Moin,
sehr interessantes Thema. Schön, das es erst jetzt - mit ein klein wenig Abstand von den Ereignissen der vergangenen Tage - hier bei uns aufschlägt.
Ich war gestern auf einem Elternabend, wo es um "Wertevermittlung" geht. Ein in dem Zusammenhang - wie ich finde - recht zentrales Thema, das auch heute morgen mit meinem Junioren (5 und 7) Thema beim Frühstück war, die da - erstaunlich, erstaunlich - von sich aus den Bezug zu Emsdetten herstellten! Natürlich sind die Ideen und Antworten, die aus der Alterecke kommen etwas schlichter, aber die grundlegenden Dinge scheinen wir als Eltern wohl nicht ganz falsch gemacht zu haben.
<exkurs>Und ebenfalls von meinen Junioren kommt der Hinweis auf einen ehemaligen KiGa-Kameraden, der schon im zarten Alter von 5 die div. brutalen Ballerspiele auf PC und Playstation seines 14-jährigen (Halb-)Bruders mitnutzt, mit täuschend echten Waffenattrappen im Kindergarten erscheint ohne das seine saufende Mutter da einen Kopf drum macht. Ich hätte "alleinerziehend" dazu geschrieben, wenn der Ansatz von Erziehung ihrerseits erkennbar wäre, ist aber nicht. Ich hab die Hoffnung, das er auf der Förderschule, die er jetzt besucht einen Teil dieser Prägung relativiert bekommt.</exkurs>
An der Stelle konnte ich dann nicht umhin meinem Sohnemann klar zu machen, das auch seine Moorhühner (die er neben einigen anderen, sinnigeren Spielen auf seinem PowerMac hat) nicht anderes als ein "Ballerspiel" ist. Der entscheidende Unterschied ist, das hier auf glupschäugige Comicwesen geschossen wird. Von dort gibt es einen kleinen Schritt, bis aus den Comichühnern, welche werden, die realistischer dargestellt werden. Und wiederum nur ein kleiner Schritt, bis aus Hühnern Tiger, Löwen und Elefanten (also größere Tiere) werden. Und noch ein kleiner Schritt und es werden aus großen Tieren, aufrechtlaufende Wesen (Roboter, Außerirdische). Und daraus irgendwann Menschen, die mit fortschreitender Grafikleistung immer realsistischer dargestellt sind. Und auch die Schrottflinte verwandelt sich Pumpguns, Panzern, Handgraten, Kettensägen, ... Der nächste kleine Schritt ist dann der, die realistisch anmutende Grafik mit Realität zu verwechseln oder das eine durch das andere zu ersetzen.
Machen also "Ballerspiele" doch den Amokläufer? Nein, weil wie oben beschrieben an jedem kleinen Schritt eine Eingriffsmöglichkeit besteht, die ich als verantwortungsvolle Eltern (Großeltern, Lehrer, Freunde, Nachbarn, ...) erkennen und ergreifen muß!
Damit alleine ist es aber nicht getan. Was ich an Ausschnitten von "Spielen" (es fällt mir schwer, das noch so zu nennen) in den letzten Tagen zu sehen bekommen habe, hat schon meine bis dahin vorhandene Vorstellungskraft leicht überstiegen. Das derlei Machwerke durch die Freiwillige Selbstkontrolle kommen finde ich sehr bemerkenswert und ist für mich auch ein Ansatz wo dringlich Veränderung einsetzen muß. Nicht wenige Altersfreigaben sind ein schlechter Scherz (erst recht, wenn man sich die gestern beim Elternabend nur sehr verkürzt und holzschnittartig vorgetragenen Entwicklungsstufen von Kindern und Jugendlichen vor Augen führt!) und einiges davon gehört in der Tat auf den Index. Da gibt es für mich an der Jugendgefährdung keinerlei Unterschiede zu Nazi-Mucke, Hardcore-Pornos oder Alkoholverkauf. Und im nächsten Schritt müssen dann auch die Vertriebskanäle entsprechend kontrolliert und vorallem sanktioniert werden. Es darf einfach nicht sein, das ein Pickelgesicht sich ohne das es einen Bin-doch-nicht-Blöd-Markt-Verkäufer interessiert sich mit solcherlei "heisser Ware" eindecken kann.
Ja, ich bin für eine stärkere (Selbst)Kontrolle solcher Gewaltspiele. Und in schweren Einzelfällen auch für ein komplettes Verbot von Titeln. Und die Erklärung der entsprechenden Verbände und Entwickler die ich gestern gelesen habe fand ich ziemlich heuchlerisch: "Viele von uns sind brave Familienväter, wir fühlen mit den Angehörigen, aber wenn wir's nicht programmieren, programmiert's ein anderer, da nehmen wir die Kohle doch lieber selbst mit". Mal sehr provokativ verkürzt.
Leider gibt es eben nicht nur "brave Familienväter" denen ich gar nicht absprechen mag, das sie mit den Machwerken umgehen können - und sei es in Form eines kategorischen Verbots für ihre Sprößlinge. Aber es gibt eben auch ein paar Situationen in denen Kinder in Deutschland groß werden, in denen solche "Spiele" dem einen oder anderen den Schalter endgültig raushauen. Die Spiele sind nicht das Feuer, das da brennt. Aber sie giessen Öl hinein.
Gruß Stefan