Späteinsteiger:
Hab heute in meinem Garten ein Lagerfeuer angezündet, nachdem ich meine beiden kleinen Mädels, die ich übrigens als das größte Wunder überhaupt (wie jedes neue Leben) begreife, ins Bett gebracht hatte. Habe vor dem Feuer den Thread gelesen, und hier sind nun meine grüblerischen, zugegeben etwas wirren Gedanken, die durch mehrstündiges Starren ins Feuer zutandegekommen sind
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<edit> hatte ursprüglich ein Art Reihenfolge, lass ich aber lieber bleiben. Wer es auf sich nimmt, alles durchzulesen, sollte es eher als eine Art Stoffsammlung oder Gehirnhalde verstehen
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Da ich auch sehr christlich erzogen wurde (evangelisch), aber mit der 'reinen' Lehre von der Liebe Gottes lange Zeit nichts anfangen konnte, suchte ich Erkenntniss in der Natur, was meiner Meinung nach durchaus im Sinne der christlichen Religion ist. Die christlichen Mystiker hatten und haben mir es besonders angetan: Gottes Macht manifestiert sich in den uns umgebenen Dingen, der Natur, die voller Wunder steckt, dem Universum und dem ganzen Rest
, das war mein Schluss. Dadurch war es eine schwere Entscheidung für mich, ob ich meine Kinder taufen lassen sollte, oder die Religionsentscheidung ihnen überlassen sollte. Denn meine Sicht auf die Welt war und ist der (allgemeinen) kirchlichen tendenziell eher gegenläuffig, und ich fragte mich, ob es Sinn hat, meinen Kindern diese Form des Glaubens 'überzustülpen'. Interessanterweise bin ich genau durch diese Überlegung 'Gott' viel, viel näher gekommen.
Ausgangspunkt: Alltagsleben, ohne Gott, ohne Kinder, das ist viele Jahre her, ich habe mir zu dem Zeitpunkt keine greifbaren Gedanken um meine eigene Spiritualität gemacht, sehr wohl aber sublime.
Dann: Die Geburt meiner ersten Tochter. Ich war wie vom Hammer getroffen..... Das Wissen um die baldige Geburt ist absolut abstrakt, erst, wenn man das Menschlein im Arm liegen hat, weiß man, daß alles, alles was uns umgibt, ein einziges, großes Wunder ist, und das größte daran ist, daß wir neues Leben erzeugen können - Wow! Wow! Waaahnsinn! wir können Leben weitergeben!
Frage: Liebe? Was ist Liebe? Bei mir ist es die unbedingte Hingabe zu etwas Guten. Wenn ich zu meinen Mitmenschen garstig bin, wenn ich ungerecht oder gereizt bin, fühle ich mich absolut übel, und die Reue folgt auf dem Fusse. Hmm. Die Liebe Gottes? An dem Punkt hat sich meine christliche Erziehung, und das, was ich damals nicht verstand, das erste mal nach langer Zeit wieder gerührt. Mit der Liebe Gottes ist in meine Augen mit Sicherheit nicht gemeint, und das wird oft falsch verstanden, daß es jemanden gibt, der alles zum Guten wendet - nein, die Liebe Gottes manifestiert sich darin, daß wir leben, leben dürfen! Und da komme ich mit der christlichen (evangelischen) Religion in Konflikt.
Seltsam: Ich kann mit der Dreifaltigkeit (Vater, heiliger Geist, Sohn) einfach absolut gar nichts anfangen. Für mich völlig hintheoretisiert.
Letztlich: (und damit komm ich zum eigentlichen Punkt): Lass ich meine Kinder taufen, obwohl ich an die Liebe Gottes glaube, mich aber innerhalb der Kirche nicht besonders gut aufgehoben fühle? Meine Antwort: ja, nach einigen Zögern, aber wäre ich in der Lage, über sowas überhaupt nachzudenken, wenn ich niemals was von einem Gott gehört hätte? Sicher ja, denn Religiosität ist dem Menschen angeboren. Aber: Wäre mein Menschenbild ein humanistisches, würde ich Mitleid als ein hohes Gut schätzen, wäre ich bereit, zu spenden, obwohl ich immer der Meinung bin, daß ich selbst nicht genug habe? Das sicher nicht. Und so sehe ich in der christlichen Erziehung, die ich genossen habe, einen festen, soliden Sockel von gesellschaftlicher Bedeutung, den ich ohne diese christliche Rahmengebung nicht eingenommen hätte - die Spiritualität ist aber ein ganz anders Ding.
Finale: Zum Glauben kann man niemand zwingen, auch in Ave Maria nicht. Die Menschen sind dazu geboren, zu glauben, zu zweifeln und vielleicht auch hie und da zu verzweifeln. Sicher ist es, von unserer Position aus, zweifelhaft, wie sich Kinder in so einem Umfeld entwickeln werden - aber: ist es nicht sehr viel erschreckender, wohin sich viele alleinglassene Kinder in unserer Gesellschaft mit allen medialen, konsumalen Einflüssen hinentwickeln (können)? Und ich bezweifle, daß in Ave Maria viele Kinder nur zum 'ausschalten' vor die Glotze gesetzt werden.
Damit will ich sagen: es ist einfach, über ein ambitioniertes Projekt zu urteilen, es ist wesentlich schwieriger, etwas wirklich besseres anzubieten, oder?
Und ich bin kein Befürworter von solchen kollektiven Projekten (siehe Kibuzz), da die Gruppendynamik oft zu grauenhaften, weit über das Ziel hinausschiessende Ergebnissen gereicht. Dennoch: als 'Familienoberhaupt' verwahre ich es in meiner Obhut, wann meine Kinder TV schauen dürfen, was recht einfach ist, denn wir haben keinen
. Damit bin ich der Zensor. Punkt. Sollte ich das nicht auch sein? Soll ich meine Kinder dem allgemeinen Medienwahnsinn überlassen? Oder soll ich meine Kinder in einem vernünftigen Gleichgewicht von Gesellschaftsrealität und Moral erziehen? Ich kann mir vorstellen, daß es in Amiland Gegenden bzw. Gesellschaften gibt, in denen das nicht so einfach ist, wie hier am Dorf....
Auf was wollt ich raus? Achja: Respekt vor der Kreatur (= Schöpfung), gesellschaftliche Werte, Güte, Mitgefühl, Weisheit. Das ist für mich wichtig, und das emiste davon schöpf ich aus meinem christlich geprägten Weltbild, wenn ich es auch nicht immer so sehe wie es im allgemeinen gepredigt wird - ich würde mich trotzdem als gottesgläubig und christlich gesinnter Mensch bezeichnen.
Gruß,
.commander
PS: DVD gucken dürfen meine Kinder schon, v.a. in den langweiligen Wintermonaten - denn: DVDs sind werbefrei, und eine DVD anschauen zu dürfen stellt für meine Große immer noch ein Highlight dar! Und das ist doch was, oder? Und glaubt mir, sie langweilen sich auch sonst wirklich nicht....(Ausserdem gibts ja noch 2 Omas, mit Glotze...))
PPS: Oje, das ist ein Laberfaden, so wie er aus mir raugepurzelt ist, denn ich habe einfach keine klare Meinung zu so einem Ort wie 'Ave Maria', wenn ich nicht selbst dort gewesen bin. Ich kann nur die Bewegründe verstehen, so einen Ort zu gründen, genauso, wie ich die berechtigten Zweifel an der sinnhaftigkeit verstehen kann.
Gedanken eines Papas.
nochmals: Gruß,
.commander