Leute Leute Leute...
Bei jeder neuen Patentmeldung denke ich "Schon wieder... wen interessiert's denn noch?" - aber dann entbrennt wieder eine lebhafte Diskussion. Irgendwie muss das Thema doch einige zutiefst berühren...
Stets bilden sich zwei Lager - zum einen die "Gruppe A" - die sofort loslegen mit "...ich sollte mal langsam meine Apple-Produkte abgeben / langsam geht mir das Image von Apple auf die Nerven.../ etc."- sowie "Gruppe B" mit "Alles Verbrecher! Man sollte von den Kopier-Freaks XY wirklich nichts mehr kaufen! / Ich würde es (das Klagen) genauso machen, wenn ich Apple wäre / Apple hat nur §XYZ des peruanischen Patentgesetzes ausgeschöpft, völlig rechtens! / etc."
Liebe Gruppe A:
Tut nicht so scheinheilig. Ihr habt Euch selbst für Apple entschieden - vielleicht weil Ihr insgeheim die Coolness und die Einfachheit der Produkte schätzt - vielleicht seid Ihr auch erst vor kurzem Apple-User geworden, weil Apple einfach seit ein paar Jahren DAS Computerunternehmen ist? Vielleicht musste es auch unbedingt das iPhone oder iPad sein, weil 80% Eurer Kollegen oder Mitschüler eins haben? Aber egal, ob Ihr die Starbucks-Hornbrillen-Lifestyle-Fraktion seid oder seit Jahrzehnten auf dem Macintosh Eure kreativen Arbeiten erledigt, Ihr habt Euch irgendwann aus einem gewissen Grund ein Apple-Produkt gekauft. Entweder war der Grund aus dem Produkt hergeleitet (Ihr brauchtet eine gewisse Funktion von OS X, Ihr wolltet ein langlebiges Gerät, etc.) - dann hat sich durch Apples Geschäftsgebahren nichts geändert für Euch.
Oder Ihr seid wegen des Apple-Images User geworden (was nicht verwerflich ist - viele Leute lassen sich bei Ihren Käufen mehr vom Image / Marke leiten, als sie zugeben würden, und erdenken erst hinterher sachliche Rechtfertigungen für den Kauf - so läuft unsere Wirtschaft) - dann habt Ihr vielleicht wirklich Pech, wenn Apples Image sich ändert. Aber seid beruhigt, das tut es nicht. Apple war schon immer ein sehr dominanter Konzern, der nie gezögert hat, gerichtlich gegen Konkurrenten vorzugehen. Das hatte früher mal niedliche "David vs. Goliath"-Züge (in der IBM- oder Microsoft-Ära), zwischendurch etwas bittere Züge (wenn ein kleiner Bio-Café-Betreiber wegen eines Apfel-Logos verklagt wurde) und heute leicht monopolistische Züge...
Aber das war und ist Apple. Wenn Ihr aber wirklich nur wegen des Images wechseln wollt, Kopf hoch, heutzutage ist sowohl Windows ausgereift, als auch Linux benutzbar - das gilt jeweils für die Desktop- wie für die Mobilversionen. Und als Microsoft-Fan kann man bald wieder das selige "David gegen Goliath"-Gefühl haben - nur ist diesmal Apple der Goliath.
Liebe Gruppe B:
Firmentreue und Fan-Tum hin und her - aber ist es nicht etwas peinlich, sich immer wieder in die Diskussionen einzuklinken und sich zum unbezahlten Anwalt Apples zu machen? Dann auch immer wieder Ankündigungen wie "...jetzt aber zum letzten Mal - mir wird es wirklich zu blöd, das nochmal zu erklären..." - trotzdem: neue Patent-News - neue Erklärung.
Abgesehen davon, dass sicher weder Tim Cook noch sonstwer Euch dafür zum Dank die Hand schütteln wird, ein etwas umfassenderer Blick auf die IT-Geschichte würde nicht schaden. Steve Jobs himself schilderte nicht ohne einen gewissen spitzbübischen Charme immer wieder gern die Geschichte, wie er sich - wohlwollend ausgedrückt - vom Xerox Alto "inspirieren" liess.
Gern wird auch immer wieder das Zitat von Bill Gates dazu genannt - gerichtet an einen ihn wegen Windows anfeindenden Steve Jobs: "Hey Steve, nur weil du früher bei Xerox eingebrochen bist als ich und den Fernseher geklaut hast, kannst du nicht ausschließen, daß ich später reingehe, um die Stereoanlagemitzunehmen..."
(Anm.: Auch Bill Gates und Paul Allen hatten kurz nach Apple einen Termin bei Xerox)
In den "Gründerjahren" hat sich die IT so rasant entwickelt, weil es möglich war, auf vorhandenem aufzubauen. Als Apple eine Maus für den Lisa brauchte, erinnerte man sich kurzerhand an die von Doug Engelbarth erfundene und von Xerox verfeinerte Technik - zufällig wurde der o.g. Xerox Alto ebenso bedient...
Nun hätte ja in den Anfangsjahren im Silicon Valley auch jeder Erfinder sein Werk technisch (Patent) und optisch (Geschmacksmuster) schützen lassen können. Man stelle sich vor, MITS (bzw. deren Käufer Triumph) würde heute noch auf einem Patent sitzen, das die Optik einer Computertastatur schützt... (Anm.: MITS war Hersteller des ersten erfolgreichen Heimcomputer Altair und damit Begründer des Heimcomputerbooms). Als Folge würden Hersteller wie Apple oder Microsoft seit den 70ern versuchen, Tastaturen zu erfinden, die nicht rechteckig mit kleinen Tasten sind... Wir wären heute noch in der Steinzeit des Informationszeitalters, wenn nicht der Hippie-Geist im Silicon-Valley der 70er-Jahre dafür gesorgt hätte, dass sich die Technik so rasant entwickeln kann.
Und genau wie ehemalige Raucher zu militanten Nichtrauchern werden, so sind aus den Revolutionären des Silicon Valley millionenschwere Bürokratien geworden, die sich mit allen Mitteln - auch allen juristischen - darum bemühen, die Marktanteile zu sichern und ihre Aktionäre zufrieden zu stellen.
Das sollte man als Kunde ausblenden, denn sonst muss man konsequent alle Erzeugnisse der kapitalistischen Welt ablehnen und in einer Höhle sein Dasein fristen - aber eines sollte man auch nicht tun: In seiner Rolle als Privatperson und Produktkäufer anfangen, irgendwelches Geschäftsverhalten amerikanischer Konzerne zu erklären, noch dazu so eindringlich und aggressiv wie einige hier... sorry, aber da ist fremdschämen vorprogrammiert.
Und noch ein Gedanke an Alle:
IT-Geschichte ist super-interessant! Ich weiss aber von vielen Apple-Jüngern, dass deren Wissen sich auf die Fakten beschränkt, die sie aus Apple-affinen Quellen wie der Steve Jobs-Biographie, Linzmayers "Apple Confidential" oder dem Film "Pirates of Silicon Valley" haben.
Es gibt durchaus noch eine Fülle anderer Recherchemöglichkeiten, lest doch mal Paul Allens Buch "Idea Man", befasst Euch mit der Geschichte des Altair, recherchiert mal in unabhängigen Quellen wie das Verhältnis "Microsoft-Apple" in den Anfangsjahren war, etc.
Diese Branche hat ein paar wirklich große Dinge hervorgebracht, und vieles davon auch ohne Apples zutun. Wenn man das als Gesamtheit sieht, kann man auch besser Apple in den Kontext einordnen - nämlich als jahrzehntelanger "Zweiter" neben einem Microsoft, das den Unternehmens-IT-Bereich dominiert, einem IBM, das einen Wandel hinter sich hat vom Hardwarehersteller zum Anbieter von komplexen IT-Lösungen und Strategien...
...Vielleicht geht es Euch dann so wie mir und Ihr fraht Euch, warum man auf irgendeines dieser Unternehmen einen "Zorn" haben sollte...