Nicht für die Person über die bestimmt wird
Ich denke, wir müssen bei all den Betrachtungen über historisch gewachsene Ungerechtigkeiten in der Gesellschaft versuchen, Dinge ein wenig aufzutrennen.
Es gibt das eine, was
war. Das hilft uns beim Verstehen, und hoffentlich lernen wir daraus. Konstellationen aus der Vergangenheit aber nicht die Leitlinie für unser Handeln jetzt sein, denn wir leben in
jetzt, und die Menschen heute können nicht verantwortlich sein für das, was unsere Urgroßeltern "verbrochen" haben. Das ist jetzt hier m.W. nicht anders behauptet worden, ich erwähne das dennoch kurz, da in Diskussionen um dieses Thema oft identitätspolitische Stereotypen auftauchen. Niemand ist quasi per Geburt "schuldig", und jeder hat ein Recht darauf, seine Gedanken einzubringen, denn wir leben am Ende alle in
einer Gesellschaft und müssen alle miteinander klarkommen.
Dann gibt es das, was
ist. Das hat möglicherweise seine Ursprünge in uralten Gegebenheiten. Ich persönlich halte auch die These, dass manches, was wir in Rollenbildern noch heute vorfinden, Spuren von Jahrtausenden Evolution sind (die abzuschütteln unser gutes Recht ist, sich aber in der Praxis nicht immer einfach gestaltet), für nicht ganz abwegig. Aber entscheidend ist, dass wir offen und ohne Kollektiv-Anschuldigungen miteinander umgehen und "Baustellen" in unserer Gesellschaft angehen. Das ist eigentlich gesunder Menschenverstand und sollte im Prinzip auf einen breiten Konsens stoßen.
Problematisch wird es, wo es nicht mehr um die Lösung konkreter Probleme geht, die Menschen dann auch spürbar zugute kämen, sondern um "ideologische" Fragen. Und die haben wir heutzutage leider ziemlich häufig - sei es die "Gruppenhaft", mit der Anhänger von Identitätspolitik gern um die Ecke kommen (weißer alter Mann etc.), oder auch die fixe Idee, dass man die Menschen irgendwie "umprogrammieren" müsse, damit sie anfangen inklusiv, gendergerecht usw. zu werden.
Gendersprache wird oft mit genau solchen Argumenten verteidigt: Sprache bestimme das Denken (das ist eine sehr umstrittene These), also müsse sie so geformt werden, dass die Menschen auf "richtige" Art zu denken beginnen. Ich halte die besagte These für falsch, und ich hoffe wirklich, dass ich damit recht habe. Man stelle sich einmal die Welt vor, in der sich das tatsächlich so verhielte - welche Manipulationen wären da möglich? Krieg ist Frieden, Freiheit ist Sklaverei, Unwissenheit ist Stärke - doppelplusgut.
Langer Rede kurzer Sinn: das Ziel muss eine Gesellschaft sein, die allen die Möglichkeit gibt, sich frei zu entfalten, wie sie es jeweils selber möchten und wo niemand aufgrund dessen, was er ist, benachteiligt wird. Vereinfacht gesagt: nicht alle
müssen gleich sein, aber sie
dürfen. Das ist ist m.E. auch eine wichtige Unterscheidung in diesem Kontext, denn es steht uns nicht an zu bewerten, ob es gut oder schlecht ist, wenn jemand dies oder jenes möchte.
Euch allen frohe orthodoxe Weihnachten.