Vielen Dank für die ausführliche Antwort. Nun verstehe ich besser, was Du sagen wolltest. Eigentlich war die Aussage in Deinem Text bereits enthalten - doch sah ich sie noch nicht, was uns dann auf eines der folgenden Gleichnisse bringen wird (soviel zur spannungserzeugenden Intro

).
Generell würde ich die Realität also eher diskurstheoretisch auffassen, d.h., das was wir sagen, schreiben und handeln, das existiert (zumindest insofern als es Auswirkungen auf die Handlungen unserer Mitmenschen hat). Und dass es Menschen gibt, die beides in sich tragen, ist auch der beste Beweis, dass beides zugleich möglich ist (und somit eine diskursorientierte Widerlegung der Nicht-Existenz Gottes wie auch der Nicht-Existenz der Naturgesetze). Aber ähm... das führt jetzt zu weit
Meine grösste Abweichung zu Deinen Aussagen gleich zu Beginn: Diese Auffassung der Realität scheint mir das Mittel in die Hand zu geben, dass man letztlich alles als wahr und alles als unwahr bzw. inexistent bezeichnen kann. Doch die Definition hilft klar der Diskussion, da der Realitätsbegriff sehr verschieden angeschaut werden kann (siehe auch untenstehende weitere Diskussion).
Da der Realitäts-Begriff hier so definiert ist, dass er gleichzeitig alles erlaubt und widerlegt, gefällt er mir nicht so sehr, da er m.E. für die Diskussion nicht sehr hilfreich ist. Ganz im Gegensatz zum unten schön erläuterten Modell Kants.
Das mit dem 17./18. Jahrhundert war dann mehr oder weniger auch auf Kant bezogen, wobei ich gleich eingestehen muss, bislang noch nicht viel von ihm gelesen zu haben. In seiner
Kritik der reinen Vernunft hat er sich mit der Frage beschäftigt, was man wirklich wissen kann. Er ist dabei eben zu dem oben erwähnten Schluss gekommen und zu dem Schluss, dass es Empirismus/Rationalismus freilich gäbe, dass dieses Wissen bzw. diese Erkenntnis aber immer aus den Dingen heraus entstehe bzw. nach ihnen entstehe (der Stein in der Sonne ist glaube ich schon seit der Antike ein Lieblingsbeispiel der Philosophie

). Diese Erkenntnis ist also
a posteriori (um ein paar Begriffe kommen wir jetzt leider nicht herum, für das Thema bräuchten wir eigentlich mehrere Metaphysikvorlesungen

) und Kant fragte sich bzw. folgerte, dass dies Erkenntnisse
a priori, also von den Dingen unabhängig, ja quasi vor ihnen (zeitlich/räumlich/wie auch immer) nicht ausschließe und man diese herausfinden könne. Das ist das erfahrungsunabhängige Wissen, das was man wirklich wissen kann, ohne sich auf empirische Untersuchungen etc. berufen zu müssen, da es von diesen unabhängig ist - die reine Vernunft eben. Sollte mein Post zu sehr nach Leugnung des Empirismus/Rationalismus geklungen haben, so habe ich das schlecht ausgedrückt. Es gibt eben z.B. nach Kant unterschiedliche Formen des Wissens und ein kurzer Blick in die Wissenschaftsgeschichte zeigt, wie oft sich die Naturwissenschaften aber auch alle anderen Wissenschaften immer wieder widerlegt, erneuert und verbessert haben, wobei die »Verbesserung« eben anzuzweifeln ist, es kommt immer was Neues, von dem wir x Jahre lang glauben (!), dass es das Beste ist, dann kommt in x+y Jahren eben eine neue Theorie, die alles bisher Geglaubte plötzlich nur als einen ersten, primitiven Entwicklungsschritt dastehen lässt.
Vielen Dank! Dies freut mich. Zu Deiner Beruhigung: Ganz unbekannt sind mir die verwendeten Begriffe nicht
In diesem Kontext erwähne ich sehr gerne noch ein anderes Standardbeispiel der Philosophie: Das Höhlengleichnis (wirklich lesenswert). Man kann es sehr einfach auch wie Kants a priori bzw. a posteriori Argumentation ansehen. All unsere Überlegungen, die wir zu den Schatten machen sind unsere Schlussfolgerungen a posteriori. Die eigentlichen Figuren, welche die Schatten werfen, wären die Zusammenhänge a priori, wobei wir nicht fähig sind, diese primären Formen direkt anzusehen bzw. es uns nur im Gedankenexperiment gelingt ins Licht selbst zu sehen...
In diesem Kontext bin ich völlig einverstanden, dass all unsere wissenschaftlichen Erkenntnisse alles Erkenntnisse a posteriori sind, von denen wir nur hoffen können, dass sie auch nur irgend einen Bezug zu den eigentlichen Regeln der Realität haben (a priori festgelegt). Diese wissenschaftskritische Haltung habe ich ebenso im anderen Thread wie Du auch vertreten und dargelegt, auf den ich erneut gerne verweise, so dass ich nicht dieselben Argumente nochmals tippen muss (ich denke, dass wir uns dann besser verstehen werden dann. Gerne lese ich auch entsprechende Posts von Dir).
Bezüglich Realitätsbegriff (den ich hier nochmals aufnehme), ziehe ich es eigentlich vor, mit Realität die eigentlich primären Formen zu definieren, welche durchs Licht den Schatten werfen, sozusagen die Regeln a priori. Dann kann ich nämlich besser argumentieren, dass unsere Wahrnehmung sehr beschränkt ist und wir alles nur durch eine "Brille" (=unsere Sinne) sehen. Insofern bin ich mir völlig bewusst, dass es mir nicht möglich ist, die Realität objektiv wahrzunehmen.
Das mit dem Stein ist eben eine reine, logische Schlussfolgerung. Wir beobachten eben nicht, dass das eine aus dem anderen folgt, sondern nur auf das andere. Okay, der Stein ist vielleicht ein zu primitives Beispiel dafür. Aber der Punkt ist eben, dass wir mit empirischen Schlussverfahren beruhend auf Beobachtung (bei Kant die synthetischen Urteile) nicht/kaum Erkenntnis a priori gewinnen können. Er hätte noch die Mathematik als zu solchen Urteilen fähig betrachtet, in der modernen Mathematik gibt es meines Wissens nach aber auch Strömungen, die das bisher gelernte anzweifeln, jedoch habe ich absolut keine Kompetenz in diesem Bereich. Auch in der modernen Physik gibt es ja Vermutungen, dass alles bisher erforschte relativ falsch ist. Es hat nur eben immer sehr gut geklappt, das mit dem Aufeinander- und Auseinanderfolgen.
Ich bin völlig einverstanden mit Dir, dass all unsere wissenschaftlichen Bemühungen letztlich Schlussfolgerungen unserer Messungen und demnach Wahrnehmungen sind. Dennoch besteht - nebst den rein pragmatischen eher ingenieurswissenschaftlichen Anstrengungen - die Bestrebungen, mit den Experimenten die eigentlichen Grundregeln zu ergründen, sozusagen aus unseren a posteriori Schlüssen auf die möglichen a priori Strukturen/Formen/Figuren zu schliessen.
Mit jedem wissenschaftlichem Schritt hofft man, dass man es erreicht hat - doch wie von uns beiden schon mit Beispielen erwähnt - lag man in vielen Bereichen immer wieder daneben, so dass es nicht nur deswegen sondern auch aufgrund unserer begrenzten Wahrnehmung nicht möglich sein wird darauf zurückzuschliessen.
Dies insbesondere, da man auch überhaupt anzweifeln kann, ob es solche primären formen überhaupt gäbe und es nicht nur die Schatten selbst gäbe ohne die ganze metaphysische Oberkonstruktion... Doch diese wäre wieder ein anderes Kapitel
Insofern verstehe ich nun Deine Aussage mit dem Stein in der Sonne, obwohl man nicht nur empirisch durch repetitive Wiederholung sondern auch durch physikalische Modelle das Gefühl hat, eine recht gute Vorstellung zu haben, was wirklich abläuft, so dass dieses Phänomen immer wieder beobachtet werden kann. Doch Du hast Recht: Schon oft waren die Modelle falsch...
Aber diese Fragen beschäftigen den Menschen wohl vermutlich schon, seit es Hochkultur oder zumindest Kultur gibt oder vielleicht ja auch seit Anbeginn des Menschen überhaupt.
Es gibt ja auch noch zahlreiche andere Formen von Beispielen anderer wohlklingender Autoren, die immer wieder ähnliche Punkte beleuchten nur mit anderen Worten
Und gerade dieser Blick zurück erhellt eben die Einsicht, dass naturwissenschaftliche, philosophische und theologische Theorien kommen und gehen, dass aber die gut herausgearbeiteten Teile und Ansätze davon auch über Raum und Zeit hinaus erhalten bleiben und noch heute relevant sind.
Völlig einverstanden. Doch möchte ich hier nur noch kritisch anmerken, dass sich die Fragestellung in der Menschheitsgeschichte vielleicht nicht deshalb kaum verändert hat, weil sie so universell sei, sondern weil sich das menschliche Gehirn (d.h. seine Wahrnehmung, seine Interpretationsfähigkeit, seine Denkfähigkeit, sein Vorstellungsvermögen) während der ganzen Zeit kaum verändert hat (!).
Obwohl wir uns aktuell mit hochkomplexen Problemen und Prozessen auseinandersetzen müssen / können / dürfen, unterscheidet sich unser Denkapparat nicht wesentlich zu dem vor Tausenden von Jahren. Dies ist von Relevanz, wenn es beispielsweise um Beurteilung von grossen Zusammenhängen (siehe Ökologie, Makroökonomie und anderes) geht, in denen wir uns oft halt wirklich noch nicht sehr zeitgemäss verhalten (siehe oftmals auch die politischen Diskussionen, die sich dann auch in Diskussionen in apfeltalk spiegeln).
In diesem Sinne war denn auch mein Abschluss mit der mangelnden Beweisbarkeit der Nicht-Existenz wie auch der Existenz Gottes gemeint, aber dem hast Du ja eh praktisch zugestimmt, wenn auch unter anderen Prämissen.
Wenn Du meine Diskussionshaltung im anderen Post gelesen hast, dann weisst Du dass ich (evtl unter anderen Prämissen, ich liebe dieses Wort

) vertreten habe, dass es nicht möglich sei, einen Gegenbeweis zu führen. In diesem Punkt war ich nicht anderer Meinung und muss auch nicht überzeugt werden
EDIT: Es geht nichts über eine fundierte philosophische Diskussion
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