padrak, ich habe mir deine Beiträge in diesem Thread nochmal angesehen. Ich finde noch immer kein Argument, das wirklich überzeugt. Alles was du sagst, ist (meinem Verständnis nach):
(i) Fiktion ist Fiktion und Realität ist Realität.
(ii) Das Eine ist nicht gleich das Andere.
(iii) Das (nämlich i und ii) weiß jeder/Das ist hinlänglich bekannt.
(iv) Fiktion dient der Unterhaltung.
(v) Deshalb kann man sich sorglos von GoT (einer Fiktion) unterhalten fühlen.
Der erste Satz (i) stellt eine Tautologie (dasselbe Sagendes) dar. Argumentativ handelt es sich dabei um eine These (deren Begründung noch aussteht). Der zweite Satz (ii) ist eine sogenannte „negative Identitätsaussage” (a ist nicht gleich b). Das ist zwar weder banal (wenn man es denn wirklich so einfach verwechseln kann), aber eben auch nicht besonders erkkentniserweiternd, denn den verschiedenen Namen nach wird das zunächst einmal nahegelegt. Argumentativ aber ist es lediglich eine Verdeutlichung der These, noch nicht ihre Begründung. Der dritte Satz (iii) ist eine Behauptung über das Bekanntsein von oder das allgemeine Bewusstsein über (i) und (ii), deren Wahrheit unbewiesen ist. Der vierte Satz (iv) verengt Fiktion auf ihre Unterhaltungsaufgabe, damit nun in (v) der „logische Schluss” über (i)-(iv) erfolgt.
Meine Argumentation läuft nun wie folgt:
zu (i): Rein begrifflich bedeuten diese Begriffe Verschiedenes, allerdings gibt es Übergänge genau dann, wenn
a) der literarische Stoff, der zunächst nur im Leserkopf vermittels Phantasie, die sich aber immer auch aus Bausteinen der realen Welt zusammensetzt (wie sollte es anders sein?), vorgestellt wird, bildhafte Gestalt annimmt. Ein Bild der Gewalttätigkeit entsteht also im Wesentlichen aus erfahrenen Gewaltbildern, die darüber hinaus in Einklang mit dem Text zu bringen sind. (vereinfacht gesagt am Beispiel „A verletzt B in der Weise, dass Blut fließt“: Wenn ich nun nicht wüsste, dass Menschen bluten, wenn man sie verletzt und dass dieses Blut dann rot ist, dann werde ich kaum eine Vorstellung erzeugen können, die dem Text entspricht. Natürlich ist es in diesem Bereich noch sehr einfach, denn man kann Blut als Flüssigkeit beschreiben und die Farbe (nicht das Wort) „rot” ist vielleicht von Blumenblüten her bekannt. Das Bild, das nun beim Lesen entstehen könnte, ist vermutlich relativ harmlos, denn bisher läuft nur rote Flüssigkeit aus einem menschlichen Körper. Was aber gerne beim Film passiert, ist die Vorwegnahme der Phantasie, eine Ersetzung durch die Vorstellung, auf die sich die Crew einigen konnte. Diese muss nicht zwangsläufig unsere relativ harmlose übersteigen. Allerdings geht es beim Film immer auch darum, etwas zu zeigen, was zuvor nicht gezeigt oder gesehen wurde, denn man möchte bei Set selbstverständlich die Kraft seiner Phantasie und die Anstrengung der Einigung und Umsetzung bezahlt haben. Der potentielle Zuschauer macht das auch meist gern, denn es erspart ihm das Bemühen seiner eigenen Phantasie. Das ist durchaus legitim, denn oft haben wir einen stressigen Alltag und lassen uns abends gerne berieseln und unterhalten.
Womit aber lassen wir uns jetzt unterhalten? Mit der Phantasie anderer Menschen. Kein Problem, denn auch viele Bücher sind das Phantasie-Produkt ihrer Autoren.
b) nun aber die angetragene Phantasie in maßgeblicher Weise um die Inszenierung von Gewalt geht, die darüber hinaus den Anschein erweckt, angemessene Strategie zur Erreichung eigener Ziele zu sein, dann können solche Menschen, die unsicher darin sind, wie sie ihre Ziele im realen Leben erreichen, hier ein ungünstiges Vorbild finden. Hier bedarf es (psychologisch gesprochen) einer Regulation (Steuerungseinheit), die deutlich macht, dass es trotz allem Anschein eben nicht so ist, dass man bei der Erreichung von Zielen anderer Leute Blut fließen lassen darf.
Nach Satz (iii) (Satz ii können wir überspringen, denn er hat den Stellenwert einer Aussage, wie ,1 ist nicht gleich 2‘) meinst du, dass diese Steuerungseinheit generell bei allen Menschen vorhanden und perfekt intakt ist. Das ist sie leider nicht. Ich will hier auch ungern eine Verengung vornehmen, aber: Ganz oft sind die Betroffenen solche Menschen, die entweder keine Strategien zur Zielerreichung gelernt haben (Eltern lassen heutzutage ihre Kinder sehr gerne im dem Glauben allein vor dem TV/PC, dass die Hersteller bei der Produktion die Verantwortung schon so weit übernommen haben werden, dass ihre Medien völlig unproblematisch von Kindern konsumierbar sind), und/oder die Eltern entziehen sich der Aufgabe mit Begründungen wie der, dass sie zu wenig Zeit für ihre Kinder hätten, KiGa und Schule das zu übernehmen hätten, der gesellschaftliche Druck zu groß wäre, alle anderen Kinder das ja auch nicht in dem Maße bekämen usw.
Dieser Mangel kann ausgeglichen werden, denn wir sind nicht durch das allein festgesetzt, das uns in unserer Kindheit widerfährt oder nicht widerfährt. Allerdings gibt es durchaus Menschen, die auch im Erwachsenenalter Probleme haben, weil sie die nötige Steuerung nicht aus sich selbst hervorbringen können. Diese Menschen werden genau dann mehr werden, wenn TV/PC zeitlich immer stärker in den Vordergrund rückt, denn für das Erlernen angemessener Strategien braucht es soziale Interaktion/menschliches Zusammentreffen. Am Bildschirm lernt mal genau nichts, wenn man nicht gelernt hat zu lernen. Lernen aber hebt an und gelingt mit anderen Menschen. Im TV kann man sich bestenfalls was abgucken und dies unreflektiert nachahmen.
Wenn du so sozialverträglich bist, wie du schreibst, mache ich mir um dich keine Sorgen. (Ich habe übrigens nicht gesagt, du bist, sondern du könntest gemütsdegeneriert sein. Du selbst hast dich unter meine Definition begeben.) Allerdings überspringst du damit ein reales Problem, denn „Irrlichter” gibt es nicht nur in der Fiktion.
In (iv)übersiehst du, dass Fiktion durchaus Ekel und Abschreckung erzeugen kann; manchmal sogar Kritik an der Realität beinhaltet, um diese z.B. moralisch zu verbessern.
Optisch aufbereitet, sehen deine Sätze wie ein Argument aus. Aufgrund der internen Probleme, die ich hoffentlich hinreichend verstanden und wiedergegeben habe, zerfällt dieses hübsche Bild aber leider, da es nicht wie ein Argument schließt. Und bisher hat das auch nicht das geringste mit deiner oder meiner Sprachwahl zu tun.
Du kannst ansehen, was immer du willst. Meinen Argumenten jedenfalls musst du - sofern mein Verständnis korrekt ist - mit mehr begegnen als Tautologien und der bloßen Wiederholung, wie geil du die Serie doch findest.