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Thread zum Thema Sprache: Sprachkritik u. -analyse, Austausch, Hilfe und Anregung

chrismar

Morgenduft
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Eine herzliche Einladung zum Austausch zum Thema (deutsche) Sprache:

  • Synonym, Antonym, die passende Formulierung, Rechtschreibung und Grammatikalität
  • Redewendungen und geflügelte Worte
  • Textaufbau - 'Vom Wort zum Text'
Sprachanalyse

  • Welches Anliegen und welche Gesinnung steht hinter bestimmten Wörtern, Texten und Sätzen?
    • Institutionen, Werbung, Politik, Journalismus, ...
  • Sprachwissenschaftliches
    • Sprachwandel, Grammatik, Pragmatik, Soziolinguistik
Sprachkritik

  • Wo und wodurch erfüllt Sprache ihre eigentliche Aufgabe nicht?
    • wiederum insbesondere Politik und Journalismus
Herzlich Willkommen!
 

salome

Golden Noble
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Chrismar, das ist ein interessantes Thema oder eher ein riesiger Themenkreis. Aber was soll dazu gesagt werden, das ist uferlos. Ich meine, um einen Thread ins Leben zu rufen, musst du konkretere Fragen stellen. So allgemein und vage – da weiß ich nicht, ob etwa daraus wird.
 

chrismar

Morgenduft
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Ich kann mir den Thread zum einen als Frage-Antwort-Möglichkeit vorstellen, zum anderen als Diskussionsplattform, ausgehend von Texten, die einem auffallen in den Medien.

Zusätzlich kann es ein geeigneter Platz sein für Link- und Textempfehlungen zu den oben aufgeführten Punkten.

Ich für meinen Teil werde sicher die ein oder andere Frage hier stellen - und auch gerne Fragen beantworten. Ich studiere Germanistik und habe hilfreiche Nachschlagewerke im Regal stehen. Denn: alles findet sich doch noch nicht im Internet via Suchmaschinen, zumindest nicht in der Vielfalt und der Qualität, wie etwa in den Duden-Reihen.

Wenn man im Netz wertvolle Informationen bekommt, dann oft in Foren - wenn entsprechende Threads eröffnet sind.
 
Zuletzt bearbeitet:

salome

Golden Noble
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Hoffen wir, dass auch dieser Thread zu einer regen Diskussion führt. So spontan fällt mir nichts ein, aber ich bleibe gespannt.
Herzlich
Salome
 

chrismar

Morgenduft
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Eine sprachliche Frage, die sich mir heute gestellt hat, mag vielen arg detailverliebt vorkommen, und ist wohl nicht leicht zu beantworten. Aber vielleicht kann sie mir dennoch jemand beantworten, der sich mit Begrifflichkeiten der Psychologie auskennt.

In Zeitungen und Magazinen wird hin und wieder das Wort Fetisch metaphorisch ohne Bezug zum Thema Sexualität verwendet, um ein übersteigertes bzw. nicht nachvollziehbares Verhältnis zu etwas zu bezeichnen - genauer gesagt, ein Verhältnis, das als Kompensation für etwas anderes, Vernachlässigtes besteht.

Nun finde ich diese metaphorische Verwendung des Wortes Fetisch nicht gerade gelungen.
Gibt es einen nicht-metaphorischen Begriff, der ein solches Verhältnis bezeichnet?
 

macaneon

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Triebsublimierung.
Es ist hilfreich, die Wörter "Trieb" und "Befriedigung" nicht in einem sexuellen Sinn zu verstehen, sondern auch in einem funktionalen oder ideellen Sinn. Der Mensch hat viele Triebe, so z.B. nach Nahrung. So kann ein Wurstbrot durchaus zur Triebbefriedigung dienen, vielleicht sogar mehr als nur für den Hunger, weil mit seinem Verzehr auch ein (ideeller) Genuss(bedarf) verbunden ist. In solchen Fällen wäre auch "Totem" ein geeignetes Wort, wenngleich das eher religiös verortet ist.
Vom Fetisch ist allerdings daher nicht ausschließlich dann zu sprechen, wenn die Orgasmusfähigkeit maßgeblich von dem Verzehr von Wurstbrot abhängt, sondern wenn sein Verzehr einen vergleichbaren Glückszustand verursacht. Vielleicht hilft dir hier auch Fromm weiter: Das Haben im Sinne von Verinnerlichung oder Verschmelzung ist nicht mehr nur sexuell orientiert, sondern und vielleicht auch logischerweise inzwischen (oder sogar von jeher?) auf Formen des Habens im Sinne von "verfügen über" oder "besitzen". Nicht mehr das antik-revolutionäre Bild gilt, wo Liebe und Sexualität so etwas waren wie platonischen Ideen (Ideale), sondern vornehmlich das Bild von physisch greifbarer Liebe und Sexualität. Das Christentum hat in der (ablehnenden) Reaktion auf das antike Bild (u.a. Hedonismus) wieder die ideelle Form proklamiert (Debatte: Fleisch vs. Geist). Im Zuge der Industrialisierung und Konsumwirtschaft hat sich der ursprüngliche Trieb (nach Körperlichkeit), der aber untersagt bzw. geächtet war, auf Surrogate (Produkte, Waren, Besitz, selbst ideeller Güter wie Wissen) verlagert. Nicht ohne Folgen: So geht man heute davon aus, dass starke Triebsublimierung auf ein zu schwaches Ich zurückzuführen ist, dem das Komplementär der (körperlich-sexuellen) Triebe fehlt, weil untersagt durch Glaube und in der Folge Gesellschaft.
Plakativ gesprochen: Hohe, d.h. nicht gelebte Minne führt u.U. zu erhöhtem Konsumverhalten. Manchmal auch zu Autoaggression. Der menschliche Geist ist unerschöpflich, wenn es darum geht, Triebe zu sublimieren und neue Fetische zu generieren.
 
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chrismar

Morgenduft
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Ersatzbefriedigung wäre der Zustand, der sich einstellt.

@macaneon:
Wow! Eine tolle Zusammenschau! Da steckt viel drin. Werd' es später am Tag 'mal gründlich durchdenken und genießen.

Triebsublimierung ist in unserer Gesellschaft fast ausschließlich positiv bewertet und konnotiert, ist sie doch konstitutiv für eine sich entwickelnde Kultur.
Die Verwendungen des Wortes Fetisch, die ich bei meiner Frage im Sinn hatte, waren jedoch pejorativ und dienten als Kritik an dem oben von mir beschriebenen Verhältnis. Insofern würde Triebsublimierung da nicht gut passen. Ich versuche meine Vorstellungen von einem anderem Wort zu präzisieren: nicht nur die Metaphorik erschien mir bei den Verwendungen und ihren Kontexten unangemessen, sondern auch die Unterstellung, es handle sich um ein triebgesteuertes Verhalten. Denn in den Texten, die ich meine, wurde Trieb(verhalten) als (eben pejorativer) Gegensatz zur vernünftigen Ratio skizziert.

Nun könnte man sagen, dass somit nicht das Wort Fetisch, sondern die Gesamtanlage des Textes fragwürdig ist. Dennoch erscheint mir dir auch das einzelne Wort unangemessen - dürfte doch die Auffassung, Trieb sei etwas Neagtives, in unseren (kulturellen) Breiten überwiegen. Zu dieser Frage und zum Punkt Triebsublimierung mach' ich mir dann, wie gesagt, später am Tag noch Gedanken.
Bis dahin schon einmal dankeschön! :)
 

macaneon

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Dass Triebsublimierung konstitutiv ist würde ich auch sagen, dass sie positiv konnotiert ist, nur bedingt: Wenn dem so ist, dann wohl daher, dass sich der Trieb nicht mehr sexuell äußert (das ist leider nach wie vor geächtet und die gegenwärtige Debatte mit dem Vatikan macht das nicht nur deutlich, sondern auch ein Mal schwieriger, weil man jetzt eingestehen muss, dass dieser Trieb nicht nur sehr schwer zu kontrollieren ist, sondern es obendrein im Falle der Unterdrückung des selben auch zu Fehlkanalisierung kommen kann, aber das ist ein anderes Thema), sondern beispielsweise in der Ausbildung von Kultur niederschlägt, also sogar eine Art Nutzen und Fortschritt darstellt. Für den Einzelnen mag aber etwas Anderes wichtig sein als für die Gesellschaft (d.h. aus deren Sicht) oder Kulturentwicklung. Aus Sicht der Kultur ist Sublimierung etwas Tolles, aus Sicht des Individuums aber eben nicht (zumindest nicht zwangsläufig). Der ganze Triebsublimierungsbetrieb hat nämlich logischerweise dazu geführt, dass wir heute noch immer nicht wieder frei über die eigentliche Stossrichtung unserer Triebe sprechen können, denn diese stehen eben ursprünglich nicht im Dienste der Kulturbeförderung, auch wenn - wie oben schon gesagt - dieser Club das natürlich gern so hätte.
Zurück zum Punkt: Das Wort "Fetisch" ist dehnbar, muss dehnbar sein. Es muss Güter wie Wurstbrote, Geld, Macht, Besitz umfassen, da es dem selben Zweck geschuldet ist, den wir als ursprünglich sexuell betont haben. Daher der Hinweis, Fetisch und Trieb nicht im semantischen Feld der Sexualität zu fixieren.
Die Triebsublimierung ist der Grund für diese Dehnung. Selbst Freud hat darauf schon Bezug genommen, als er die Kunst (sowohl Produktion als auch ihren Konsum) als Form der Triebsublimierung eingestuft hat.
Folglich kann nicht nur ein Paar Brüste ein Fetisch sein, sondern auch das Auto oder eben (wenn auch ungewöhnlich) ein Wurstbrot. Es kommt nicht auf die Form an (bspw. Ähnlichkeit zu einem Phallus), sondern auf den Zweck einer Sache aus Sicht des Individuums. Wenn (und nur wenn!) der Besitz eines Autos oder sein Fahren (hier gibt es dann gar keine Form mehr) zum Fetisch erklärt wird, erfüllt er den Zweck der Befriedigung auf geistiger Ebene, auch ohne (physischen) Orgasmus, denn der physische ist ja untersagt, muss also sublimiert werden. Und irgendwann ist man vom Käfer beim Porsche.

EDIT: Ich finde diesen Thread übrigens recht nett, jetzt schon interessanter als manches Philosophen-Board.
 
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salome

Golden Noble
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Fetisch hat ursprünglich gar nichts mit Sexualität zu tun, sondern ist ein Begriff aus der Religion (Naturreligionen). Mit Ersatz hat der Begriff allerdings zu tun. Ein Fetisch ist ursprünglich eine Objekt, dem übernatürliche Kräfte zugeschrieben werden, das angebetet wird. In diesem Sinn sind auch Reliquien in der christlichen Religion Fetische. Talisman, Amulett, Totem = alles Fetische.
Und weil das "Anbeten" von Gegenständen einer Person (meist weiblichen Geschlechts) dem Fetischismus gleichkommt, wird der Begriff auch in der Sexualterminologie angewendet.
Aber ich kann auch einen Schlüsselanhänger mit mir als Fetisch herumschleppen oder ein Kreuz an einem Ketterl um den Hals hängen.
Ihr seid da in einem Denktunnel.
Salome
 

macaneon

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Wir sind nicht in einem Tunnel, sondern nur in einem von mehreren Kanälen. ;)
Selbst Anbetung ist auf ein Ziel ausgerichtet, das Befriedigung (Manna oder Kontemplation, such dir was aus) heißt. Aber wie gesagt: Es muss nicht immer die sexuelle Befriedigung sein.
Sexualität zählt aber zweifelsfrei zu den stärksten Trieben und gleichzeitig zu den am stärksten (von außen) kontrollierten, deshalb eignete sich dieses Feld aus meiner Sicht am besten, die Verschiebung des Fetisch-Begriffs hin zu einer nicht-sexuellen Form aufzuzeigen.
 

salome

Golden Noble
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Das war der Ausgangspunkt der Diskussion:
In Zeitungen und Magazinen wird hin und wieder das Wort Fetisch metaphorisch ohne Bezug zum Thema Sexualität verwendet,
,
Mir scheint, chrismar meint, der Begriff sei nur im Zusammenhang mit Sexualität zu verwenden und diene sonst als Metapher. Das ist aber nicht so. Aber ohne den Zusammenhang der Begriffsanwendung in Zeitungen und Magazinen zu kennnen, kann eigentlich gar nichts aussagen.
Es muss nicht immer die sexuelle Befriedigung sein.
Noch einmal: Ein Fetisch dient nicht der Befriedigung, sondern als Ersatz für einen Gott, ist also eigentlich etwas Heiliges. Dass seit Freud eine Bedeutungsverschiebung eingetreten ist und der Begriff "Fetisch" nur noch im Kontext von Treibbefriedigung oder -sublimierung verwendet wird, mag am Boulevard sein.
Vermutich wissen auch Magainschreiber nicht so genau, was unter "Fetisch" zu verstehen ist.
 

macaneon

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Für die meisten ist Gott aber (leider) kein nutzloses Irgendwas, sondern Projektionsfläche für Wünsche jeglicher Art; materieller oder ideeller Natur. Und in seiner Anbetung verspricht man sich Befriedigung jeglicher Art; materieller oder ideeller Natur. Nenn es Gott, Fetisch oder Gral, das Ansinnen bleibt dasselbe. Und ist eben nicht sexueller Natur. Wobei es das bei den Griechen und Römern auch gab. Dem Christ scheint das gerade nicht zu gefallen, deswegen hört er das Wort Fetisch nicht so gerne im Zusammenhang mit Gott. Freud war so nett, uns darüber aufzuklären. Aber er hat diesen Begriff ganz sicher nicht verunstaltet. Wohl eher ein Teil der Rezipienten.
Außerdem sollte "dienen" nicht mit "sein" verwechselt werden. Ein Fetisch ist nicht Gott, er dient als Gott und somit der gleichen Sache wie Gott selbst. Gott nur in eine greifbare Sache zu bannen, erfordert keine weitere Anbetung, wenn es nur um seine Vergegenständlichung geht. So komprimiere ich Gott doch nicht in eine Murmel (zum Fetisch) und alles Weitere in Bezug auf die Murmel ist sodann uninteressant. Ich werde doch nun die Murmel anbeten und sei es nur deshalb, weil ihr schöner Anblick mich geistig entzückt, d. h. mein Bedürfnis nach Ästhetik befriedigt. Meist aber, weil ich weitere Befriedigung davon erhoffe. Selbst im Falle, dass es mir nur um die Vergegenständlichung von Gott gegangen wäre, so habe ich mit der Murmel die ultimative Chance, mich daran aufzugeilen, dass ich Gott jetzt ganz nah bei mir hab, im Gegensatz zum Ketzer von nebenan. Wenn das nicht befriedigt, was dann?! ;)
 
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chrismar

Morgenduft
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Tatsächlich hatte ich gedacht, das 'Fetisch' nur im Thema Sexualität verortet ist.
Ich schäm mich aber jetzt 'mal gar nicht dafür, sondern freue mich über den interessanten Austausch. :)

Und obwohl mir das Wort, das ich nun neu kennengelernt hab', in dem Kontext, an den ich denke, immer noch komisch vorkommt, mach ich jetzt nicht den festgebissenen Terrier und lass ab davon. Auch, weil mir die Texte, an die ich denke, nicht mehr vorliegen.

Inhaltlich zu Euren Posts dann - wie schon gesagt - wenn ich sie heut abend in Ruhe und nicht nur en passant gelesen hab'.

Beste Grüße!
 

salome

Golden Noble
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Ich schäm mich aber jetzt 'mal gar nicht dafür, sondern freue mich über den interessanten Austausch.
Da gibts auch überhaupt keinen Grund dafür. Wenn der Begriff dir immer nur im selben Zusammenhang begegnet ist, dann hat er für dich nur eine Bedeutung. Dazu hast du doch auch den Thread eröffnet. Wenn alle alles wissen und überhaupt alles klar ist und feststeht, dann brauchen wir nicht zu diskutieren.
Ich freu mich auf den nächsten Punkt /die nächste Anregung. Vielleicht kommt sie ja von mir. :)
Ein Fetisch ist nicht Gott, er dient als Gott und somit der gleichen Sache wie Gott selbst
Da stimme ich dir zu. hab ich mich missverständlich / schlampig ausgedrückt? Passiert immer wieder. :(
…Wenn das nicht befriedigt, was dann?!
Ich gebe mich geschlagen. War auch im Tunnel. Dachte immer nur an Lustbefriedigung – Sex oder Schokolade – aber nicht an die Befriedigung des Pharisäers.
Danke für deine ausführlichen Beiträge. Sie machen AT charmant. :)
Salome
 

chrismar

Morgenduft
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Besser, als sie zu vernachlässigen, finde ich.
Aber ich muss da bei mir auch aufpassen - wird mir sicher in diesem Thread das ein oder andere Mal passieren.
Überlege grad, ob es schon passiert ist o_O
Aber den Neurosen immer nur allein zuhaus' zu frönen, macht ja auf die Dauer auch keinen Spaß :-D