Facebook, diese wunderbare kleine Welt, in der Freund und Freundin, Arbeitgeber und Angestellter, Mieter und Vermieter, Bankberater und Steuerberater, Kunde und Auftraggeber sich alle gegenseitig die Hand geben und zu Freunden werden. Und mit jedem weiteren Freund, den man ja adden MUSS, wenn man ihn persönlich kennt, muss man noch mehr aufpassen, was man so schreibt und sich gut überlegen, was man schon geschrieben hat und schauen, welche Fotos man hochgeladen hat und noch mehr kontrollieren, was man preisgibt. Irgendwann hat man alle Leute, die man aus irgendeinem Grund persönlich kennt, unter einem Dach versammelt hat und stellt fest, daß man selbst nur noch mit selbstgestricktem Maulkorb rumläuft. Und lauter nette, kleine, glatte, langweilige und nichtssagende Nachrichten verbreitet, um ja bei niemandem anzuecken.
1984 kam nicht, also bauen es wir uns selbst. Schaltet Eure Handy-Ortungen frei! Jeder muss jeden kontrollieren! Ladet alle Eure Fotos hoch, kein Mensch darf mehr etwas zu verbergen haben. Schreibe, wie Du Dich fühlst. Schreibe, was Du gerade machst. Freust Du Dich gerade? Bist Du sauer oder betrübt? Wir wollen das wissen. Hast Du noch Liebeskummer? Ja oder Nein? Wir wollen das wissen. Wer nicht schreibt, hat was zu verbergen!
Meine minderjährige Nichte und ihre Freundinnen geben ihr Leben preis, daß ich kotzen könnte. Öffentlich geführter Talk über Liebeleien, Enttäuschungen, Pöbeleien... ich schau zu und lese mit und versuche, mit ihr darüber zu reden. Sie versteht, was ich meine - aber es lässt sich nicht mehr aufhalten. Ihre Pubertät und die ihrer vielen Freundinnen wird sich noch in Jahren online studieren lassen.
Von mir wird man lediglich erfahren, daß ich mir mal eine Currywurst gebraten habe oder mich für Chaplin und den American Cinematographer interessiere. Rest geht niemanden was an, nur meine wirklichen Freunde.