Aktuell scheint alles auf einen langwierigen Belagerungs- und Guerillakrieg mit NATO&EU “crowdfunding“ hinauszulaufen, mindestens solange bis das System Putin kollabiert. Sieht eigentlich wie ein klassischer
Stellvertreterkrieg aus, der primär auf dem Rücken der ukrainischen Zivilbevölkerung ausgetragen wird. Ich spekuliere wenn die jetzigen Sanktionen und Waffenlieferungen ihren Zweck nicht erfüllen wird sich die NATO früher oder später doch noch "gezwungen" sehen noch direkter einzugreifen. Bis dahin wird die Ukraine bis zum letzten Ukrainer verteidigt und der Krieg mit unseren Waffenlieferungen weiter am Laufen gehalten. Bei aller Liebe zur Ideologie "ja aber" ist da auch ein schwacher Trost für die Toten und Hinterbliebenen. Die ukrainische Regierung scheint momentan auch auf Zeit zu spielen und hofft mit westlicher Unterstützung auf den totalen Sieg oder zumindest minimalste Zugeständnisse durch maximalem Schaden für Putin/ Russland, anders kann ich mir die Durchhalteparolen bei dem Anblick des ganzen Elends für die eigene Zivilbevölkerung nicht erklären. Etwas verstörend den ganzen Kriegs- und Heldenpathos außerhalb vom Kino und in Europa zu sehen, wenn reales töten sterben und leiden die Folge sind.
Aus den eigenen Reihen dürfte es auch keine Stimmen mehr geben, die für "sofortigen Frieden“ notgedrungen konkrete Zugeständnisse an Russland machen würden. Vor ein paar Tagen hat der ukrainische Sicherheits- und Verteidigungsrat vorsorglich die Arbeit “prorussischer“ Parteien verboten. „Die Aktivitäten von deren Politikern, die auf Spaltung oder Kollaboration abzielen, werden keinen Erfolg haben, dafür aber eine harte Antwort erhalten“, wurde Selenskyj von der „Ukrajinska Prawda“ zitiert. In Kriegszeiten kann man sich grob vorstellen wie so eine harte Antwort aussehen kann, Zugeständnisse um unmittelbar Leben zu retten sind Verrat am Volk der Demokratie und Europa, das will der Feind, man kämpft bzw. tötet stirbt leidet für patriotische und edle Ziele.
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Ich dachte ok - nachher der Häuserkampf wird schwer - das wäre logisch. Aber ich habe niemals damit gerechnet, dass selbst auf offenem Gelände auf dem Weg zu den Städten die russische Armee dermaßen Schwierigkeiten hat.
Wahrscheinlich gibt es nicht "den" einen Grund. Wahrscheinlich ist die Ukrainische Armee - immerhin Nachfolger der russischen Armee - doch nicht so schlecht ausgerüstet und ausgebildet gewesen?!
Das hat mich auch gewundert, vor allem vor dem Hintergrund, dass es bei uns in den Medien vor dem Einmarsch ständig hieß, dass die ukrainische Armee eigentlich nicht gewinnen kann. Putins Plan A und B waren wohl ein schneller Putsch in Kiew. Das konnte offensichtlich verhindert werden, wenn Putin schon nach 3 oder 4 Tagen das ukrainische Militär dazu aufgerufen hat die eigene Regierung zu stürzen um den Krieg zu beenden. Ein Hauptgrund für das gute Abschneiden des ukrainischen Militärs dürfte eine deutlich verstärkte militärische Unterstützung durch die NATO seit der Krimannexion sein. Seit 2014 herrscht im Osten des eigenen Landes immerhin Krieg, viele Ukrainer waren also schon kampferprobt oder wurden entsprechend auf einen neuen/ alten Konflikt vorbereitet. Seit Dezember hieß es bereits medienwirksam von amerikanischer Seite aus, dass Russland eine Offensive plant. Man kann also davon ausgehen, dass relevante Geheimdienstinformationen mit der Ukraine geteilt wurden, sie taktisch einigermaßen gut auf das jetzige Szenario vorbereitet und entsprechend mit Kriegsmaterial versorgt wurden um vor allem Kiew/ die Regierung in den wichtigen ersten Kriegstagen vor irgendwelchen Sabotageakten zu schützen. Moskau hat im Januar wiederholt dazu aufgerufen die Ukraine nicht weiter aufzurüsten, weil dies "militärische Spannungen schürte" (
Link) und das Land ermuntern könnte den eigenen Osten anzugreifen. Die US Botschaft in Kiew zu den Waffenlieferungen einen Monat vor Kriegsbeginn, sie „demonstrieren das starke Engagement der Vereinigten Staaten für das souveräne Recht der Ukraine auf Selbstverteidigung“. Die schiere Landesgröße, gezielte Infrastruktursprengungen, ausbleibende Kapitulationen, Demoralisierung, der verlorene Medienkrieg und dessen Folgen dürften für die russische Armee auch ein Problem sein. In Hinblick auf Putins ursprünglichen game plan als Retter der Ukraine aufzutreten dürfte ausnahmslos alles in Schutt und Asche legen auch eher kontraproduktiv sein, wobei er jetzt inklusive Belagerung anders keinen Druck aufbauen kann, was ihn in der Ukraine auch nicht beliebter macht. Ich denke momentan ist Putin auf ein "Entgegenkommen" der ukrainischen Regierung angewiesen, wenn er nicht nur mit leeren noch blutigeren Händen wieder nach Hause will, was die ganze Welt von ihm neben Harakiri erwartet.