„back to the roots“, zurück zum Thema.
Vielleicht kommen wir mal wieder etwas voran.
Blicken wir einfach (als Beispiel herausgegriffen) nach Finnland. Die haben eine (soweit mir bekannt) ausgefeiltere, geschlechtsneutrale Sprache, keinen Genus. Die gesellschaftlichen Anstrengungen sind sehr stark, Finnland gilt als eines der fortschrittlichsten Länder bei der Gleichstellung.
Sogar Verkehrszeichen wurden dort bereits erneuert.
Den Gender pay gap gibt es dort nach wie vor - ebenfalls wie in Deutschland über dem EU-Schnitt liegend, wenn auch leicht besser.
Laut Statistiken fand ich übrigens: Unbezahlte Sorgearbeit in BRD Männer 3Std. Frauen 4,3Std. täglich / bezahlt Männer 5,4Std. Frauen 4,4Std. täglich - die Frau arbeitet im Schnitt demnach also 0,3 Std (etwas mehr als eine viertel Stunde) mehr als ein Mann.
Zu Finnland fand ich jetzt nur Interview-Aussagen, dass der Wert dort mittlerweile auf gleichem Niveau ist, keine Statistik.
Der große Teil des gender pay gap resultiert in den Durchschnittlich kürzeren bezahlten Arbeitszeiten bei Frauen - also der Unterschiede im gender time gap.
Der bereinigte pay gap liegt leider in den meisten Ländern auch für Frauen noch unterhalb. In Deutschland hat es sich in den letzten Jahren etwas gebessert, liegt aktuell auf ca. 6%. Ist weniger als die meisten denken, aber natürlich immer noch zuviel. Es wird von mir geschätzt, dass dies hauptsächlich resultiert aus aggressiverer Lohnforderungen bei Männern und deren höherer Bereitschaft für Überstunden. Für den letztlich ausschlaggebenden „bereinigten pay gap“ konnte ich leider keine Statistik, nur diverse Werte an unterschiedlichen Stellen finden.
Weibliche Studenten sind in in Finnland in der Mehrzahl - sind sie in Deutschland aber auch.
Trotz immens besser Versorgung mit Kindergärten nehmen in Finnland die Männer ähnlich wie in Deutschland auch nur ein Bruchteil der Erziehungszeit.
Und auch in Finnland herrscht nach wie vor ein eher traditionelles Geschlechterbild in Ausbildung, Beruf und Tätigkeit. Auch hier gibt es die Assoziationen auf ein spezifisches Geschlecht bei Nennung einer bestimmten stereotypen Berufsbezeichnung.
Laut einer Studie, ich glaube es war 2019, war Finnland übrigens das zweitrassistischste Land Europas, mag jetzt nicht ganz so themenrelevant sein, überraschte mich aber doch.
Länder, vor allem die nordischen, die als „Vorreiter für Geschlechterneutralität“ benannt sind, haben übrigens oft die höchsten Vergewaltigungsraten in Europa. Und die meisten Länder ohne Genus sind hier auch als Negativ-Kandidat vertreten.
Das fehlen eines grammatikalischen Geschlechts in Finnland gibt es zudem nicht erst seit gestern sondern seit tausenden von Jahren.
Hilft den Frauen im Vergleich offensichtlich also auch dort nicht, wenn man es tiefer beleuchtet.
Man sieht, dass Gleichstellung hier, dort, weltweit eher eine Art Mammutaufgabe der Gesellschaft statt der Sprache ist - und ein fehlender Genus den Sexismus in den Gesellschaften nicht abschaffen oder bessern konnte, ganz im Gegenteil zeigen sich viele Länder ohne Genus sogar eher sexistisch.
In Ländern, die keinen Genus haben wie Türkei oder Persien kann man gut sehen, wie mit Frauen umgegangen wird, auch Ungarn liegt im gender qualitiy index im unteren Bereich der EU.
Sprache und Gesellschaft entwickeln sich zusammen, es entwickelt sich ganz offensichtlich nicht eine Gesellschaft durch eine Sprachveränderung oder durch eine Sprache mit fehlendem Genus.
Natürlich gibt es die Komponente Assoziation, das möchte und kann auch keiner abstreiten - dies kann aber am Ende nur mit Gewöhnung an andere gesellschaftliche Lebensmodelle geändert werden, nicht mit einer künstlich veränderten, moralisierten und sexualisierten Sprache.
Meine Frage:
Warum so viel Aufhebens um eine die Gesellschaft offensichtlich entzweiende neue Form der Sprache, wenn es uns nicht (oder falls überhaupt nur marginal) voranbringt, dabei aber so viele offensichtliche und noch mehr wahrscheinliche negative Auswirkungen mit sich bringt, dass die positiven Effekte wohl verschämt darunter verschwinden?
Warum konzentriert man sich nicht auf die wirklichen, prägenden Ursachen und setzt zuerst da an?