Lieber Steve,
Wir kannten uns nicht persönlich, aber ich möchte glauben, dass ich über die Jahre aufgrund Deiner Auftritte, Deiner Entscheidungen und Deiner Unternehmensführung ein klein wenig darüber erfahren durfte, wer Du warst. Ich schreibe Dir diese Zeilen zum Abschied.
Im Laufe des vergangenen Vierteljahrhunderts hast Du uns gezeigt, wie man einen Technologiekonzern durch gute und weniger gute Zeiten führt, ohne je den Anspruch auf Qualität und Integrität zu verlieren.
Deine Begeisterung für Apple hat uns mitgerissen. Hinter dem, was wir “Verzerrte Realitätssphäre”, oder “Reality Distortion Field” nennen, steckten Dein Charisma, Deine Weitsicht und auch Dein Starrsinn. Ein Führungsstil, der polarisierte. Es gab Mitarbeiter, die aus irgendeinem Grund Deinen Zorn auf sich zogen und daraufhin den Arbeitsplatz wechselten. Viele andere preisen Dich für Deine, nun ja, offene und direkte Art, Verbesserungsvorschläge zu unterbreiten. Du hast viel verlangt, aber Du warst fair und großzügig.
Du konntest Deine Umgebung inspirieren und zu Höchstleistungen anregen. Mit vielen kleinen Tricks hast Du das letzte Quentchen Motivation aus Mitarbeitern herausgekitzelt, die Produkte wie den iMac, das iPhone, das iPad oder Mac OS X hervorbrachten. Dein langjähriger Begleiter Jay Elliot beschreibt in seinem Buch “Steve Jobs iLeadership”, wie Du gezielt kleine, hochwirksame Teams zusammenstelltest. Diese Handvoll talentierter Menschen sollten “Piraten” sein und nicht “die Marine”.
Sie sollten ohne Einschränkungen und außerhalb der üblichen Konventionen denken und arbeiten. Damit hast Du ihnen ermöglicht, das zu tun, was Du von Beginn an als Deinen Weg erkannt hast. Immer mit einem Faible für Querdenker und Nonkonformisten schartest Du eine Reihe von Talenten um Dich, die Deine Visionen in die Wirklichkeit getragen haben. Zuerst Steve Wozniak, der mit Dir die ersten Apple Computer zusammenlötete. Später vor allem Jonathan Ive, der als genialer Designer Klassiker wie den iMac schuf.
Von einem Außenseiter in der PC-Branche hast Du es zum größten Unternehmen weltweit gebracht. So sehr bist Du mit Deinen Produkten in der Mitte der Gesellschaft angekommen, dass sich inzwischen sogar einige über eine mangelnde Exklusivität der Apple-Geräte beschweren. Doch Du hast stets Freigeist und Eigensinn mit dem Bewusstsein der Verantwortung gegenüber den Aktionären vereinen können. Es scheint sogar, als sei es die volle Konzentration auf die Produkte, ihr ganz eigenes Design und ihre innovativen Funktionen, die den Erfolg möglich gemacht hätten.
Das stieß nicht immer bei allen auf Wohlwollen. Einige Schritte, mit denen Apple sich von bestimmten Technologien abwandte, führten dazu, dass man Dich als “verrückt” bezeichnete. Aber ganz egal ob 3,5-Zoll- statt 5-Zoll-Disketten, USB- statt serieller Schnittstelle oder HTML5 statt Flash: “Manchmal muss man einfach auf die richtigen Pferde setzen”, hast Du einmal gesagt. Und von einem Puck hast Du gesprochen, von dem man als Eishockeyspieler stets wissen muss, wo er als nächstes ist – nicht wo er jetzt gerade ist.
Diese Denkweise führte häufig dazu, dass Deine Entscheidungen zu ihrer Zeit Vielen als nicht plausibel oder gar wahnwitzig erschienen. Am Ende zeigte sich aber in den meisten Fällen, dass Du mit Weitsicht und viel Gespür für die Trends der Technik-Welt gehandelt hast. “Der Erfolg gibt Dir Recht” ist eigentlich ein fürchterlicher Satz, der nichts über die Qualität einer Entscheidung aussagt. Aber Verkaufszahlen von iOS-Geräten und Macs, Kundenzufriedenheit unter Konsumenten und das stete Bestreben der Konkurrenz, es Dir nachzutun zeugen von dem großen Einfluss, den Du auf die IT-Welt hattest und noch hast.
Ganze Geschäftszweige florieren dank Deiner Visionen. Zubehörhersteller, Händler und nicht zuletzt auch Medien existieren nur auf Basis Deiner Produkte. Zuletzt präsentierte Dein Nachfolger, Tim Cook, zweifellos in dem Wissen um Deinen Gesundheitszustand das iPhone 4S. Wieder einmal sind die Fans gespalten und diskutieren aufgeregt über das Für und Wider von Sprachsteuerung und neuer Kamera. Wieder einmal werden sich aber die Warteschlangen am 14. Oktober um die nächsten Straßenecken winden und wieder einmal wird sich herausstellen, dass Du das richtige Gespür für die Begehrlichkeiten der Konsumenten hattest.
Nicht nur Freunde, Verwandte und Fans, sondern auch Kritiker und Konkurrenten werden Dich vermissen. Sie hatten in Dir einen würdigen Gegner, ein Gegenüber auf Augenhöhe oder darüber, der das Geschäft belebt und den Markt interessant gemacht hat. Wir haben einen großen Geschäftsmann, vor allem aber einen großen Menschen verloren. Mögest Du dort, wo immer Du jetzt bist, in Frieden Ruhen.
Danke für alles,
Ein trauriger Fan.