Meine Meinung ist, dass jede Art von Diät und jede Art von rapidem Gewichtsverlust am Ende dazu führt, dass die Leute immer dicker werden. Es wurde in diesem Thread schon zaghaft versucht, darauf hinzuweisen, warum das so ist, aber die Resonanz darauf war nicht gerade ermutigend.
Deswegen stelle ich mal meine Version dagegen, die auf ein paar sehr simplen Erkenntnissen über den Stoffwechsel basiert, die jeder Sportler im Schlaf herbeten kann. Ich habe daraus für mich privat die "Neandertaler-Methode" entwickelt, die ich seitdem erfolgreich und mit Spaß anwende (den Namen habe ich selbst erfunden, googeln zwecklos).
Das Gute an der Neandertaler-Methode ist, dass man so viel essen kann, wie man will -- das meine ich ganz ernst. Man muss auch nicht unbedingt Sport treiben, obwohl das natürlich immer sehr gesund ist. Seit ich mich nach dieser Methode richte, esse ich mehr als je zuvor, trotzdem bin ich mit meiner Figur ganz zufrieden (was nicht immer der Fall war).
Hier sind ein paar wichtige Eckpunkte der Neandertaler-Methode:
1. Hungern ist scheisse.
Hungern ist sehr schlecht, vor allem deswegen, weil man dann Hunger hat. Die Neandertaler wären niemals auf die Idee gekommen, freiwillig auf Essen zu verzichten, trotzdem waren alle bisher gefundenen Neandertaler schlank. Das ganze krampfige Hungern kann irgendwie nicht stimmen. Da ist was faul.
Der wissenschaftliche Hintergrund ist so simpel wie einleuchtend: Wenn dem Körper plötzlich der Treibstoff ausgeht, dann sagt er sich: "Das passiert mir nicht noch einmal!" und baut Fettreserven auf, sobald es möglich ist. Aber erstmal holt er sich die fehlende Energie aus den Muskeln. Erst viel später aus dem Fett. Das führt dazu, dass man beim Hungern an Muskulatur verliert und (später) an Fett gewinnt. Das ist der berühmte Jojo-Effekt.
Jede Art von Mangel-Diät (Hungern, nur Zwiebeln essen, und so weiter), führt zwangsläufig zu diesem Effekt. Die Leute hungern sich dick.
Bei der Neandertaler-Methode sind deswegen Diäten und Hungern strikt verboten.
2. Essen ist gut! Also her damit.
Ich esse gerne, und ich schlage mir gerne den Bauch voll. Bei den Neandertalern war das vermutlich genauso. Die haben sogar so viel gefressen, dass sie um ein Haar ausgestorben wären.
Der entscheidende Unterschied ist, dass die Neandertaler große Mühen hatten, zum nächsten McDonalds zu kommen. Auch Supermärkte waren damals spärlich zu finden. Sie hätten dort auch nichts kaufen können, denn das Geld wurde ja erst viel später erfunden. (Das war auch der Grund, warum die meisten Supermärkte damals pleite gingen -- die Neandertaler hatten schlicht kein Geld.)
Die Nahrung der Neandertaler war auf eine Weise beschaffen, die schlicht verhindert hat, dass sie dick wurden. Es ist also der Unterschied zur heutigen Nahrung, der uns heute alle fett macht. Bei der Neandertaler-Methode nimmt man deswegen möglichst viel von dem zu sich, was auch die Neandertaler hätten essen können. Alles andere reduziert man nach Möglichkeit. Neandertaler-Futter kann man so viel essen, bis man platzt. It's that simple.
Allerdings ist ein gewisser Selbstbetrug notwendig. Das ist der Preis dafür, dass man sich nicht mit Diäten abquälen muss und stattdessen ständig den Mund voll hat. Der Betrug besteht darin, dass man sich einredet, ein Neandertaler zu sein. Im Supermarkt ist das für Anfänger erstmal nicht so leicht. Hier findet man enorm viele Dinge, die für einen Neandertaler verboten sind. Verarbeitete Speisen -- bäh! Man muss erst die vielen Dinge entdecken, die man einfach so in den Mund stecken kann, sozusagen vom Acker in die Speiseröhre.
Etwas gebildeter ausgedrückt besteht das Problem in sog. "hochverarbeiteten Speisen". Das sind Speisen, die man erst umständlich herstellen muss.
Beispielsweise waren die Neandertaler viel zu faul, um erst irgendwoher Korn zu organisieren, es zu säen, den Acker zu pflügen, den Wetterbericht zu verfolgen, das Korn ein Jahr später wieder zu ernten, es danach zu mahlen, mit Hefe und Salz zu verrühren, einen Ofen zu bauen, den Teig darin zu backen und dann das Brot zu essen.
Brot ist also nach der Neandertaler-Methode möglichst zu reduzieren. (Den wissenschaftlichen Hintergrund erläutere ich gleich.)
Die Neandertaler haben einfach das gegessen, was auf dem Boden lag oder vom Baum gepflückt werden konnte. Früchte. Gemüse. Ab und zu viel ein toter Vogel vom Himmel. Oder man fing einen Fisch. Pizza lag nur selten herum. BigMacs gab es so gut wie nie. Auch Kartoffeln gab es nicht.
Unser Körper hat sich in hunderttausenden von Jahren darauf eingestellt, mit dieser Art von Ernährung gut zu leben und glücklich zu sein. Erst in den letzten Jahren (geschichtlich gesehen nur ein Wimpernschlag) hat sich alles verändert. Wir nehmen Nahrung zu uns, für die unser Körper einfach nicht angepasst ist. Deswegen läuft alles aus dem Ruder.
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Wie ernährt sich ein Neandertaler?
Ich selber esse meistens alleine. Ich koche auch nicht gerne, weil es für eine Person nicht lohnt und der Abwasch nervt. Außerdem soll es schnell gehen, weil es mich von meiner Arbeit abhält. Das sind keine guten Voraussetzungen, um sich nach der klassischen Definition "gut" zu ernähren. Aber das ist die Realität für viele von uns.
Was macht nun ein moderner Neandertaler, der sich weigert, zu kochen und den Abwasch zu machen?
Er hat eine Mikrowelle. Hochfrequente Wellen sind erlaubt, weil sie auch zu Zeiten der Neandertaler schon im Universum existiert haben. (Ich habe ja bereits zugegeben, dass ein gewisser Selbstbetrug erforderlich ist.) Mein Kühlfach ist voll mit allerlei Gemüsemischungen (ohne Sahnesoße -- verboten!), sowie mit Fisch und bereits gegrilltem Putenfleisch. Ich schütte also einen großen Haufen Gemüsemischung auf einen Teller, lege ein Stück Fisch oder Pute (letztere nicht größer als eine Schachtel Zigaretten) daneben, und stelle den Teller in die Mikrowelle und drücke auf "Start". That's it.
Nach 8 Minuten ertönt die Klingel, ich schlurfe in die Küche und lasse es mir schmecken. Den schmutzigen Teller werfe ich aus dem Fenster.
Das ist keine spektakuläre Nahrung -- ich weiß. Aber es ist um Lichtjahre besser (und wirksamer!), als sich Mittags in der Kantine ein Rahmschnitzel mit Pommes reinzupfeifen, und als Ausgleich den Rest des Tages zu hungern oder sich mit deprimierend kleinen Rationen zu foltern.
Es gibt eine Million leckerer Variationen für Neandertaler-Kost. Alles wunderbar einfach, leicht zu kochen/erwärmen, und meist im Kühlschrank lange haltbar.
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Was steckt dahinter?
So absurd oder lustig das klingen mag: Die Neandertaler-Methode hat durchaus einen wissenschaftlichen Hintergrund. Um's kurz zu machen, geht es vor allem darum, wie die Kohlehydrate der Speisen aufgebaut sind. Es gibt Kohlehydrate, die aus kurzen Molekülketten bestehen, und Kohlehydrate, die aus langen Molekülketten bestehen.
So, Herrschaften, alle mal nachsprechen: "Langkettige Kohlehydrate, kurzkettige Kohlehydrate". Das muss man sich merken. Das ist die Zauberformel.
Vereinfacht gesagt verarbeitet der Körper im Grunde nur ganz simple, kurzkettige Kohlehydrate, nämlich Zucker. Langkettige Kohlehydrate muss der Körper erst aufspalten, bis sie ebenfalls kurzkettig geworden sind.
Kurzkettige Kohlehydrate kann der Körper also sehr schnell verarbeiten. Die Energie steht dem Körper sehr schnell zur Verfügung. Das ist dann blöd, wenn mehr Energie gewonnen wird, als der Körper gerade benötigt. Dann wird der Rest als Fett gespeichert.
Langkettige Kohlehydrate kann der Körper nur langsam verarbeiten. Die Energie steht dem Körper nach und nach zur Verfügung. Das ist günstig, weil die Energie dann eher den tatsächlich Bedarf deckt, sodass kein Überschuss besteht und kein Fett eingelagert werden muss.
Natürlich spielt die Menge der Nahrung/Kalorien eine Rolle. Aber es ist ein großer Unterschied, ob die Nahrung schnell oder langsam verarbeitet wird. Das ist der Trick. Die Neandertaler-Methode läuft darauf hinaus, Speisen mit geringer Kalorienmenge zu verwenden, die gleichzeitig möglichst aus langkettigen Kohlehydraten bestehen.
Gehen wir ein paar Lebensmittel durch:
Nudeln:
Nudeln sind Energie pur. Sie bestehen aus Weißmehl, und Weißmehl ist kurzkettig. Sportler, die vor und nach einem Wettkampf möglichst viel Energie zu sich nehmen wollen, essen einen Berg Nudeln. Wer glaubt, Nudeln seien kalorienarm (weil fettfrei), der irrt gewaltig. Nudeln machen fett. Neandertaler kennen keine Nudeln (oder höchst selten).
Weißbrot:
Weißbrot ist genauso wie Nudeln. Denn Weißmehl ist Weißmehl. Wer also ganz besonders streng mit sich sein will und sich nur noch von Wasser und Brot ernährt, um maximal abzunehmen, ist maximal auf dem Holzweg. Neandertaler haben kein Brot gebacken. (Vollkornbrot ist aber ok, und ganz harte Burschen dürfen auch mal diese seltsamen "Reiswaffeln" probieren, die mit einem Klecks Marmelade halbwegs essbar sind -- ist allerdings echter Hardcore.)
Kartoffeln:
Kartoffeln sind kurzkettig. Sie bestehen aus sehr viel Stärke, und Stärke ist im Grunde Zucker. Wer sich mittags schlecht gelaunt einen Teller mit Pellkartoffeln und Quark reinquält, weil er abnehmen will, ist selber schuld. Es schmeckt scheiße und bringt überhaupt nichts. Neandertaler hatten weder den Nerv, Kartoffeln anzubauen, noch sie zu schälen. (Auf der anderen Seite ist ab und zu etwas Kartoffelbeilage durchaus erlaubt -- man muss es ja nicht übertreiben. Allerdings: Jeden Tag ein Berg Kartoffeln mit viel Soße ist keine gute Idee.)
Gemüse:
Abgesehen von gekochten Karotten (gehören eher in die Liga der Karttoffeln wg. Stärke) kann man alles ausprobieren, kombinieren und in rauen Mengen verputzen! Nicht zu lange totkochen, dann schmeckt's auch. Es gibt fertige Mischungen ohne Sahnesoße. Aufreißen, erhitzen, lecker!
Reis: Gehört in die Liga der Kartoffeln.
Salat: Jederzeit! (Kann man inzwischen fertig kaufen. Kartoffelsalat und jede Art von Majo sind natürlich verboten.)
Bratwurst mit Pommes:
Der Super-GAU! Wurst besteht zur Hälfte aus Fett, der Rest ist normales Fleisch. Fett ist kurzkettig, also eine Energielawine. Verboten! Kartoffeln sind ebenfalls nicht optimal, aber gebadet in Fett werden sie zur Katastrophe. Alarm! Total verboten!
BigMac:
Zu Hülf! Weißmehlbrötchen: schlecht. Ketchup: vor allem Zucker, also schlecht. Verschiedene Fettsoßen: schlecht. In Fett gebratenes Rindfleisch: schlecht. Viele Kalorien, obendrein alles kurzkettige Kohlehydrate.
Pizza:
Pizza ist interessant. Man denkt, das ist ein prima gesundes Lebensmittel. Im Grunde ist es eine Art "Brot" mit Tomatenpüree, etwas Gemüse, etwas Salami, und etwas Käse. Alles schön kalorienarm und mit wenig fett. Aber das Gegenteil ist wahr. Weißmehl in rauen Mengen: schlecht! Zuckerhaltiges Tomatenpüree: schlecht! Das Bisschen Gemüse ist der Rede nicht wert, dafür jede Menge Fett durch den Käse und die Wurst. Alles kurzkettig. Für eine einzige Pizza kann man fünf Kilo Salat oder Gemüse zu sich nehmen. Pizza macht fett.
Kalorienreduzierter Käse:
Betrug! Beim Käse misst man den Fettanteil in der Trockenmasse, also als wenn man sich das Wasser rausrechnet. Normaler Käse hat um die 50 Prozent Fettanteil (in der Trockenmasse). Light-Käse (etwa "Philadelphia") wird beworben mit "12 Prozent Fett absolut", aber umgerechnet auf die Trockenmasse sind es dennoch fast 50 Prozent. Das sind reine Zahlenspielereien. Wenn es cremig ist, ist es auch fettig.
Obst:
Aber immer! Aufpassen mit "mehligen" Sorten (Bananen) und Früchten mit extremer Süße (Weintrauben). Aber, hey, das ist immer noch besser als Schokolade. Kenner achten darauf, "kleines" Obst auf dem Tisch stehen zu haben, welches man sich immer mal nehmen kann, ohne erst etwas schälen oder zerteilen zu müssen.
Schokolade: Besteht vor allem aus Zucker und Fett. Viele Kalorien, kurzkettig.
Fisch, Geflügel: perfekt! (Die Haut bei Geflügel lässt man weg. Putenfleisch ist am besten. Gibt es fertig gebraten im Tiefkühlfach. 2 Minuten in der Mikrowelle, schmeckt sehr lecker.)
Kuchen, Kekse: Gebäck besteht aus einem Drittel Fett, einen Drittel Zucker und einem Drittel Weißmehl. Dreimal schlecht. (Ich esse trotzdem einmal die Woche Kuchen.)
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Sport?
Es ist kein Problem, sich so zu ernähren, dass man auch ohne Sport abnimmt, oder eine "normale" Figur bekommt. Wichtig zu wissen ist, dass Sport niemals eine schlechte Ernährung ausgleichen kann. Wer jeden Tag in der Kantine Bratwurst mit Pommes und Soße isst, wird fett -- Sport hin oder her. Es sei denn, man läuft jeden Tag einen Marathon.
Sport ist gesund, und man kommt sowieso nicht drum herum. Gerade wenn man einen Büro-Job hat. Rückenprobleme, schwaches Herz, Müdigkeit -- muss ja nicht sein. Ich gehe in ein Fitness-Studio und kann das sehr empfehlen. Es ist eine elende Schinderei, aber man merkt auch, dass es etwas bringt.
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Und jetzt?
1. Die Neandertaler-Methode ist eine einfache Formel, anhand derer man sich leicht merken kann, wovon man viel essen sollte, und wovon eher wenig. Alles was man direkt pflücken und in den Mund stecken kann, ist gut. Verarbeitete Speisen sollte man zweimal anschauen und ev. reduzieren.
2. Es ist herrlich simpel, ein Neandertaler-Mittagessen zu kochen, und es ist hervorragend für Leute mit wenig Zeit.
3. Neandertaler-Kost kann man so viel essen, bis man platzt -- macht gar nichts!
4. Im Grunde geht es um den Unterschied zwischen langkettigen und kurzkettigen Kohlehydraten. Jeder Sportler kennt sich damit aus. (Google weiß mehr.)
5. Ich habe alles nur unvollständig dargestellt. Haltet Euch also nicht damit auf, mir dies nachzuweisen. Ich weiß es bereits.
6. Dies ist keine Empfehlung, es exakt so zu machen. Es sind nur Anregungen, die man sich nach eigenem Gusto zurechtbiegen kann.
7. Ist das nicht sehr radikal? Einerseits schon, denn fast alle normalen Grundnahrungsmittel (Nudeln, Kartoffeln, Brot, Fleisch) haben schlecht abgeschnitten. Andererseits gibt es genügend andere Sachen, die man als Grundnahrungsmittel verwenden kann, und die kann man dafür so viel essen, wie man möchte (Gemüse, Salat, Obst, Fisch, Geflügel). Das ist der Deal. Für mich ist es ein guter Kompromiss, den ich leicht einhalten kann. Was soll's, dann gibt es eben keine Nudeln. (Und man muss sich ja nicht immer daran halten.)
8. Wichtig ist, dass man seine Ernährung dauerhaft umstellt. Jeden Tag Fleisch mit Soße und Kartoffeln oder Nudeln: Das geht nicht. Man muss das akzeptieren und sich dauerhaft davon verabschieden. Kurze Gewalt-Diäten lösen das Problem nicht. Man muss einen Weg finden, den man dauerhaft und gerne (!!) einhalten kann.