Homosexualität als Krankheit anzusehen sei also eine "Meinung", für die sogar noch Toleranz eingefordert wird.
What the fuck!
Moralische Ansichten unterliegen einem Wandel - in der Zeit wie in unterschiedlichen Gesellschaften. In unserer (westlichen) Gesellschaft haben wir uns mehrheitlich entschieden, Homosexualität als Lebensweise zu akzeptieren und das finde ich ausgesprochen gut so.
Vor wenigen Jahren war es hier strafbar, homosexuell zu sein - und noch heute ist es in Deutschland so diskriminiert, dass z. B. kaum Fußballer sich outen. Das ist schlimm für die Homosexuellen. Als ich auf die Welt kam (nicht-ehelich gezeugt) war es verpönt, unverheiratet ein Kind auf die Welt zu bringen. Ich weiß also, was gesellschaftliche Ausgrenzung mit einem macht. Da könnte man genug Beispiele bringen und da wird die "Schlagzahl" der Änderungen immer kürzer, man denke z. B. an Transmenschen.
Ganz andere Richtung: Meine Mutter hat in ihrem Haus auf Gas umgestellt, nachdem ihr jahrelang erzählt wurde, das sei gut für die Umwelt und billiger und fortschrittlicher. Ein knappes Jahr nach dieser Umstellung auf Gas - inzwischen ist Krieg - kann sie die Abzahlungen nicht mehr leisten, wenn ich sie nicht unterstütze. Gas ist "böse", weil es von den Russen kommt und es wird vor Allem teurer.
Ich war in einer Diabetikerschulung, wo es hieß: Das Wichtigste ist, dass wir uns gesund ernähren. Meine Frage war: Nach welchen Maßstäben? Im Moment ist Intervallfasten in, das ist das genaue Gegenteil von dem, was ich noch vor wenigen Jahren gelernt habe: Macht es wie die Asiaten, esst viele kleine Mahlzeiten anstatt weniger großer. So habe ich eine Reihe völlig gegensätzlicher Ernährungsrichtlinien aus den letzten 30 Jahren angeführt und die Dozentin war sprachlos.
Das sage ich meinen Kindern immer, die meinen, sie hätten die Weisheit mit Löffeln gefressen: Was heute richtig ist, kann morgen schon falsch sein.
Noch vor sehr kurzer Zeit galt es als gut und fortschrittlich, die Welt zu bereisen und andere Kulturen kennenzulernen -- inzwischen sorgt die Flug-Scham dafür, dass man sich rechtfertigen muss, will man mit dem Flugzeug verreisen. Es fliegen sogar Schauspieler und Popsänger mit ihren Privatjets um die Welt, um sich für weniger CO2-Ausstoß auszusprechen. Eigentlich ein Treppenwitz.
Und auch in anderen Kulturen gab und gibt es Verhaltensweisen, die wir befremdlich finden. Wie z. B. das Tragen von Masken in der asiatischen Öffentlichkeit, das hier bis zu Corona noch belächelt wurde. Inzwischen sind gerade wir Deutschen die letzten in Europa, die noch Masken tragen, ansonsten ist in Europa die Maskenpflicht praktisch nicht mehr existent. Jetzt werden WIR belächelt - von Franzosen, Holländern und Skandinaviern zum Beispiel.
Die Frage ist: Sind wir dazu berechtigt, andere Kulturen zu kritisieren, weil sie unsere Moralvorstellungen nicht akzeptieren bzw. andere Moralvorstellungen pflegen? Soll an UNSEREM Wesen die Welt genesen? Sind UNSERE Moralvorstellungen so universell? Ich halte diese Einstellung für sehr überheblich.
Ich kann Katar in einem Punkt gut verstehen: Wenn es ums Gas geht, dann fliegt der Habeck dort hin und macht den Bückling -- auf der anderen Seite reden wir über die Menschen dort in einem derart verächtlichen Ton, dass man sich wundern muss.
Und zu den Arbeitern in den Stadien: Es gibt AFAIR zwei Staaten, die die Landarbeiter-Konvention der UN nicht unterzeichnet haben: Katar und Deutschland.
Diese Doppelmoral prangere ich an. Ein Chinese hat mir mal gesagt: Unsere Kultur ist einige tausend Jahre älter als eure -- aber mit jeder neuen Moral-Mode fangt ihr an, durch die Welt zu reisen und diese Moralvorstellungen als das Ultimo zu präsentieren. Wie ich oben schon schrieb: Was heute richtig ist, kann morgen schon falsch sein. Und Chinesen haben eben einen deutlich langfristigeren Blick auf die Geschichte und wundern sich, dass wir unsere Moralvorstellungen so schnell wechseln.
Ich sag jetzt nicht, dass er recht hat, aber seine Sichtweise ist interessant. Und ich glaube nicht an eine universell richtige Moral -- denn dafür ändern sich die Moralvorstellungen in der Gesellschaft zu schnell.
Mit der gleichen scheinliberalen Begründung könnte man auch Faschismus gewähren lassen.
Nein, natürlich gibt es Grenzen und Intoleranz versteckt sich heutzutage sehr sehr gerne hinter einer angeblichen Libaralität, die man natürlich für seine eigene krude Gedankenwelt in Anspruch nimmt, aber nicht merkt, dass eben diese Gedankenwelt das Gegenteil von liberal bedeutet.
Wenn sich eine Gesellschaft (z. B. ein Staat) dafür entscheidet, faschistisch leben zu wollen - wer bin ich, ihnen das verbieten zu wollen? Das ist übrigens etwas vollkommen anderes, wenn ein faschistisches Land in Weltherrschermanier anfängt, andere Staaten anzugreifen.
Ich bin nicht intolerant, z. B. Schwulen gegenüber. Im Gegenteil. Aber ich gestehe anderen ihre Intoleranz zu.
In den USA gibt es immer noch die Todesstrafe. Und? Who cares? Es betrifft mich nicht und sie haben sich mehrheitlich dafür entschieden. Genauso wie sie sich mehrheitlich gegen eine universelle verpflichtenden Krankenversicherung entschieden haben. Käme für mich nicht in Frage, in einer solchen Gesellschaft würde ich nicht leben wollen. Aber wer bin ich, denen vorzuschreiben, dass sie das einführen sollen? Oder mich über sie lustig mache, weil sie das nicht einführen?