Wenn ich mir die aktuellen Zahlen so ansehe und von 80 Millionen Einwohnern in Deutschland ausgehe, dann sind ca 54,2 Millionen Menschen doppelt und ca. 56,2 Millionen einfach geimpft. Bisher haben sich ca. 5,2 Millionen Menschen infiziert, von denen ca. 0,1 Millionen Menschen gestorben sind (da waren natürlich auch ein paar Geimpfte dabei). Es sind also immer noch gut 18,6 Millionen Menschen ohne Schutz, über die sich das Virus ungehindert verbreiten kann.
Ich rechne das etwas anders.
Die heutige Impfquote der mindestens einmal Geimpften liegt bei 70,4%
Die Anzahl der mindestens einmal geimpften Personen wird mit 58.507.255 angegeben.
58.507.255 / 70,4 % * 100 % = 83.106.896 Einwohner
83.106.896 - 58.507.255 = 24.599.641 ungeimpfte Personen
Da sind natürlich alle enthalten, vom Neugeborenen bis zum Greis. Kinder unter 12 Jahre können nicht geimpft werden. Da auch Kinder unter 12 Jahren zur Verteilung des Viruses beitragen, muss man sie jedoch in der Statistik erfassen. Ihr Anteil an der Bevölkerung macht etwa 11 % aus. Diese Zahl habe ich Statistika entnommen (Basisjahr 2020).
83.106.896 * 11 % / 100 % = 9.141.759 Kinder unter 12 Jahren
24.599.641 ungeimpfte Personen - 9.141.759 Kinder unter 12 Jahren = 15.458.137 müssten noch geimpft werden
Davon muss man natürlich noch diejenigen abziehen, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen können. Davon wiederum kann sich ein Teil nur vorübergehend nicht impfen lassen (z.B. wegen anderer Behandlung ode Schwangerschaft). Hierzu habe ich bisher keine Größenordnungen gefunden.
Bei einer Sterberate von 0,8 % werden dann also in den nächsten Monaten noch ca. 150.000 Menschen sterben.
Was heißt "in den nächsten Monaten" genau?
Das RKI weist heute 5.248.291 nachgewiesene Infektionen aus und davon sind 98.739 Menschen verstorben (seit Beginn der Zählung im Februar/März 2020)
100 % / 5.248.291 * 98.739 = 1,9 % Sterberate
Ich komme also auf eine mehr als doppelt so hohe Sterberate. Wer auf die Intensivstation muss, hat laut Aussage der Krankenhäuser eine 50 %ige Überlebenschance.
Allerdings hieß es ja unter anderem von Wieler, dass die Dunkelziffer der Infizierten vermutlich ca. drei Mal so hoch sei. Das bedeutet dann aber umgekehrt, dass die Sterberate auch entsprechend 3 Mal so gering sein muss.
Die Dunkelziffer ist gefährlich. Die Münchner Studie vom letzten Jahr ist zwar auf eine Dunkelziffer von 2 bis 3 gekommen, aber die darf man nicht zur Risikoabschätzung verwenden. Die sind unerkannt geblieben, weil Ihr Krankheitsverlauf symptomlos oder sehr milde war. Das kann deshalb passiert sein, weil sie nur eine geringe Virenlast abbekommen haben. Und wie weit ihr Immunschutz noch wirkt, lässt sich gar nicht abschätzen. Je geringer die Virenlast, desto eher ist der Schutz aufgebraucht. Nach der Gaussschen Normalverteilung müssten auch von denen 70 % mindestens einmal geimpft sein.
Die Studie ist vor der Delta-variante erstellt worden. Die Delta-Variante ist aber viel infektiöser. Das kann dazu verleiten, von eienr noch höheren Dunkelziffer auszugegehen. Andererseits ist der Krankheitsverlauf bei der Deltavariante schwerer. Das würde die Dunkelziffer eher senken.
Insgesamt zuviele Unbekannte, als dass man damit auch nur halbwegs verlässliche Zahlen bekommen könnte.
Mit der dann entsprechend reduzierten Sterberate von 0,3 % würden in den nächsten Monaten also noch ca. 36.000 Menschen an oder mit dem Corona-Virus sterben. Und das liegt dann eigentlich sogar im Rahmen der normalen Sterblichkeit.
Ein gewagte Aussage! Nach 365 Tagen hatten wir ungefähr 70.000 nachgewiesene Tote durch Covid-19. Die Grippewelle 2017/2018 hatte hochgerechnet zu etwa 25.000 Toten geführt. Nachgewiesen sind davon jedoch nur knapp 1700.
Auf die 25.000 Toten kommt man per Hochrechnung aufgrund der Übersterblichkeit in dieser Grippesaison. Die normalen Sterbefälle wegen Altersschwäche, Krankheit, Unfall etc. kommen noch hinzu.
Corona ist demnach fast dreimal so schlimm wie die bisher schlimmste dokumentierte Grippewelle.
Aktuell ist die Situation sicherlich dramatisch, aber mittelfristig dürfte es sich wieder entspannen.
Die Dramatik ist vor allem die hohe Auslastung der Intensivbetten. Die sind derzeit in erster Linie mit Covid-19-Patienten gefüllt. Aber die Herzinfarkte, Unfälle etc. benötigen ja auch Intensivbetten. Letztere muss man zudem vor einer Covid-19-Infektion schützen. Die beiden Patientengruppen müssen also räumlich voneinander getrennt werden und Personal kann man nicht einfach von einem Covid-19-Patienten zu einem Herzinfarkt-Patienten schicken. Es wird mindestens eine zeitraubende Desinfektion nötig und dann könnte über die Atemluft das Virus doch noch verbreitet werden. Deshalb vermute ich, dass gar kein Personalaustausch stattfinden darf. Das verknappt die Verfügbarkeiten der ohnehin knappen Ressourcen zusätzlich.
Auch die Verlegung in andere Krankenhäuser mit mehr freien Betten ist bei Intensivpatienten nicht ohne weiteres möglich. Abgesehen davon, dass der Patient transportfähig sein muss, muss auch ein Krankenwagen oder Hubschrauber zur Verfügung stehen.
Natürlich wird sich die Lage auch wieder entspannen. Aber zu welchem Preis? Die Lage ist derzeit in Sachsen, Thüringen und Bayern dramatisch. Gestern haben sich die Ministerpräsidenten auf neue Regelungen geeinigt. Eine davon ist die Anzahl der Hospitalisierungen und hier in München sind wir bereits jetzt nur 0,4 %-Punkte von der höchsten Warnstufe entfernt.
Die Anzahl der Toten ist zudem nur eine Zahl, es gibt auch noch den psychologischen und soziologischen Aspekt. In Italien wurden die Verstorbenen per LKW in Massengräber gefahren. Die Bilder kennen wir. Was bedeutet das für die Angehörigen, kein richtiges Grab zu haben? Selbst wenn es ein ordentliches Grab gibt, können nicht alle zur Beerdigung kommen, die gerne kommen würden. Der sogenannte Leichenschmaus kann nicht stattfinden. Der hat aber auch einen wichtigen psychologischen Aspekt. Das sind alles Dinge, mit denen wir rechnen müssen, wenn wir die aktuelle Entwicklung nicht aufhalten können.
Trotzdem, wenn alle geimpft wären, bräuchten wir erst gar nicht solche blöden Rechenspiele, sondern könnten uns einfach auf Weihnachten, Silvester und den nächsten Urlaub freuen. Und so machen uns die Ungeimpften, die ja genau das fordern, alles wieder kaputt. Nicht ganz ohne Grund hat Mertens Montgomery von der Tyrannei der Umgeimpften gesprochen.Wenn ich von Ungeimpften spreche, dann nehme ich Kinder übrigens explizit aus.
Selbst wenn wir alle geimpft wären, plädiere ich auch dann, dass wir uns noch selbst weiterhin einschränken. Wenn wir unbesorgt in der Weltgeschichte herumreisen, können wir uns viel kaputt machen. Bekanntlich können auch geimpfte zum Infektionsgeschehen beitragen, ein Impfschutz ist niemals 100 % und lässt zudem über die Zeit nach. Jede Infektion kann eine Mutation hervorbringen, gegen die wir weniger geschützt sind.
Die endemische Situation, die ja angestrebt wird, werden wir nicht mit der letzten Impfung erreichen. Das wird vielleicht auch mit Durchimpfung noch ein oder zwei Jahre dauern. Darauf würde ich mich einstellen.
Ich persönlich rechne gerne mit dem Schlimmsten. Dann kann ich mich darauf vorbereiten und es wird eher besser als schlechter. Wenn ich aber nur beklage, was alles wegen Corona nicht möglich ist, programmiere ich mich auf Frust. Ich frage, was kann ich wie trotz Corona machen?