Nur Beispiele: Zuerst hat man im Distanzlernen digitale Tools eingeführt, was irgendwann sehr gut funktioniert hat. Aber anstatt diese etablierten Tools nun zur Verbesserung des Präsenzunterrichts zu nutzen, liegen sie völlig brach. Dabei könnte man die Schüler besser mit mehrdimensionalen Angeboten erreichen. Oder Hausaufgaben digital einsammeln. Oder nur mal ein zusätzliche Video verlinken. Oder....
Also "sehr gut funktioniert" ist eine Meinung, die sich maximal stichpunktartig an wenigen Schulen finden wird.
Ich arbeite an mehreren Schulen und von "es ging irgendwie" bis "totale Katastrophe" ist da alles dabei. Es gibt an jeder Schule Kinder, die der Distanzunterricht überhaupt nicht erreicht hat. Sei es wegen mangelnder technischer Ausstattung zu Hause oder nicht vorhandener Organisation der Eltern oder einfach "keine Lust".
Und natürlich liegt ein Großteil dieser Infrastruktur nun flach, weil die Lehrer ja nicht sofort komplett zweigleisig fahren können. Klar, wenn ich den ganzen Tag Zeit habe Videokonferenzen und digitale Aufgaben zu erstellen, ist das machbar. Aber ich kann nicht normalen Präsenzunterricht planen und nebenher auch noch digital genauso weiter machen.
Klar ab und zu mal eine Aufgabe über das Lern-Management stellen ist drin und mache ich auch, aber Dinge wie kooperatives Lernen, Zusammenarbeit an Dokumenten und Projekten etc ist nicht zu machen, so lange nicht alle Schüler iPads etc in der Schule haben. Ich müsste jedesmal in den Computerraum gehen, der quasi permanent ausgelastet ist.
Ebenso Hausaufgaben digital einsammeln? Warum? Ich will die ja in der Stunde besprechen, was soll ich digital damit? Die alle korrigieren? Dazu fehlt mir ja in Präsenz schon die Zeit. (Mal aus Spaß: Ich stelle mir vor ich geben allen meinen Schülern eine kleine Aufgabe pro Woche, die ich korrigieren würde. Sagen wir ich brauche pro Korrektur (also runterladen, aufmachen, korrigieren und wieder an den Schüler schicken) 15 Minuten. Das ist ehrlich gesagt eher wenig.
Ich habe über 370 Schüler. Das macht dann 92 Stunden mehr an Arbeit pro Woche. Zusätzlich zu den Stunden, die ich auch noch unterrichte und Unterricht vorbereite etc. Ich hatte auch schon über 450 Schüler..)
Hausaufgaben werden stichpunktartig überprüft und vorgestellt. Ich lasse da bestimmt nicht alle 30 Schüler der Klasse vorlesen. Dann ist die Stunde vorbei..
Ansonsten sind die Lehrer aktuell mit so lustigen Dingen beschäftigt, wie die Kinder zu testen. Das hört sich lustig an, ist dann aber so:
Mal als Blick hinter die Kulisse: Irgendwie müssen die Tests ja zu den Kindern kommen. Also muss irgendwer die Dinger abzählen und pro Klasse aufteilen.. ratet wer das macht? (für 1600 Kids. 3x die Woche)
Dann muss dokumentiert werden wie viele Tests gebraucht wurden und wer sie verwendet hat. Ratet wer das macht?
Dann muss dokumentiert werden ob Kinder positiv getestet wurden oder nicht. Ratet wer das macht?
Dann muss den Kindern bescheinigt werden, dass sie getestet wurden. Ratet wer das macht?
Dann müssen die Kinder getestet werden und dabei beaufsichtigt...
Die Tests müssen anschließend gesammelt und entsorgt werden..
Dabei muss die ganze Zeit auf Hygiene geachtet werden...
In der Folgestunde muss kontrolliert werden, ob wirklich alle Kinder getestet werden, z.B. wenn sie vorher im Kurssystem unterrichtet wurden und deswegen nicht im Klassenbuch vermerkt wurde wer fehlt. Kann sich ja jemand reinschleichen.
Sprich: aktuell verbringen wir locker eine Stunde am Tag mit irgendwelchen Dingen, die überhaupt nicht mit unserer Unterrichtstätigkeit zu tun haben. Zusätzlich neben dem ganzen Organisationskram, der eh schon läuft.
Ach ja, alle paar Wochen müssen mal alle Kinder getestet werden oder nur die, die nicht geimpft oder genesen sind. Oder jetzt neuerdings, wenn Leute genesen sind aber der Test positiv zeigt, ist davon auszugehen, dass das falsch-positiv ist und die Kinder verbleiben in der Schule. Das gilt für 8 Wochen. Wer hält das nach, wann wer genesen ist?
Positive Kinder müssen trotzdem in Distanz beschult werden. Wer macht das nebenher?
Ach übrigens muss man auch immer auf dem aktuellen Stand sein, welche Maßnahmen nun gelten. Das Gesundheitsamt ändert allwöchentlich seinen Umgang mit positiven Fällen: Manchmal müssen nur die positiv getesteten in Quarantäne, dann auch die Sitznachbarn. Aktuell bei 4 positiven Kindern pro Klasse auch alle andern.
Habt ihr eine Ahnung, wieviele Listen da gepflegt werden müssen um wirklich darauf zu achten was nun jetzt wirklich gilt und wann wer wieder da ist und nicht und ... ratet wer das macht?
Und dann wird hier davon geredet doch bitte mehr Digitalisierung zu machen.
Ja, super Idee. Die Ressourcen sind nicht vorhanden. In manchen Schulen sind aktuell so viele Kollegen krank oder in Quarantäne, dass teilweise Stunden ausfallen, die stattfinden könnten, weil in anderen Stunden kein Vertretungslehrer da ist, der betreuen könnte und die Kids deswegen lieber einfach den ganzen Tag zu Hause bleiben sollen.
Die Leute machen sich echt einfach mal keinen Kopf darüber, wie die Wirklichkeit in den Schulen aktuell aussieht. Da steht alles auf Anschlag und nebenher laufen dann ja auch noch alle normalen Dinge weiter, wie Abitur und Zeugnisse und und und..