Man sollte das Argument, Apple habe es so gewollt, herauslassen. Natürlich hat Apple das Interesse, Geld zu verdienen, anders würde es auch nicht funktionieren, zigtausende von Menschen weltweit mit Gehältern zu versorgen, die Aktionäre zufriedenzustellen und stets im liquiden Bereich zu sein.
Wir alle - oder zumindest viele hier - kennen auch die Firmengeschichte Apples. Dass die letzten 5 Jahre wohl die erfolgreichsten in der Geschichte Apples sind, und das dieser Erfolg kaum oder garnicht dem Mac zu verdanken ist, im Gegenteil. Mac OS X ist nach wie vor im einstelligen Bereich vertreten, mit geringen Zuwächsen in den letzten Jahren, die wahrscheinlich alle auf der Story "Nach dem iPod teste ich jetzt mal 'nen Mac" basieren.
Schaut man mal, wie sehr sich die Infrastruktur geändert hat, dann ist das auch ein Faktor: überall gibt es nun mStore, scNet, Gravis, Apple-Stores... ebay und sonstige Börsen sind voll von jungen gebrauchten Macs, sogar spezialisierte Händler wie Flip4Shop versorgen den "switchwilligen" User mit einem Macintosh - und haben ständig neue Geräte im Angebot.
Das war noch in den "Nullern" (oh mein Gott, jetzt habe ich "Nuller" erstmalig im passenden Zusammenhang schreiben können
) anders: Wer 2002 einen Mac gebraucht kaufen wollte, der musste schon jemanden kennen, der einen hatte, oder wochenlang ebay durchsuchen, um dann mal bei einer seltenen Auktion mitmischen zu können... Kurzum all der Hype um Apple und das Lifestyle-Image kommt der Marke zugute.
Und damit den Plattformen iPhone, iPod und iPad. Als Nebeneffekt dem Mac - aber bei den ganzen jungen Individualisten, die bei Starbucks ihr Macbook Air auf den Tisch stellen, bei den ganzen Schülern, die mit drei Mädels kichernd um ihr Macbook sitzen und skypen, den Lokal-Bloggern, tschuldigung, "Social Media Managern", die zu Pressekonferenzen ohne Visitenkarte kommen, sich nicht vorstellen, kurz verstohlen durch ihre Fensterglasbrille über den Rand des - mit "foursquare"- und "Like it!"-Aufklebern verzierten - Macbook Airs blinzeln... (wer sich fragt, wie ich mir solche Klischees ausdenken kann - ALLE heute selbst in der City erlebt... letztere Gattung im Job...)...
...mal ehrlich, solche User schiessen aus dem Boden, ständig steht irgendwo ein Mac oder hält einem jemand seinen Leuchteapfel unter die Nase... worauf ich hinauswill - trotz den sichtbaren Zuwächsen der Mac-Dichte nimmt der OS X-Marktanteil sehr zaghaft zu. Meine Vermutung: Im "nicht sichtbaren" Bereich - weil nicht an so einem schönen Sommertag im Park oder an der Uni zu sehen - also in den Unternehmen - lichtet sich die Mac-Dichte ungemein.
Ich arbeite - oh Wunder nach obigen Aussagen - im Kreativbereich, und die Branche war immer fest in Apple-Hand. Bis vor ein paar Jahren. Einige große Agenturen im Umkreis haben komplett auf PCs geswitcht. Dell oder Lenovo verstehen es, was Support und Enterprise-Betreuung angeht, zu punkten. Fette Workstations stellen die mittlerweile auch hin, und mit einem auf Mac und PC fast identischen Angebot von Adobe ist die letzte Bastion gefallen. Kein Grafiker _muss_ mehr den Mac nutzen, wenn er sowieso morgens als erstes die Creative Suite startet...
Lange Rede also, mit dem kurzen Sinn, den wir alle kennen. Der Markt um Apple herum hat sich komplett verschoben. Und genau wie andere zuvor - Audi hat das auch gut vorgemacht: einstmals biedere Limousinen für Rentner mit Hut, heute absolut begehrte Lifestyle-Sport-Business-Monster mit dem wohl aggressivsten aber auch modernsten Aussehen in der Normal-Auto-Welt - genau so hat Apple sein Image gewandelt.
Nichtmal die Produkte - der Mac ist nach wie vor einer der besten Computer, bzw. die beste Plattform - aber er will das garnicht mehr darstellen. Das hat 30 Jahre lang Weltverbesserer, Unix-Geeks, Anti-Monopolisten, "round pegs in square holes" und weitere wenig zahlungskräftigen Kunden angelockt. Jetzt stellt der Mac - ganz wie Audi - den begehrenswerten, teuren, top designten "Haben-wollen"-Artikel dar, ganz subtil zunächst...
So war der originale Mac der "Computer for the rest of us", 1984-Spot u.s.w., Es wurde in den 90ern noch mit der Leistung eines Macs geworben (wer kennt noch die Schnecke mit dem Pentium auf dem Rücken? Oder die Keynotes, bei denen wirklich ein Mac gegen einen PC in Photoshop Cinema4D anrendern musste? So kam kurz darauf der nette junge Mann (spielt der übrigens jetzt bei "New Girl" mit?) und erzählte uns, warum unsere liebe Oma einen Mac bedienen kann, warum unser 5-jähriger Sohnemann sofort mit einem Mac klarkommt und vergaß nur eines zu erwähnen: dass auch in der Forschung, oder in Hollywood, oder im großen Rechenzentrum durchaus ein Mac stehen könnte, mit dem sogar Leute Geld verdienen... heute transportiert Apples Marketing weniger Informationen denn je, dafür mehr Emotionen. Die Querdenker-Dichte in den Werbespots tendiert gegen Null, dafür sind die vorwiegend jungen Singles die zu aktueller Indie-Musik das iPad nutzen, wenigstens modisch gekleidet...
Ich finde das alles sehr interessant - ein wenig traurig, so auf die Weise, die Profi-Fotografen vor Jahren erlebten, als plötzlich jedermann mit der Media-Markt-Volks-Spiegelreflex durch die Gegend rannte, kurz die Hoffnung aufkeimte, es würde eine völlig neue Welt der Fotografie entstehen, letztlich aber nach Jahren deutlich wird, dass sich mit der flächendeckenden Verbreitung von Profikameras die Anzahl hochqualitativer Fotos nur wenig erhöht hat. Dafür findet man Milliarden mit Tiefenschärfe und 12 Megapixeln fotografierte Marienkäfer auf beliebigen Blumen im WWW, aber der nächste Ansel Adams ist selten dabei...
Womit ich wieder bei dem Punkt von viel weiter oben bin: Daran ändert sich auch nichts mehr. Apple wird vielleicht so erfolgreich bleiben, vielleicht nicht. Aber sicher werden sie nie wieder der Hersteller von "überlegener Hardware für einen kleinen, erleuchteten Nutzerkreis". Wer diejenigen, die dem etwas wehmütig nachtrauern, als elitär oder von gestern bezeichnet, hat nichts verstanden. Wie auch, er musste nie im Freundeskreis seinen Mac gegen die Argumente von 15 ITlern und Windows-Fans verteidigen, musste nie erklären, dass es Programm X eben nicht auf dem Mac gibt, dafür aber die Alternative Y... Irgendwo im Herzen haben viele von uns damals die Piratenflagge gehisst, auch wenn manche das schon damals nie zugeben wollten.
Dieser Geist ist definitiv weg. Ich habe es versucht - nachdem ich vor ein paar Jahren eine zeitlang keinen Mac hatte, habe ich diesen Anfangszeiten nachgetrauert - und kurzerhand wieder ein MacBook Pro gekauft. Es ist ein tolles Gerät, funktioniert einwandfrei. Aber der Rest ist weg.