt doch keine Symmetrie der Sprache voraus. Es ist eine notwendige Anpassung in einzelnen Bereichen und nicht die vollständige Änderung der Sprache.
 
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mbert

Macoun
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Die Entwicklung der Individuen ist an sich nicht symmetrisch. Und eine Gleichheit der Menschen setzt doch keine Symmetrie der Sprache voraus. Es ist eine notwendige Anpassung in einzelnen Bereichen und nicht die vollständige Änderung der Sprache.
Sprache passt sich eigentlich immer schon den Bedürfnissen der Sprecher an. Manchmal wird sie auch inspiriert, etwa durch Literatur o.ä.

Aber ich kann im Gendern wirklich keine "notwendige Anpassung" erkennen. Das Problem, das dadurch gelöst werden soll, ist dazu viel zu interpretationsabhängig.

Wenn wir uns von dem Punkt lösen, etwas müsse "angepasst" werden, wird sich die Sprache dennoch mit Sicherheit weiter ändern, und das meist auf ganz unvorhergesehene Weise ;)
 

RobertK81

Weigelts Zinszahler (Rotfranch)
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Abgesehen davon, das solltest Du wahrgenommen haben, habe ich an dieser Stelle lediglich eine persöniche Anmerkung gemacht.
Und ich habe persönlich angemerkt, dass das menschlich verständlich ist.
Ich ertappe mich auch häufig dabei, unwillkürlich positiv oder negativ auf etwas zu reagieren, weil es mir in einer bestimmten Form dargebracht wird. Ich halte es aber für lohnenswert, immer mal wieder zu reflektieren, ob diese Reaktion in Bezug auf den Inhalt gerechtfertigt ist.
Oder anders: nur weil etwas durchgesetzt werden soll, wird es nicht zwingend schlechter. Genauso wie es nicht unbedingt besser wird, nur weil es mit "pretty please with sugar on top" erbeten wird.
wenn Universitäten systematisch auf Konfrontationskurs mit der Mehrheit in der Gesellschaft gehen, ist das schon etwas heikel.
Hochschulen waren schon immer ein Ort für gesellschaftliche Impulse, das ist nicht erst seit Wartburgfest oder den 68ern der Fall.
Diese entsprechen naturgemäß erstmal nicht der gesellschaftlichen Mehrheit, viele ihrer Ideen werden danach aber zum Konsens.
Es bleibt natürlich abzuwarten, ob es eine solche Entwicklung auch in Bezug auf gendergerechte Sprache geben wird, aber Umfragen sind hier zunächst ein eher schlechtes Argument.
Völlig richtig, aber wenn der Staat gegen den entschiedenen Willen der Mehrheit handelt, muss es dafür schon verdammt gute Gründe geben. Ich kann das in Bezug auf das Gendern, wo es primär um eine spezifische Interpretation bestimmter Aspekte unserer Sprache geht, die darüber hinaus unter Experten nicht unumstritten ist, keine Situation erkennen, die das rechtfertigte.
Nehmen wir doch mal so eine Umfrage
Gut, eine Mehrheit findet geschlechtergerechte Sprache also "unwichtig". Daraus aber gleich einen "entschiedenen Willen" zu machen, halte ich für fragwürdig. Mir kann sehr viel unwichtig erscheinen, trotzdem ist es mir herzlich egal, wenn es dann jemand macht.
Und "unter Experten nicht unumstritten" ist außer dem menschengemachten Klimawandel so ziemlich alles. So funktioniert Wissenschaft.
Ich halte zwar wenig von so konfrontativer Sprache, aber jeder hat das Recht auf eine eigene Wahrnehmung. Ich persönlich fühle mich durch Gendern belästigt und stelle entschieden den angeblichen Nutzen, den es bringen soll, in Abrede. Aber das muss sachlich und im gegenseitigen Respekt bleiben.
Jede/r hat das Recht auf seine oder ihre Wahrnehmung, aber es gibt auch Grenzen konfrontativer Sprache. Sonst wird hier als nächstes noch der "Sprachholocaust" herbeigeredet oder ähnliches.

Zum Gefühl der Belästigung: das empfinde ich tatsächlich eher als ein persönliches Problem.
Im Internet taucht immer mal wieder so ein "If you can read this"-Text auf, um zu zeigen, was unser Gehirn alles kann.
Wer sich da durch ein Binnen-I oder Gender-Asterisk gestört fühlt, will sich meiner Ansicht nach gestört fühlen.
Können wir uns nun sicher sein, dass Gendern den gewünschten Effekt hat? Nein, solche Sicherheit ist in Sozialwissenschaften auch naturgemäß eher schwer.
Ich bin für mich überzeugt, es ist eine bessere Variante als das bisher genutzte. Nicht unbedingt, weil sich dadurch zwingend Denken ändern muss. Aber weil vielleicht mal ein Nachdenken einsetzt, woher unsere "gottgegebenen" Sprachformen eigentlich herkommen, auf was für einer Gesellschaft sie beruhen und ob wir das wirklich so weiterhin wollen.
Meinetwegen können wir auch einfach die nächsten 200 Jahre das generische Femininum nutzen und ich als Mann muss mich halt "mitgemeint" fühlen. Vermutlich wäre das sogar im historischen Kontext gerechter, würde allerdings wiederum andere Probleme mit sich bringen.
Ich sehe das anders. Es ist ein Wettlauf mit sich selbst, den man nicht gewinnen kann, denn je tiefer man gräbt, desto mehr wird sich an jeder Ecke neues auftun.
Genau. So funktioniert Wissenschaft und im übrigen auch gesellschaftliche Entwicklung. Da ist man nie "fertig" oder "gewinnt".
Nur entscheiden in jeder Generation immer wieder Menschen (meistens mittleren Alters, meistens in der aktuellen Gesellschaft gut situiert), dass "jetzt" mal Schluss sein darf. Weil mir geht's ja gut.
nicht poe-a-poe alle denkbaren gesellschaftlichen Gruppen zu "Opfern" erklären und ihnen dadurch aus der Hand nehmen, die Initiative für sich selber zu ergreifen und selber zu entscheiden, ob sie Schutz durch andere benötigen. Daher ist das "people who are not able to look after themselves very well" so wichtig in diesem Kontext.
Naja, die Wahrheit liegt hier doch vielleicht etwas in der Mitte? Natürlich dürfen und sollen die genannten gesellschaftlichen Gruppen die Initiative für sich selbst ergreifen. Das tun sie ja auch. Aber in einer Gesellschaft mit bestehenden Machtstrukturen wird es die marginalisierte Gruppe naturgemäß nicht alleine schaffen, signifikante Änderungen herbeizuführen. Abraham Lincoln war ja auch kein Sklave. Und JFK bzw. Johnson keine Afroamerikaner.

Dadurch werden diese Gruppen aber nicht zu "Opfern" erklärt, ich halte das auch für ein Scheinargument, das geeignet ist, jede Form der Unterstützung einer marginalisierten Gruppe durch eine privilegierte Gruppe zu diskreditieren.
... was in diesem Zusammenhang m.E unpassend ist, da Gendern an sich keine Frage von Grundrechten ist. Über die grundsätzliche Frage von Gerechtigkeit allen Menschen gegenüber herrscht zum Glück ein recht breiter Konsens in der Gesellschaft.
Ein Konsens, der oft nur oberflächlich ist. Die Alltagserfahrung marginalisierter Gruppen ist durchaus eine andere.
Für mich liest sich das so, als würdest Du sachliche Einwände einzelner als illegitim abwerten, weil sie Deiner Meinung nach (ich gehe davon aus, dass Du die Diskussionsteilnehmer nicht persönlich kennst) zu "privilegiert" sind. Das empfinde ich als einen sehr schlechten Diskussionsstil.

Das gleiche gilt für Dein "lässt zwar tief blicken". Ich hoffe, Du betrachtest es doch hoffentlich nicht als "Diskriminierungserfahrung", wenn eine Person nicht-männlichen Geschlechts gemeinsam mit anderen in der Form des "generischen Maskulinums" angesprochen wird. Ich halte an meiner Aussage "künstlich geschaffene Befindlichkeiten" fest, denn sie ist aus meiner Sicht in der Sache korrekt. Die feministische Sprachkritik hat die These, dass das "generische Maskulinum" ungerecht und diskriminierend sei, aufgebracht, wodurch eine größere Anzahl Menschen, die darin nie ein Problem gesehen haben, angefangen haben, das zu tun.

Argumente, die darauf abzielen, die Thesen des anderen nicht sachlich zu entkräften sondern dadurch, dass die Integrität oder Eignung des anderen, die Diskussion überhaupt zu führen, in Frage gestellt wird, sind unfair und sollten vermieden werden. OK?
OK. Das ist hier aber nicht geschehen.
Die Einordnung des Gesagten u.a. auch durch "wer hat es gesagt" ist ein legitimer Teil gerade sozialwissenschaftlichen Diskurses.
Erfahrungswelten von Menschen unterscheiden sich, teilweise gravierend. Wer Diskriminierungserfahrungen nie gemacht hat ist schlicht und ergreifend weniger geeignet, diese zu bewerten, wie jemand, der oder die sie gemacht hat.
Solche Bewertungen sind dann nicht "illegitim", aber in der Gewichtung darf durchaus unterschieden werden.

Zudem scheint Dir die Abwertung ebenfalls nicht fremd. Es gibt ja schließlich "wichtigere Probleme" (gibt es immer), in der generischen Sprache wurde von vielen "nie ein Problem gesehen" (wurde das Fahren ohne Gurt oder Passivrauchen lange auch nicht) und das alles hier geschieht in Konfrontation mit der Mehrheit der Gesellschaft (so ist das meistens am Beginn von Veränderungen). Und von den "künstlich geschaffenen Befindlichkeiten" hatten wir es ja bereits.
Und dann fühlt man sich auch noch belästigt, was in der Einordnung gesellschaftlicher Umbrüche vermutlich die mildeste Variante sein dürfte, die es gibt.

Ich werde jedenfalls weiter gendern. Ob es etwas bringt, außer hier und da mal Nachdenken anzustoßen und das "althergebrachte" nicht immer automatisch als gut genug darzustellen, weiß ich nicht. Die genannten Punkte reichen mir aber als Motivation.
Daher bin ich auch dankbar, dass Apfeltalk es ebenfalls so hält.

Vermutlich hätte der letzte Absatz als Diskussionsbeitrag gereicht… :cool:
 
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mbert

Macoun
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Zudem scheint Dir die Abwertung ebenfalls nicht fremd.
Das ist nicht richtig. Tatsächlich hast Du, wie ich das empfinde, die Diskussion auf eine persönliche Ebene geführt. Ich bemühe mich ganz bewusst, das nicht zu tun.

Es gibt ja schließlich "wichtigere Probleme" (gibt es immer),
Habe ich so nicht geschrieben.

in der generischen Sprache wurde von vielen "nie ein Problem gesehen" (wurde das Fahren ohne Gurt oder Passivrauchen lange auch nicht)
Kein überzeugendes Argument, denn beides ist absolut nicht vergleichbar.

und das alles hier geschieht in Konfrontation mit der Mehrheit der Gesellschaft (so ist das meistens am Beginn von Veränderungen).
Richtig, weshalb ein gesamtgesellschaftlicher Diskurs mit offenem Ausgang notwendig ist und keine Zwangsmaßnahmen. Weiterhin gibt es Bereiche, wo der Staat nicht einfach auf eigene Faust agieren darf, etwa, bei der Erziehung von Kindern in Kindergärten und Schulen.

Und von den "künstlich geschaffenen Befindlichkeiten" hatten wir es ja bereits.
Was Du offenbar bewusst uminterpretiert hast, um meine Argumentation zu delegitimieren. Du darfst gern versuchen, meinen Punkt zu widerlegen, und zwar von der Sache her und nicht mittels einer moralischen Be- (Ab-)wertung.

Und dann fühlt man sich auch noch belästigt, was in der Einordnung gesellschaftlicher Umbrüche vermutlich die mildeste Variante sein dürfte, die es gibt.
Und das ist jetzt wirklich der Punkt, wo die Ebene einer sachlichen Auseinandersetzung endgültig verlassen wurde. Schade. Bisher war die Diskussion hier ja bei aller Kontroverse sachlich und meist freundlich geblieben. Das hier riecht nach einer gewaltigen Portion gefühlter moralischer Überlegenheit. Das ist nicht so mein Ding. Also lassen wir es lieber.

Vermutlich hätte der letzte Absatz als Diskussionsbeitrag gereicht… :cool:
Ja, das wäre wirklich besser gewesen.
 

RobertK81

Weigelts Zinszahler (Rotfranch)
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Das ist nicht richtig. Tatsächlich hast Du, wie ich das empfinde, die Diskussion auf eine persönliche Ebene geführt. Ich bemühe mich ganz bewusst, das nicht zu tun.
Es tut mir leid, dass Du das so empfindest. In der Tat ging es mir darum, dass (zumindest im Bereich der Sozialwissenschaften) eine Aussage nicht (komplett) von der Lebensrealität der Person getrennt werden kann, die sie tätigt.
Und dass eine Bewertung anderer Lebensrealitäten naturgemäß Einschränkungen unterliegt.
Problematisch wird es meiner Ansicht nach dann, wenn aus dieser Bewertung anderer Lebensrealitäten eine Abwertung wird. Und die sehe ich bei Dir leider durchaus an einzelnen Stellen (möglicherweise unbewusst) gegeben.
Habe ich so nicht geschrieben.
Nein?
Ansonsten möchte ich auch gern auf die wirklichen Probleme unserer Gesellschaft verweisen


Kein überzeugendes Argument, denn beides ist absolut nicht vergleichbar.
Ich habe bewusst Beispiele gewählt, bei denen die Richtigkeit der gesellschaftlichen Änderung wesentlich deutlicher sein dürfte, als bei den meisten (naturgemäß weniger absoluten) sozialwissenschaftlichen Themen.
Richtig, weshalb ein gesamtgesellschaftlicher Diskurs mit offenem Ausgang notwendig ist und keine Zwangsmaßnahmen. Weiterhin gibt es Bereiche, wo der Staat nicht einfach auf eigene Faust agieren darf, etwa, bei der Erziehung von Kindern in Kindergärten und Schulen.
Aber dieser Diskurs findet doch gerade statt! Allerdings gibt es bei jedem Diskurs einen Punkt, an dem man wenn schon nicht ein Endergebnis (wie beschrieben in der Wissenschaft eher schwierig), dann doch zumindest ein Zwischenergebnis festhalten sollte. Und das darf dann auch (erstmal) verbindlich sein. Nichts anderes geschieht an Universitäten, die sich gewisse Sprachregelungen auferlegen. Wie diese sich im Laufe der Zeit entwickeln wird genauso zu sehen sein, wie ihre juristische Bewertung.

Und auch der Staat darf zwar nicht auf eigene Faust agieren, bestimmte Regeln müssen aber festgelegt werden. Die dann nicht unbedingt allen gefallen müssen. Gefallen diese Regeln zu vielen Menschen nicht, kommt die repräsentative Demokratie ins Spiel, um den Diskurs ggf. zu erneuern und danach zu einem anderen Ergebnis zu kommen.
Was Du offenbar bewusst uminterpretiert hast, um meine Argumentation zu delegitimieren. Du darfst gern versuchen, meinen Punkt zu widerlegen, und zwar von der Sache her und nicht mittels einer moralischen Be- (Ab-)wertung.
Tut mir leid, aber für eine Interpretation Deiner Aussage als sachlich und legitim ist sie viel zu ungenau.
Wer soll da künstlich geschaffen haben? Wozu? Wo belegst Du, dass diese Empfindungen nicht in der Realität vorkommen? Wie widerlegst Du die Forschungsarbeiten zu diesem Thema, aus denen hervorgeht, dass ausreichend Anlass besteht, eine Verbindung zwischen Sprache und Empfinden anzunehmen?
Letztendlich ist "künstlich geschaffene Befindlichkeiten" nur ein verschnörkeltes "basta". So etwas kann kein Start eines Diskurses sein, es ist angelegt, ihn zu beenden.
Abgesehen davon, dass es eben genau die Abwertung ist, die ich weiter oben meinte.
Und das ist jetzt wirklich der Punkt, wo die Ebene einer sachlichen Auseinandersetzung endgültig verlassen wurde.
Okay. Wenn Du das so siehst.
 

Mitglied 235800

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Nathea

Admin
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Und uns von dieser interessanten, aufschlusseichen und niveauvollen Diskussion um ein aktuelles, diskussions- und überdenkungswürdiges Thema auszuschließen? Bitte nicht.

Ich danke allen Beteiligten ausdrücklich dafür, dass wir an dem offenen, sachlichen Disput teilhaben können.
 

warda

Golden Delicious
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Es geht hier doch darum, Bewusstsein zu schaffen. So wie man heute ganz selbstverständlich nicht vor Kindern raucht, oder Müll nicht in der Natur liegen lässt. Zwei Beispiele, für die es noch vor 25-30 Jahren überhaupt kein Bewusstsein gab. Es geht darum, das Bewusstsein zu schaffen, dass Frauen in der Mitte der Gesellschaft an allen Prozessen beteiligt sind oder zumindest könnten. Es ist auch in diesem Land nicht all zu lange her, da hatte die Frau genau einen Platz und der war recht überschaubar. Wir haben Tausende von Jahren von männlicher Vor- und Alleinherrschaft. Daher auch die männliche Sprache. Die deutsche Sprache ist sehr präzise, und ein Kunde ist keine Frau, dafür gibt es ein eigenes Wort, das benutzt werden sollte.
Als Frau fühle ich mich jedenfalls nicht angesprochen wenn ich als Dolmetscher oder Mieter oder Kunde angesprochen oder bezeichnet werde.
 

mbert

Macoun
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Ein kleiner Nachtrag. Ich habe gerade diesen Artikel in der NZZ gefunden, den ich den Teilnehmern und Interessierten aus dieser Diskussion gern empfehlen möchte. Vorab ein paar Auszüge. Aus Teil 1 (wo aus linguistischer Sicht die Grundlagen sowie einige Probleme bei den existierenden Formen des Genderns diskutiert werden) kopiere ich hier nichts hinein, kann sich ja jeder bei Interesse im Artikel anschauen. Also ab Teil 2:

Thema Assoziationsstudien (hatten wir hier ja auch schon diskutiert):

Es wäre falsch und unwissenschaftlich, die Existenz von Assoziationseffekten zu leugnen: Dass Genus bestimmte, oft stereotype Assoziationen zum Sexus auslöst, kann man sprachübergreifend feststellen (so assoziierten italienische Probanden bei unbelebten Nomen mit «-a»-Endungen «lieblichere» Vorstellungen als bei welchen mit «-o»-Endungen), es fragt sich allerdings, warum daraus die Notwendigkeit zu gendern folgen sollte, denn ob Wortformen wie «Kosmetiker» oder «Lehrer» generisch oder spezifisch männlich interpretiert werden, hängt von vielen sprachlichen – und aussersprachlichen – Faktoren ab.

Man vergleiche etwa die Sätze «Ein Lehrer ging die Strasse entlang», «Ein Lehrer verdient ganz gutes Geld», «Hans und Maria sind Lehrer» und «Alle neu eingestellten Lehrer sind Frauen». Jeder Leser wird bemerken, dass die Wortform «Lehrer» von Fall zu Fall unterschiedliche Assoziationen auslöst. Doch Assoziationsstudien, die so differenziert vorgehen, gibt es nicht. Das zeigt einerseits, wie wenig wir noch wissen, aber andrerseits auch, auf welch dünnem Eis sich viele Befürworter des Genderns bewegen.

[...]

Zu glauben, durch eine veränderte Sprachnorm politische Versäumnisse heilen und soziale Realitäten umstülpen zu können, ist eine Illusion: Es werden nicht mehr Frauen in Lastwagencockpits steigen, wenn man fortan von «Lastwagenfahrenden» oder «Lastwagenfahrerinnen und Lastwagenfahrern» spricht, solange zukünftige Kapitäninnen der Landstrasse das Steuer nicht selbst in die Hand nehmen wollen.

Selbstverständlich gibt es eine große Bandbreite der Empfindungen und Assoziationen, und jeder hat ein Recht, damit ernst genommen zu werden. Letztlich muss aber, wenn es darum geht, etwas möglichst für die gesamte Gesellschaft einzuführen, die Substanz reichen. Mit anderen Worten: es muss für eine Sicht eine kritische Masse überschritten sein, ansonsten ist sie einfach zu wenig repräsentativ für alle.

Thema "Jeder nach seiner Fasson":

Im Übrigen wird oft vergessen, dass Gendern eine Sprachhandlung ist, die sich aus der Überzeugung ableitet, das Maskulinum habe keine generische Bedeutung. Wer gendert und eine maskuline Form benutzt, kann folglich nur die spezifisch männliche Lesart im Sinn haben. Diese triviale Konsequenz wird jedoch von den wenigsten zu Ende gedacht, denn sie bedeutet, dass sich generische Lesart des Maskulinums und Gendern gegenseitig ausschliessen.

Die «friedliche Koexistenz», also das gelegentliche Einstreuen von «*in»-Formen, wie es zum Beispiel Claus Kleber im ZDF-«Heute-Journal» praktiziert, ist ein logischer Widerspruch: Wer gendert, entledigt das Maskulinum seiner generischen Bedeutung – wo «Expert*innen» sind, sind «Experten» nur Männer. Hier gibt es kein Ab-und-zu und Von-Fall-zu-Fall, sondern nur ein Ganz-oder-gar-nicht.

Das ist, was ich weiter oben als "autoritär" bezeichnet habe, und darin sehe ich ein großes Problem. Es ist überhaupt nichts dagegen einzuwenden, wenn Einzelne für sich beschließen, Formen von Höflichkeit, Beachtung, Wertschätzung anzuwenden, aber in dem Moment, wo hierdurch impliziert wird, dass es anderen, die das nicht oder anders tun, an den Werten darunter mangelt, haben wir ein Problem. Das ist einer der Gründe, warum ich mich so entschieden gegen das Gendern positioniere.

Daher sei hier die folgende Prognose gewagt: Ob (dynamischer) Unterstrich, Genderstern, Binnen-I, Doppelpunkt, Beidnennung oder generisches Femininum – nichts davon wird sich in der Sprachgemeinschaft durchsetzen, denn nicht die Schaffung, sondern die Vermeidung unnötiger Komplexität ist eine der Haupttriebfedern für Sprachwandel. Man schaue sich zum Vergleich den Gebrauch des Konjunktivs und mancher Tempusformen an: Wer ausser emsigen Deutschlernern weiss überhaupt, dass Formen wie in «Maria sagte, dass du gegangen sein werdest» existieren? So schön es auch wäre, wenn es klappte, sie zu benutzen – in der sprachlichen Realität gelingt es einfach nicht.

[...]

Aus diesem Grund sollten sich alle, die das generische Maskulinum gern abschaffen möchten, die Frage stellen, ob ein Verzicht auf die Sexus-Suffixe «-in» und «-erich» letztlich nicht klüger wäre. Es würde zwar eine Verarmung der deutschen Sprache bedeuten, wer aber das Sexistische bekämpfen möchte, sollte beim Sexus und nicht beim Genus anfangen.

Ein interessanter Vorschlag. Man könnte ihn einmal weiterdenken. Entscheidend bleibt aber auch hier, ob die "Sprachgemeinde" dafür zu haben ist. Immerhin sind gerade Vereinfachungen etwas, wodurch sich unsere Sprache in ihrer Geschichte immer wieder gewandelt hat.

Thema "Politische Konnotation":

Was die Diskussion um das generische Maskulinum und gendergerechte Sprache am meisten vergiftet, ist jedoch nicht der Kampf um die besseren Argumente im akademischen Diskurs, sondern deren politische Anheimstellung. Es ist deprimierend, zu beobachten, wie wissenschaftliche Debatten durch moralisierende und politisierende Rekurse geistig enthauptet werden. So auch hier: Wer gendert, ist lieb und links. Wer es nicht tut – und auch nicht tun will –, böse und rechts.

Natürlich, Gendern polarisiert, und es gibt hier keinen leisen Mittelweg, auch nicht über die Vermeidung generischer Maskulina durch eine semantisch widersinnige und in den meisten Fällen ziemlich lächerliche Flucht in die Partizipbildung (die «Mitarbeitenden», «Verkaufenden» und «Studierenden» lassen schön grüssen). Doch war Gendern bisher ein Signet selbstverantwortlicher politischer Verortung, bekommt der, der es nicht tut, mittlerweile auch einen Stempel aufgedrückt. Grund hierfür ist die mit einer überheblichen Gerechtigkeitsattitüde vorangetriebene Institutionalisierung der Gendersprache durch Parteien, Verwaltungen und Universitäten (keine, die keinen Leitfaden hat) – wer sich nicht beugt, gerät schnell unter Verdacht.

Den Absatz finde ich ausgesprochen wichtig. Wir haben es hier am Ende auch erlebt, dass sich das Thema eigentlich von der Sprache weg und hin zu moralischen Überlegungen verlagert hat, wo die Sinnhaftigkeit des Genderns an sich schon gar nicht mehr zur Diskussion stand.


Der ganze Artikel, den übrigens eine Sprachwissenschaftlerin verfasst hat, ist sehr lesenswert und hier verfügbar: Wer nicht gendert, landet rasch an den politischen Rändern

Tut mir leid, das noch mal anzustoßen, aber ich fand den Artikel einfach zu interessant, um ihn nicht doch noch mal hier einzustellen.
 

Montfort

Leipziger Reinette
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Ich gendere nicht beim Schreiben und reden. Für mich ist bei dem Begriff Pilot jeder erfasst, der fliegt, fliegen kann / darf, eine Pilotenlizens hat. Über das Geschlecht sagt das Wort nichts aus.
 
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Cohni

Ananas Reinette
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Das wiederum ist für mich ein klarer Fehler. Man kann ja über Wortkonstrukte streiten und Änderungen durchaus kritisch betrachten, aber das Wort Pilotin gibt es schon und damit keinen sachlichen Grund, es zu vermeiden.

Stell Du Dir nur vor, Du stehst vor der Frau. Sprichst Du sie mit Frau Pilot an? Wäre auch Quark, oder? 😉
 

Bananenbieger

Golden Noble
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Wieso? Fast alle Pilotinnen werden mit Pilot angesprochen. Im Englischen gibt es "Pilotin" nämlich nicht. Hier wird meist "male pilot" oder "female pilot" verwendet, wenn das Geschlecht eine Rolle spielt.

Wenn überhaupt, dann müssten sich Männer aufregen, dass es im Deutschen durch das generische Maskulinum keine einzige wirklich männliche Form gibt.
Wir müssten einen den Polizister, Bauarbeiterer oder Arzter haben. Hat sich darüber schon ein Mann beschwert? Nö.

Genausowenig habe ich einen einzigen Mann darüber jammern hören, dass die Pluralform stets mit dem Artikel "die" verwendet wird.
 
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Cohni

Ananas Reinette
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Das wird jetzt aber ein ganz großes Durcheinander, meine Herren. 😊

Nur weil es im englischen geschlechterneutral „the pilot“ heißt und der Kontext entscheidet, ob weiblich oder männlich oder eben ein entsprechendes Adjektiv davor gesetzt wird, verschwindet doch das deutsche Wort Pilotin nicht. Das gibt es, seit Frauen Pilotinnen sind.

Spreche ich jetzt als Deutscher eine deutsche Pilotin mit Miss Pilot an oder...das ist doch unlogisch und kommt natürlich auf das Gegenüber an.
 
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