Ich habe bisher relativ wenige Postings zu diesem Forum beigetragen und lese meistens nur mit, aber vielleicht sind ja gerade einige Anstöße "von außen" interessant. Ich kann mit meinen nachfolgenden Thesen natürlich auch völlig falsch liegen.
Die Frage des Threads ist ja: "m00gy oder wohin die anderen ziehen". Also: Wohin ziehen sie? Wenn man wüsste, wohin sie ziehen, und wenn man herausbekäme, wie sich der neue Aufenthalt unterscheidet vom Apfeltalk-Forum, dann könnte man recht einfach erkennen, was bei Apfeltalk ev. nicht stimmt.
Also, wohin ziehen sie? Wenn man sich jene Foren betrachtet, die halbwegs mit Apfeltalk vergleichbar sind, dann stellt man vermutlich auf den ersten Blick fest, dass die Unterschiede zumindest nicht fundamental sind. Oft ist es die gleiche Foren-Software, und man trifft auch einige der Apfeltalk-Teilnehmer in den anderen Foren wieder. Wenn daher jemand "irgendwo hin zieht", dann landet er sehr wahrscheinlich in der gleichen Nachbarschaft, aus der er eigentlich wegziehen wollte.
Das klingt banal, aber das ist eine wichtige Erkenntnis, weil sie nämlich zeigt, dass die genannten Probleme und Wehwehchen gar nicht Apfeltalk-spezifisch sind, sondern dass es Probleme sind, die jedes größere Forum hat. Es scheint sich um etwas zu handeln, was man nicht wegbekommt, weil es nämlich ein Bestandteil dessen ist, was ein Forum ausmacht und wie es funktioniert.
Was sind diese Bestandteile? Ein wesentlicher Teil dessen, was ein Forum ausmacht, ist seine Offenheit und seine Diversität. Offenheit, weil jeder mitmachen kann. Diversität, weil die unterschiedlichsten Leute zusammenkommen. Dazu kommt noch die Anziehungskraft einer großen Gemeinschaft. Diese drei Faktoren fördern ein Forum und machen es groß, aber sie stellen auch eine natürlich Grenze für sein Wachstum dar, denn ab einem gewissen Punkt "kippt" das Forum. Das funktioniert wie folgt:
Am Anfang finden sich einige Leute zusammen, die irgendwie eine Gemeinsamkeit haben. Das Forum ist zwar offen, aber weil es noch wenige Leute kennen, spielt es keine große Rolle. Es ist also eher wie ein geschlossener Club von Gleichgesinnten. Und weil sie gleichgesinnt sind, ist auch die Diversität des Forums gering. Man versteht sich und mag sich. Diese Gemeinschaft übt eine große emotionale Anziehungskraft auf alle Beteiligten aus. Das führt dazu, dass weitere Mitglieder hinzukommen. Ein Kreislauf beginnt. Mit den neuen Mitgliedern wächst die Diversität.
Zwischen den alten und den neuen Teilnehmern gibt es einen wichtigen Unterschied: Die neuen Mitglieder wissen weder, dass sie in eine funktionierende, balancierte Gemeinschaft hereinplatzen, noch was diese Balance bisher ausmachte. Neue Mitglieder (das basiert auf der Offenheit eines Forums) sind zudem gleichberechtigt, und ihre Diversität ist nicht steuerbar. Der ursprüngliche Geist des Forums wird sozusagen immer mehr "verdünnt". Und wegen der Anziehungskraft einer großen Gemeinschaft beschleunigt sich dieser Prozess immer weiter.
Das wäre eigentlich gar nicht tragisch, wenn an die Stelle der früheren Gemeinschaft eine neue träte, die zwar anders, aber ebenso gut (oder besser!) funktionierte. Es gibt aber ein interessantes Phänomen, welches genau dies verhindert, und zwar unausweichlich. Es ist ein Phänomen von geradezu galaktischen Ausmaßen, etwas, was das gesamte Internet bestimmt, ja vielleicht das Schicksal des Menschen -- und vielleicht sogar des gesamten Universums.
Was ist dieses fantastische Phänomen?
Das fantastische Phänomen ist schlicht die Doofheit eines erschreckend großen Teils der Leute im Internet. Und es ist vor allem der erstaunliche Umstand, dass die Doofen nicht wissen, dass sie doof sind -- weil sie dazu eben zu doof sind.
Und noch mehr: Weil die Doofen zu doof sind für das nötige Maß an Selbsterkenntnis, nehmen sie an, dass die anderen doof sind. Liest ein Doofer beispielsweise ein kluges Posting, für dessen Verständnis er zu doof ist, wird er annehmen, der Verfasser des klugen Postings wäre doof. Und deswegen wird er dem Verfasser eines klugen Postings mit einem doofen Text antworten, am besten noch in der Art "Mann, bist Du doof!".
Und weil aber auch ein großer Teil der Leser doof ist, werden sie dem Doofen auch noch recht geben, was dazu führt, dass sich der Verfasser des klugen Textes plötzlich rechtfertigen muss. Wenn er dafür wiederum einen klugen Text schreibt, dann ergibt sich ein Kreislauf.
Das ist ein wichtiger Punkt. Ein IT-Spezialist mit 20 Jahren Erfahrung muss sich öffentlich zanken mit einem zwölfjährigen Flegel, der seit drei Monaten ein MacBook besitzt. Beide sind aufgrund ihrer Anonymität erstmal nicht von einander zu unterscheiden. Wenn der Flegel dann auch noch neu ist im Forum, dann weiß er natürlich nicht, mit wem er es zu tun hat. Als das Forum noch klein war, wusste man untereinander, mit wem man es zu tun hatte. Man konnte sich sogar einen guten Namen machen. Das ist für viele Teilnehmer ein großer Ansporn. Viele Leute legen großen Wert auf den Ruf und die Wertschätzung ihrer virtuellen Identität.
Das Problem verschärft sich, weil Respekt und gutes Benehmen heute keine große Rolle mehr spielen. Neue Mitglieder klingeln nicht höflich an der Tür, sondern es fällt eine grölende Masse über das Forum her, die Ansprüche stellt. Da wird in jeden Thread hineingegrölt, zu jeder Äußerung sein Senf abgelassen, und Jagd gemacht auf die größte Anzahl an Postings -- egal wie doof, die Menge zählt.
Es wird noch schlimmer. Die Doofen sind zu doof, um zu erkennen, um was es in einem Forum überhaupt geht. Was soll gepostet werden, was nicht? Muss ich jeden Gedanken auch aufschreiben? Muss ich jeden Tag zwanzig Postings erzeugen, deren Text einfach aus "LOL!" besteht? Ein großes Forum funktioniert nur mit Disziplin -- etwa der Disziplin, sich an ein Thema zu halten, damit eine Diskussion nicht im Sande verläuft -- ärgerlich für alle, die wirklich etwas mitzuteilen hatten oder etwas erfahren wollten. Oder der Disziplin, das Niveau des Forums zu erhalten, indem man vernünftig formuliert (und nicht etwa: "iTunes AAC wie??? n/t" oder "iMovie Fehler was machen??!!??! n/t", um sich dann den Rest mühsam aus der Nase ziehen zu lassen).
Doofe Leute sind eben einfach zu doof, um zu erkennen, dass bestimmte Faxen wie z.B. das Veröffentlichen des gerade gespielten iTunes-Titels nur in einem klar abgegrenzten Ghetto gerade noch so geduldet werden. Doofe Leute sehen solche Threads und nehmen das als Anleitung, um weitere "Boah, is' mir langweilig"-Threads zu eröffnen, oder sie nehmen es als Leitlinie für den Zweck des Forums insgesamt, als Brabbelforum, in das jeder seinen aktuellen Gedanken hinein speit. Das ist keine Kritik an dem iTunes-Endlos-Thread, sondern ich will damit zeigen, wie sich die Wahrnehmung der Regeln bei Newcomern ändern kann. Etwas, was als einst Ausnahme eingeführt und lustig gefunden wurde, wird von Newcomern nicht mehr als Ausnahme wahrgenommen. Sie sehen eine große Menge an Brabbelpostings und denken sich: "Fein, da mache ich mit". Es ist schwer, das zu verhindern oder einzugrenzen.
Die "Verprollung" einer Gemeinschaft ist nach meiner Beobachtung nicht aufzuhalten, solange die genannten Faktoren (Offenheit, Diversität, Anziehungskraft der Gemeinschaft) ungezügelt gelten. Wenn man nur lange genug wartet, werden die Dummen das Ruder übernehmen.
Um hier keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Das sind allgemeine Beobachtungen, unabhängig von Apfeltalk. Apfeltalk ist nach meiner Beobachtung eines der Mac-Foren mit den meisten "Qualitäts-Postings", aber zumindest prinzipiell gelten die beschriebenen Mechanismen auch hier. Ich schreibe sie nicht auf, um mit dem Finger auf Apfeltalk zu zeigen, sondern weil es um Phänomene geht, die Bestandteil jedes Forums sind. Was bedeutet, dass es nach meiner Meinung sinnlos ist, seine Sachen zu packen und woandershin zu gehen -- dort warten nämlich die gleichen Probleme.
Um die Geschicke eines Forums aktiv zu beeinflussen, muss man in die drei genannten Faktoren eingreifen, was bedeutet, dass man entweder die Offenheit oder die Diversität auf irgendeine Weise reguliert. Beides ist für ein Forum prinzipiell sehr schwierig, wenn nicht sogar unmöglich. Es ist schwer, einem Proll zu sagen, dass er sich bitte zurückhalten möge, mit der Begründung, dass er ein Proll sei. Es wirkt unhöflich, einen Thread zu schließen mit der Begründung, dass er das Durchschnittsniveau des Forums zu weit absenke. Es ist heikel, Diskutanten zu ermahnen, sich an das Thema zu halten oder sinnfreie Postings zu unterlassen. Solche Maßnahmen sorgen eher für Empörung unter den Teilnehmern. Das ist eben der Witz: Die geschundenen Teilnehmer selbst sind es, die sich gegen Eingriffe der Moderatoren wehren. Insofern sollten man die Moderatoren des Forums in diesem Punkt nicht überfordern oder ihnen Dinge abverlangen, die man nicht leisten kann.
Was soll man also tun? Foren sind nunmal Foren, und die genannten Probleme werden uns vermutlich weiterhin begleiten. Ich persönlich habe meine eigene Strategie gefunden, wie ich mit den prinzipiellen Beschränkungen der Foren umgehe. Ich habe herausgefunden, dass es am Einfachsten ist, wenn ich selber etwas tue. Hier sind meine fünf Überlebenstipps, die ich jedem wärmstens empfehlen kann:
• Erstens, ich poste nur, wenn ich wirklich was zu sagen habe, und dann ausführlich. Das schreckt die Doofen meist ab.
• Zweitens, ich breche das Lesen eines Threads erbarmungslos ab, sobald vom Thema abgeschweift wird ("Apple ist eben wie BMW..." -- "Stimmt nicht! Das neue 3er-Cabrio hat nämlich blabla..."). Ich selber antworte nur auf das ursprüngliche Thema und gehe auf keine Nebenbemerkung ein.
• Drittens, ich lese keine Threads, dessen erstes Posting nicht mindestens einen Absatz an Text enthält und erspare mir damit eine Menge unüberlegter Brabbelpostings. Was dann noch übrig bleibt, liegt meist über den Durchschnitt.
• Viertens, ich öffne keine Threads, deren Titel Schreibfehler oder mehrere Fragezeichen ("???") enthalten oder sonstige Merkmale von Hysterie aufweisen. Dumme Titel haben meist auch dumme Themen, dumme Antworten und eine erhöhte Konzentration an dummen Teilnehmern.
• Fünftens, ich höre sofort auf zu lesen, sobald ich Anzeichen von Respektlosigkeit erkenne, etwa falls jemand die Zeit und Hilfe der anderen in Anspruch nehmen möchte, sich aber selber nicht die Mühe macht, seine Fragen oder Meinungen klar lesbar in Groß-/Kleinschreibung zu verfassen. Dabei geht es mir nicht wirklich um Rechtschreibung, sondern darum, ob jemand meine Zeit wertschätzt oder nicht, und dies auch erkennen lässt.
• Sechstens, ich kündige fünf Punkte an, schreibe jedoch sechs. Denn ein gutes Posting ist immer für eine Überraschung gut.
--------
Man kann diese Diskussion nicht ernsthaft führen, ohne zu betonen, dass Apfeltalk eines der besten Mac-Foren ist, die es bisher gab. Apfeltalk hat die Messlatte für alle anderen Foren sehr hoch gehängt -- wer heute über die Gründung eines Forums nachdenkt, orientiert sich meist an Apfeltalk: Die Aufmachung, die Art wie es geführt wird, die technische Umsetzung hinter den Kulissen und natürlich eine funktionierende Community. Sowohl die Teilnehmer als auch die Moderatoren. Das ist alles nicht selbstverständlich. Das ist alles kein Zufall.
Genau aus diesem Grund war es mir ein Anliegen, darzulegen, dass die genannten Probleme nicht die von Apfeltalk sind, sondern prinzipiell von allen Foren.
Und zum Schluss: Wer gute Postings lesen will, soll erstens selber welche schreiben und zweitens nicht auf dumme Postings antworten.