@Ankaa: als Mann kann man auch nicht in kurzen Hosen, Jeans oder T-Shirt aufkreuzen. In Berufen in denen man täglich mit vielen "Unbekannten" zu tun hat ist es besser, schon durch die Kleidung etwas bestimmtes auszustrahlen, weil man oft nicht die Gelegenheit erhält sich besser kennenzulernen. Klingt oberflächlich, ist es auch, aber wenn man ehrlich ist besteht das ganze Leben zu einem Großteil aus Oberflächlichkeiten.
Und was den Preis der Kleidung angeht:
Bei Maßkleidung zahlt man sowieso wesentlich mehr, danach kommt Maßkonfektion und bei Konfektionskleidung spielen die Marktposition des Herstellers und die "Marke" eine nicht unwesentliche Rolle. Teuer ist nicht immer gleich gut, obwohl die italienischen Maßkonfektionsschneidereien wie Kiton und Brioni ähnlich teuer wie gute Maßschneider werden können, allerdings auch die besten Materialien wählen und sehr gute Schneidereiarbeit leisten.
Es ist bei Konfektionsware nicht immer einfach zu erkennen, ob die Qualität den Preis auch wirklich wert ist. Was man schnell mal nachprüfen kann ist, ob die Einlage geklebt oder pikiert ist. Letzteres ist besser, "pikiert" heisst, dass die Einlage angenäht ist, dann fällt sie besser - das ist aber aufwendiger als sie zu kleben. Man prüft das indem man das Jackett am Taillenknopf hebt und dann Oberstoff und Futter auseinanderzieht. Wenn man die Einlage dazwischen fühlen kann, ist sie pikiert - sonst ist sie geklebt.
Handgenähte Knopflöcher erkennt man an den groben Stichen auf der Jackettinnenseite und leichten Unregelmäßigkeiten im Stich. Das sieht schöner aus, spielt aber für die Haltbarkeit keine Rolle. Man sieht nur, wieviel Liebe im Detail aufgewendet wurde. Maschinennähte sehen von allen Seiten und überall ähnlich aus.
Man kann bei Konfektionsware oft sehr gute und preiswerte Kleidung erstehen, wenn man weiss worauf zu achten ist. Danach lässt man die Ware anpassen und erhält ein Stück, das wesentlich besser sitzt als das was 90% der Leute (abhängig davon wo man sich bewegt, im Ruhrgebiet z.B. auch 99%) spazierentragen. Wenn man anpassen lässt sollte einem die Konfektionsware in bestimmten Belangen schon gut passen, ansonsten gibt man zuviel für die Änderung aus (es sollte aber schon ein guter Schneider sein, vor allen Dingen für Jacketts ist das wichtig, eine Hose umsäumen kann jeder).
Erster und wichtigster Punkt: Nacken-, Schulter- und Rückenpartie sollten exzellent sitzen und keine Falten werfen. Der Kragen sollte bei bequemem Stehen glatt am Nacken anliegen. An den Schultern sollte der Jackettstoff den Deltamuskel locker berühren, nicht ausgebeult werden aber auch nicht lose herunterhängen.
Zudem auch sehr wichtig: Taille. Der Taillenknopf sollte beim Ziehen desselbigen etwa 2-5 cm Luft zum Bauch haben. Auf keinen Fall sollte er spannen, aber zu locker sollte er auch nicht sitzen. Beim Sitzen im Einreiher öffnet man nämlich die Jackettknöpfe (hat sich aber wohl noch nicht herumgesprochen, wenn man sich so die zerknautschten Gestalten in diversen Cafés ansieht), deswegen kann die Taille ruhig anliegen. Zweireiher sind oft bequemer geschnitten, meist können die Knöpfe also beim Sitzen geschlossen bleiben. Dann kommts dann aber darauf an, ob und wie sich das Revers rollt.
Dann sollte die Länge stimmen. Man sagt so dass das Jackett so lang sein sollte wie die Innenseite der Hosenbeine, aber das ist auch Gegenstand von Mode. Von der Schulter bis zum Saum sollte es die Hälfte des gesamten Anzugs ausmachen, ein guter Anhaltspunkt ist die eigene Hand: man sollte die Hand des locker hängenden Arms am Saum einrollen können, dann ist das Sakko lang genug. Kürzere Coats waren auch mal vor einigen Jahren in Mode. Man sollte beim Anprobieren ein gut sitzendes Hemd tragen, die Manschetten sollten am Ärmel ca. 1 cm weit herausschauen wenn man eine normale Statur hat (nicht besonders klein oder korpulent). Die Hemdmanschette liegt am Daumenansatz an, der Jackettärmel dort, wo die Hand abknickt.
Wenn diese 3 Angelpunkte stimmen, kann ein guter Schneider den Rest auf jeden Fall zu einem annehmbaren Preis korrigieren. Das Jackett ist das Wichtigste! Daran hat sich beim Kauf alles andere zu orientieren, Hosen ändern kostet wenig und das kann wie gesagt jeder Schneider. Heute trägt man die Hosen gerne etwas tiefer, das geht auch völlig in Ordnung. Nur ist es immer blöd, wenn zwischen Sakko und Hose ein Dreieck Hemd herausschaut. Das kann man entweder mit einer Weste oder mit Hosen verhindern, die auf Taille geschnitten sind. Mit denen sieht man selbst im Sitzen nie diesen Teil des Hemdes.
Ich denke wenn man mit diesem Wissen bewaffnet ist, wird einem schon ein gut sitzender Anzug zu einem guten Preis zufallen. Da spielt die Marke dann auch keine Rolle, ein gut sitzender Anzug sieht immer besser aus als Markenware die ohne Sinn und Verstand ver- und gekauft wurde. Nur sollte man einen guten Schneider in der Region haben und da auch nicht zu kniepig sein.