T-lo
Weißer Winterglockenapfel
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Ich war 91 nach dem 10 Tage Krieg in Jugoslawien . Ich habe gesehen was 10 Kriegstage dort anrichten können. Ich habe Autowracks, Ruinen und Panzersperren gesehen. Besonders das Bild eines Kirchturms ohne Dach habe ich genau in Erinnerung. Auch ohne akute Gefahr hat mir das schon als Filius gereicht. Zuvor waren meine Großeltern bei Beginn der Kämpfe in Nordjugoslawien. Ich weiß noch wie mein Vater gebangt hat, dass sie noch ausreisen können. Es hat mir damals schon gereicht, glaub mir.
Schlimme Erlebnisse, da gebe ich Dir recht. Ich war etwa 16, als ich durch den Suez-Kanal fuhr, und die Panzerwracks auf beiden Uferseiten sah. Auch hier Berlin gibt es noch Häuser, in denen Einschusslöcher des zweiten Weltkriegs sind, und die berühmteste Kriegsruine dürfte wohl die Gedächtniskirche sein.
Aufgewachsen bin ich im Ruhrpott. Die Familie mütterlicher-seits kam zum Teil aus dem Bergischen Land, aus Wuppertal. Allein in einer Bombennacht starben acht Verwandte meiner Mutter.
Mein Vater, ein sehr alter Mann, seit vielen Jahren tot, studierte während des Nationalsozialismus Medizin in München. Einer seiner Kommilitonen wurde Weltberühmt - es war Hans Scholl, der wegen der "weißen Rose" hingerichtet wurde.
Trotz der damaligen Erlebnisse blieb meinem Vater nichts anderes übrig (der Meinung bin ich, weshalb ich Sartre nicht mag, übrigens) als in den Krieg zu ziehen. Als Arzt bei der Luftwaffe. Ich erinnere mich daran, wie er, immer wenn wir im Urlaub waren, sei es in Frankreich oder Norwegen, an jedem Ort begann, über etwas zu sprechen, worüber er sonst nie sprach: "den Krieg".
Zeit seines Lebens hat er das erlebte nicht vergessen, geschweige denn verarbeiten können. Er war ein anderer Mensch, der, je älter er wurde, immer dann zum Vorschein trat, wenn er an Orten war, die ihn an seine Erlebnisse erinnern mussten. Ich hoffe bis heute aus ganzem Herzen, dass er letztlich bis zu seinem Tod endlich einen inneren Frieden gefunden hat, und diese Erlebnisse als "Zeitgeist", als Epochen-abhängige Erlebnisse sehen konnte, nicht als persönliche Schuld, die er ganz sicher nicht getragen hat, als Arzt an der Front oder nur stiller Sympathisant der weißen Rose...
So bin ich aufgewachsen, und das hat mich geprägt. Oben geschriebenes ist quasi die Kurzform meiner Verweigerung, und es hat sich in all den Jahren, die zwischen ihr und heute liegen nichts an meinen Gedanken geändert. Auch ich hab die Schrecken des Krieges kennengelernt. Aus Erzählungen meiner Familie, und vor allem aus den verzweifelten Augen meines Vaters. Auch ich "weiß wovon ich spreche" wenn ich sage: Waffen und Töten ist unmenschlich - egal von welcher Seite und zu welchem Zweck!
Ich denke wir alle heissen Krieg nicht gut. Aber wenn ein Soldat aus Selbstschutz tötet, kann ich ihm kein Vorwurf daraus machen. Es ist nicht der Militärwagen, welcher Gefahr birgt, es ist der vermeidliche zivile Wagen. Hinter jedem Einheimischen kann der eigene Tod lauern. Wenn etwas irreguläres passiert muss man innerhalb von Sekunden die richtige Entscheidung treffen, andernfalls setzt man sich, seine Kameraden und/oder Unschuldige in Gefahr.
Und noch mal: was wäre, würden plötzlich Afghanische Einheiten in der Lüneburger Heide patrouillieren? Von wem würde "die Gefahr" ausgehen? Von den gepanzerten Fahrzeugen derer, oder von den Partisanen, die die Afghanischen Einheiten nicht anerkennen würden? Lass mich raten: es wären plötzlich doch die bewaffneten und gepanzerten Fahrzeuge, die Aggressoren wären, stimmts?
"Schuld sind immer die Anderen", fällt mir dazu nur ein, aber so leicht ist das Thema Krieg leider nicht, lieber Jamsven, auch wenn es womöglich so einfach in "die Kunst des Krieges" dargestellt wurde. Was ist denn mit den Taliban? Frag die mal, wen sie als Aggressor sehen. Meinst Du, auch die sagen "na wir bösen Guerillas. Ganz klar!"? Nein, sie würden den Spieß umdrehen, mit genau Deiner Rechtfertigung, die so allgemeingültig ist, dass ausnahmslos jeder sie für sich beanspruchen kann.
Womöglich bist Du noch zu jung um Dich daran zu erinnern, aber trotzdem die Frage: wer hat denn damals den Nord-Irland-Konflikt begonnen? Wer war denn da Aggressor? In meinen Augen liegt die Antwort auf der Hand: beide - die IRA, genau wie die Briten!
Das "schlimme" an den Menschen scheint nämlich zu sein, dass sie sich nicht so einfach in gut und böse klassifizieren lassen, wie manche es scheinbar gerne hätten...
Geschichtlich gesehen hatten reguläre Truppen immer große Probleme mit Guerillakriegen.
Die Wehrmacht konnte im WWII vom brillant taktieren, dennoch hatte sie Partisanen, die franz. Widerstandskämpfer nie unter Kontrolle. Die Vietcong haben sich auch erfolgreich gegen die US Truppen wehren können.
Es ist also keine einfache Mission.
Und jetzt? Ich meine, dann fragen wir uns doch mal, warum wir uns auf diese "Mission" einlassen, wenn wir nicht einmal die Sicherheit derer garantieren können, zu deren Sicherheit wir eigentlich da sind. Na, wie viel Sinn macht das, in Deinen Augen?
Andere Frage: wie viel hat denn der Vietnam-Krieg gebracht? In Relation zu den Toten? Die Resistance (der oben von mir genannte Sartre war in eben der): wie entscheidend war sie? Der Nord-Irland-Konflikt: was haben die Briten erreicht, dort oben? In welcher Relation zu den Toten?
Aber im Jahre 2001 ist alles anders! Vor 8 Jahren haben wir beschlossen: die letzten Jahrzehnte haben uns nichts gelehrt, und heute schaffen wir es auch gegen Partisanen...Pustekuchen!
Und deshalb: jeder Soldat, der sich vor den aussichtslosen Karren spannen lässt, sollte sich des Risikos bewusst sein, dass er fällt. Nicht für mich, nicht für einen Großteil der Deutschen, sondern für dämliche Befehle und eine gewisse Portion Adrenalin-Geilheit und Rambo-Attitüde...
Kind Gottes, hier geht es um reale Menschenleben! Das ist kein Computerspiel, keine Film, das ist die Wirklichkeit! Da sterben Menschen, und zwar jeden Tag...kein Wunder, ist ja auch "keine einfache Mission"...
Sorry, ich muss kurz brechen gehen!
Du erinnerst mich an diesen bequemen Mann, welcher den Fußballspieler im Fernsehen mit "Lauf doch du faule Sau" anpöbelt.
Den Vergleich versteh ich nicht wirklich. Ich denke doch, unsere "Ausgangslagen" sind recht identisch, denn im Krieg war noch keiner von uns beiden - also warum bin ich bequemer als Du? Muss ich erst im Krieg gewesen sein, um zu wissen, dass er scheiße ist?
Nee, lieber Jamsven, da dreh ich aus Gründen der Menschlichkeit den Spieß mal um und erwarte von Dir, dass Du mir erklären musst, was es verteidigenswertes an Waffeneinsätzen gibt. Denn so "gutmenschlich" das auch immer sein mag, aber ich sehe dann doch eher den Frieden als Normalzustand an, als den Krieg.
Ganz im Sinne der "ultima Ratio" würde ich also sagen: solang mir niemand ein wirklich zwingendes Argument bringt, warum Deutsche Soldaten in Afghanistan aus Versehen und Stress zivile Menschen töten, darf das nicht passieren. Punkt!
Übrigens bin auch auch dafür, dass sich die BW zurückzieht. Aber nun schon zum x-ten mal Schuld sind die Politiker.
Sag mal, langsam machst Du Dich lächerlich mit deinen kategorischen Klassifizierungen bezüglich "Schuld", Aggressor" und "reguläre Truppen". Denn weißt Du was? "Stell Dir vor es ist Krieg, und keiner geht hin" - lies das von mir auch schon genannte "Im Westen nichts Neues" von E.M.Remarque, und stelle Dir bildlich das von ihm geschriebene vor: die Politiker wollen Krieg, also sollen sie ihn führen...in einer Arena, gegeneinander!
"Schuld" ist genau so der Depp, der mit der Waffe über Schulter in ein fernes Land fliegt, um den Frieden zu bringen. Würde das nämlich keiner machen, könnten die "schuldigen" Politiker wie HB-Männchen auf und ab hüpfen, Zeter und Mordio schreien, aber es wäre eben doch kein Krieg, auch wenn sie es wollen. "Schuld" sind also doch eher die Soldaten, als die Politiker.
Ich lehne mal frei an den Bild-Claim an: jeder Befehl braucht einen dummen der ihn ausführt!