@FritzS, ich finde, bei den von Dir verlinkten Seiten zum Lobby-Thema wird das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Vor allem wird hier viel als "Lobbyismus" bezeichnet, was m.E. nicht wirklich darunterfällt. Ich habe das Gefühl, den Damen und Herren schwebt ein (unrealistisches) Ideal von Politiker vor, der ohne Rückkopplung an Praxis und Expertenwissen freischwebend Gesetze in die Welt entlässt. Das ist eine Erwartungshaltung, die ein Politiker nur in Ausnahmefällen wird erfüllen können.
1) Grundsätzlich schein mir, es wird hier jede Form inhaltlichen Austauschs zwischen Politikern und Rechtsunterworfenen als (implizit böser) Lobbyismus gesehen. Das geht m.E. zu weit. Ein Beispiel: Wenn der Politiker eine neue Regelung einführen will (z.B. neue Vorschriften für die Bauindustrie dergestalt, dass nur noch bestimmte neue Stoffe und Verfahren verwendet dürfen, und dass die errichteten Bauwerke besonders energie- und ressourcenschonend sein müssen), dann ist es doch unumgänglich, dass er oder sie sich erst einmal ein Bild davon macht, wie die Lage momentan ist, welche Möglichkeiten es gibt, sie zu ändern, und was in Praxis die Umsetzung der vorgeschlagenen Regelungen bewirkt. Z.B.: Wie werden die neuen Stoffe hergestellt? Wieviel schwieriger/leichter sind sie zu verarbeiten? Ist neues, besonderes Wissen erforderlich, um die neuen Regeln umzusetzen?
Diese Information ist am ehesten dort erhältlich, wo praktische Erfahrung vorhanden ist, und das ist nun einmal die jeweilige Industrie, ebenso auch Behörden aus andern Ländern, wenn dort ähnliche Vorhaben bereits umgesetzt wurden.
Fehlt diese Information, dann besteht das Risiko, dass eine theoretisch gut gemeinte Idee in ihrer praktischen Umsetzung scheitert, weil sie an der Realität vorbeiregelt.
2) Was im Thread auch schon kritisiert wurde: Einschaltung von Anwälten bei der Ausarbeitung von Gesetzesentwürfen: Auch hier wäre es m.E. unfair den Politikern gegenüber, ihnen den Zugriff auf diese Unterstützung zu verwehren. Klar ist, dass die Bestimmung des Inhalts, also dessen, was mit der Regelung erreicht werden soll und wie, bei der Politik liegt. Allerdings ist es alles andere als trivial, mal eben ein neues Gesetz zu machen. Vielmehr muss es sich ja in das bestehende System einfügen, und zwar so, dass keine Ungereimtheiten mit anderen Normen eintreten. Den Überblick über dieses System (um im Beispiel Baurecht zu bleiben: jeweilige Landesbauordnungen, Naturschutzrechtliche Verfahren, Bauplanungsrecht etc.) wird der Politiker in der Regel nicht haben. Daher bestimmt er, was als Ergebnis rauskommen soll, und die Arbeit der Kanzleien ist es dann, einen Vorschlag zur Verfügung zu stellen, der das gewollte richtig und kohärent mit der bestehenden Systematik umsetzt.