Und so ist es eben auch mit einem Krieg in unserer unmittelbaren Nachbarschaft. Das verbinden wir viel stärker damit, das sowas auch uns selbst passieren könnte. Kriege und Elend in fernen Regionen haben dagegen etwas von einem Kinofilm. Man ist zwar unmittelbar betroffen, aber sobald man etwas anderes macht, ist es auch schnell wieder vergessen. So ist das nun mal.
Exakt, das ist aber leider das Problem: Mir war es zum Beispiel vollkommen egal, ob da jemand tot umgefallen ist - ich hatte keinen Bezug zu der Person. Genau so wenig zu Robert Enke. Oder zu wem auch immer der so in der letzten Zeit gestorben ist.
Ich wurde aber in diesen Fällen auch nicht von Dritten dazu bewegt, doch bitte Mitleid zu haben - und dieses bitte auch zu bestätigen. Mal im Wortsinne von Mitleid: Mit zu leiden. Wie sollte ich mit jemandem leiden, zu dem ich gar keinen Bezug habe. Ich kann bestenfalls mit den Hinterbliebenden "mitleiden" und selbst das wäre schon im Wortsinn mehr, als es faktisch in mir auslöst oder auslösen würde. Ich habe eher ein Mitgefühl, ein Gefühl der Anteilnahme gegenüber den Verbliebenen.
Und das ist jetzt das große Thema mit der Ukraine: Ein Großteil der Bevölkerung hat, was vollkommen legitim ist, "Mitleid" - "zwängt" es aber zudem anderen auf. Wer "hier" nicht "mit leidet", dem fehlt die - vermeintlich - die Empathie.
Was barer Unsinn ist: Ich habe ein großes Verständnis für das Leid der Menschen dort, aber ich leide nicht mit. Ich finde es schrecklich, schlimm und abscheulich, was wir Menschen uns da gerade gegenseitig antun - aber ich leide(!) nicht darunter. Empathie wird gerne darauf reduziert, dass es um Mitleid geht - deckt jedoch mehr ab. Man kann empathisch sein, ohne mit zu leiden.
Zudem halte ich es nun mal für höchst anmaßend, nur weil sich jemand entschließt, dass ihm ein konkreter Fall (egal, ob nun die Ukraine oder was anderes) nun nahe geht und etwas in ihm auslöst, zu erwarten, dass Dritte dieses jetzt teilen.
Wer das erwartet, sollte aus meiner Sicht in sich gehen und sich mal fragen, wo er nun selbst in der Vergangenheit eben NICHT reagiert hat. Vielleicht war das der Tod eines Sportlers oder eben eines der Kinder die heute in Afrika verhungert sind. Wie kann diese Person von jemanden - dir, mir, egal wem - erwarten, dass wir in "seinem" Fall "mit leiden", wenn er sich das doch selbst in anderen Fällen auch zugesteht nicht "mit zu leiden".
Es ist die Doppelmoral, die Heuchlerei, die mich daran so stört. Denn nichts anderes ist es.