mbert
Macoun
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Das ist etwas, was ich in den 1990er Jahren unterschrieben hätte: ich empfand es damals als ein Zeichen, das man für andere wahrnehmbar setzte, und es gab dabei kein (pseudo-) wissenschaftliches Drumherum.Gendern hat einen selten besprochenen Nebennutzen meiner Meinung nach. Es macht Diskurse auf, es schafft Dialog.
Und das ist natürlich auch heute jedem freigestellt. Ich selber habe es Anfang der 2000er Jahre irgendwie unbewusst immer weniger und irgendwann gar nicht mehr getan. Rückblickend würde ich sagen, dass wir es in der Zeit nicht mehr als ein Thema empfanden, wo man Zeichen setzten musste, wie es noch in den 1980er und nachhallend in den 1990er Jahren gefühlt der Fall war. In den 1990er Jahren wurden andere Themen sichtbarer, und - so sind wir konstruiert - das war dann das, worauf wir uns mehr fokussierten (mit "wir" meine ich mich selbst und mein unmittelbares Umfeld).
Und ich denke auch tatsächlich, dass Gendergerechtigkeit heute nichts ist, wovon man die Mehrheit der Gesellschaft "an sich" überzeugen muss. Deshalb sehe ich nicht mehr die Notwendigkeit so öffentlicher Signale. Das war in den 1980er Jahren noch komplett anders.
Aber zurück zum oben zitierten Text: das mit dem Dialog und den Diskursen haben sich Aktivisten meiner Meinung nach selber kaputt gemacht, indem sie - oft vermutlich meine Generation, aus der sich nun heute eben oft Entscheidersessel besetzen - dem Rest der Gesellschaft das Gefühl gegeben haben, dass, wer das nicht tut, irgendwie ein moralisches Problem hat (kommt gar nicht gut an), dass es eine Notwendigkeit sei, weil man sonst alle möglichen Menschen ausschließe (was eben nur eine von mehreren möglichen Sichten darauf ist) - und angefangen hat, Gendern dort, wo man etwas zu sagen hatte, zur Norm zu machen.
Dass das zu Widerstand führt, ist vollkommen logisch, und das wäre auch der Fall, wenn es um etwas anderes ginge. Aktuell sind wir dabei, dass überhaupt nicht mehr über das Anliegen dahinter diskutiert wird, sondern über das Nerven, den Zwang (egal, was andere hier sagen, es gibt in verschiedenen Bereichen der Gesellschaft bereits einen Zwang und woanders werden von anderen festgeleget Konventionen zumindest als Zwang empfunden), über "Wokeness" und auch über das "Versprechen", dass Gendern alles mögliche besser mache oder zumindest dazu beitrage.
Der Zug mit Diskurs und Dialog zu Gendergerechtigkeit ist abgefahren. Zumindest wenn es dabei um Gendern geht. Vielleicht schade. Aber ich denke, es ist - in bestem Willen - übertrieben worden und auch zu bedenkenlos das, was man an Ressourcen (Macht, Zugang zu "Betriebsmitteln" wie Medien usw.) zur Verfügung hat, dafür instrumentalisiert worden.
Zu der Ebene, die wir in den 1980er-1990er Jahren bezüglich dieses Themas hatten, werden wir nicht mehr zurückkehren.