Und Du nutzt jetzt Linux? Welche Distri und wie sind Deine (ehrlichen) Bestandsaufnahmen und Einschätzungen zu Deiner OS X Nutzung und zum Mac?
Ja, ubuntu 12.04 LTS (vorher 11.04) und dazu virtualisiert ScientificLinux 6.x. Es ist mein Privatrechner. Ich benutze das System zum Softwareentwickeln, zur Textverarbeitung (LibreOffice Writer, LaTeX und Oxygen XML), Vektorgrafiken (InkScape ist für mich vollkommen ausreichend), Datenverarbeitung (LO Calc und diverse wissenschaftliche Software) und zum Spielen.
Als Desktop nutze ich Gnome3 im Classic Mode, das sieht fast so aus wie Gnome2 und verhält sich ebenfalls sehr ähnlich. Es gibt aber einige kleinere Abweichungen. Die Bedienungsunterschiede zu beschreiben ergibt nur im Rahmen des unter Linux verwendeten Desktops Sinn. Was mir in den knapp zwei Jahren so aufgefallen ist:
- Drag&Drop auf die Oberfläche funktioniert nicht mit allen Applikationen zufriedenstellend. FireFox hat das in älteren Versionen nicht unterstützt, stattdessen wurde eine URL auf dem Desktop abgelegt. Wenn ich einen Text für ein Forum editiere und damit nicht fertig werden speichere ich so gern den Text ab, um ihn später fertig zu schreiben. Mittlerweile wird nun eine Textdatei auf dem Desktop abgelegt. Zurück in FireFox draggen geht aber immer noch nicht, es wird stattdessen eine URL in FireFox übernommen. Doppelklick und aus dem Texteditor zurückdraggen hingegen funktioniert.
- Drag&Drop zwischen Applikationen mache ich eigentlich selten, das liegt ganz banal daran, daß ich unter Linux immer mit virtuellen Screens arbeite und zwischen diesen in der Hauptsache Cut&Paste verwende. Exposé empfand ich immer nur als schlechter Ersatz für virtuelle Screens.
- Allgemein läßt sich sagen, daß die Integration von Gnome Applikationen in die Oberfläche hoch ist. Naturgemäß ist das mit Nicht-Gnome Applikationen nicht so. In Schulnoten für die Integration ausgedrückt: OSX 1, Gnome 2.
- Ich vermisse in GUI-Programmen die Möglichkeit per <Alt>-Pfeil Wortweise zu markieren/springen.
- Es lassen sich weniger Videoformate verwenden. Unter OSX konnte man mit Erweiterungen deutlich mehr WMV und WMA Dateien öffnen. Ich habe mir aus diesem Grund auch die Fluendo Gstreamer Erweiterung dazu gekauft, sonst sähe die Sache noch schlechter aus. Leider gibt es nicht die alten WMA und WMV Formate von Fluendo.
- Was ich wirklich vermisse ist BibDesk. Der PDF Preview von BibDesk ist angenehm, und überhaupt ist das Programm angenehmer als JabRef. Beiden Programmen fehlt eine integrierte Dokumentenverwaltung, d.h. die PDFs müßten in einer Datenbank verwaltet werden. Es ist bei beiden Programmen einfach nervend, wenn man ein Dokument verschoben hat, und es das jeweiligen Programm nicht mehr findet. Wenn ich dafür Zeit finde werde ich das vielleicht selbst lösen und ein Programm schreiben, das dann JabRef bei mir komplett ersetzt.
- Zurzeit habe ich keinen Drucker unter Linux konfiguriert. Der alte Apple LaserWriter funktioniert nur über AppleTalk, und das ist mittlerweile unter Linux eine ziemliche Bastelei das hinzu biegen. Zum Vergleich unter OSX liefe dieser alte Drucker gar nicht. Also kopiere ich die Daten auf meinen alten Mac und drucke von dort. Todo neuen Drucker kaufen, der alte ist ohnehin nicht mehr 100% in Ordnung, die Gummirollen werden nach so vielen Jahren einfach hart. Und Service für diesen alten Drucker lohnt nicht mehr.
- Mein USB Scanner funktionierte wider Erwarten out-of-the-box. SimpleScan und XSane unterstützen den Scanner sogar besser als die Originalsoftware von Canon unter OSX.
- IgorPro ließ sich unter Wine installieren, und funktioniert so auch unter Linux.
- Die vTune Amplifier XE Erweiterung aus dem ComposeXE 2013 zickt herum und verhindert das "suspend to disc". Daher lade ich das nun bei Bedarf nur noch von Hand.
Kommen wir zum eigentlichen Grund des Wechsel - die Hardware. Vorher nutze ich einen Mac mini. Das ganze erinnerte mich im laufe der Jahre immer mehr an einen Homecomputer. Ich hatte seit der Homecomputerzeit nie wieder so einen Kabelverhau auf dem Schreibtisch wie mit dem mini. Daher wollte ich keinen mini oder iMac sondern ein Gehäuse in dem die wichtigsten Bestandteile direkt angebaut werden können. Apple bot zu diesem Zeitpunkt nur den MacPro an, der diese Rahmenbedingungen erfüllte. Nur war mir der MacPro einfach zu teuer, selbst HP mit seinen Workstations macht da deutlich attraktivere Angebote. Ich schwankte zwischen einem Komplettsystem von HP (Z210 oder Z400) und einem Selbstaufbau. Schlußendlich wurde es ein Selbstaufbau, da ich so wußte, daß das System sehr leise wird. Einen Preisvorteil hatte die Sache nicht wirklich. Es ist ein Xeon E3 System mit Workstationboard geworden und natürlich steckt ECC RAM im Rechner. Von der CPU Leistung liegt das auf dem Niveau eines iMac 27" mit i7. Die Grafikkarte ist bisher eine recht simple nVidia Karte, es reicht faktisch nur für 2D.
An Hardwareprobleme hatte ich bisher ein defektes Netzteil. Nach nicht ganz zwei Jahren fing der Rechner an sporadisch auszugehen. Mit einem Ersatznetzteil ist das Problem nun gelöst, das alte muß ich noch zum Service schicken, es gibt noch >3 Jahre Restgarantie.
Einzige Inkompatibilität die mir bisher auffiel. Die externen FireWire/USB Platte für meinen mini läßt sich nicht am FW400 Port des Mainboards stabil betreiben. Es kommt zu Problemen beim Kopieren der Daten. Wenn man dieselbe Platte via USB anschließt gibt es keinerlei Probleme. Keine Ahnung an was es liegt, aber sonst brauche in den FW400 Port gar nicht, daher verfolge ich das nicht mehr.
Fazit:
Die Hardware funktioniert bis auf das kleine Problem mit dem Netzteil vollkommen reibungslos und tut das was sie soll. Bis auf die Crashes wegen der vTune Erweiterung des Intel Compilers kann ich mich auch an keine Systemcrashes erinnern. Daher bin ich auch mit dem OS zufrieden, die Oberfläche könnte etwas besser sein.
Der wichtigste Punkt ist und bleibt die Tatsache, daß die benötigten Programme auf der jeweiligen Plattform verfügbar sind. Ist das nicht der Fall ist das OS nicht schlecht sondern einfach ungeeignet, und man sollte es einfach nicht verwenden.
Wenn Apple eine andere Produktpolitik betreiben würde, wäre ich wohl nicht gewechselt, und hätte stattdessen Linux direkt auf den Mac installiert und OSX nur virtualisiert genutzt. Nur zum Zeitpunkt meines Kaufs war der MacPro ca. 2,5 so teuer für so ziemlich die gleiche Rechenleistung und dazu deutlich lauter. Soviel war mir die Möglichkeit OSX zu nutzen dann doch nicht wert. Bis auf IgorPro hatte ich auch keine kommerzielle Software (bis auf Spiele) mehr, die nicht unter Linux läuft.