Liebe Leute, ich habe vor langer Zeit einmal zwei Jahre lang korrekturgelesen ... auch als ich im Team war, habe ich mitunter Startseitenartikel anderer Teammitglieder korrigiert ... derzeit produziere ich -- zwar nicht alleine, aber technischerseits massgeblich -- ein bislang monatlich erscheinendes Magazin mit ca. 20 Seiten, welches zwar nicht gedruckt wird, aber druckreif als PDF erscheint ... die letzten Ausgaben mussten mehr oder weniger unkorrigiert durchlaufen, weil unter dem Druck der Deadlines einfach nicht mehr Zeit genug war.
Was ich sagen will: Das ist echte Arbeit. RICHTIGE Arbeit. Es geht ja nicht nur einfach darum, mal Gross- und Kleinschreibung zu korrigieren oder ein "das" in ein "dass" zu korrigieren oder umgekehrt, es geht hier nicht nur um Korrekturarbeit, sondern, wie schon richtig gesagt wurde, um Lektoratsarbeit, das schliesst Grammatik und vor allem Stil ein ("Wer andren eine Grube graebt, ist selbst ein Schuft!" und "Wir gedenken dem falschen Dativ" etc. etc.), und, noch weiter: Es schliesst letztendlich auch Redaktionsarbeit ein ("Kannst Du das bissl genauer belegen?" und "Hier stellst Du eine Vermutung als Tatsache dar" etc.).
Also: Journalistenarbeit -> Redaktion (und das ist mehr als ein Haufen "freiberuflicher" Journalisten) -> Lektorat -> Korrektorat. Und ggf. nochmal das Ganze von vorne.
Ich hab' mal die Dissertation eines Freundes korrekturgelesen und anschliessend laaaaaaange mit ihm diskutiert. Als er sah, wieviel rot angestrichen war, hat er tatsaechlich geweint, kein sh1c3. Ich hab das also sehr lange alles eingehend mit ihm besprochen, bis hin zu "was genau meinst Du hier mit "'welches'?" -- es sollte ja auch jemand Fachfremdes verstehen koennen. Jeden einzelnen Fall roten Anstreichens hat er schliesslich eingesehen und korrigiert. Jetzt ist er Professor in Muenchen
Warum diese Geschichte? Um zu zeigen, dass Herzblut nicht nur im Geschriebenen steckt. Natuerlich denkt jeder, der weiss, wo die Leertaste sitzt, dass er schreiben kann, aber auch derjenige, der die Korrekturarbeit leistet, steckt viel Verstandesarbeit in das Ziel, das Geschriebene fuer den sprichwoertlichen "naiven Leser" verdaulich zu machen.
Leider sitzen in immer mehr Redaktionen (also echten Redaktionen: Magazinen, Zeitschriften, Zeitungen) solche Leute, die wissen, wo die Leertaste sitzt, und es werden gleichzeitig immer mehr Lektoren und Korrektoren weggespart. Ganz boese. Frueher waren wenigstens die Redakteure und die meisten Journalisten in der Lage, ganze Saetze zu bilden, sogar mit Nebensaetzen. Aber heute, wo dies schon als Kunst gilt, sollte jedes Medienunternehmen, welches etwas auf sich haelt, wenigstens einige Leute im Lektorat und Korrektorat beschaeftigen -- auch wenn's die Autoren mitunter zu Traenen treibt --, damit man mit dem Geschriebenen, dem Veroeffentlichten die kollektive Intelligenz des "Volkes" nicht noch weiter in den Keller schickt.
Als Skeeve seine Mitarbeit diesbezueglich sehr vorsichtig anbot, dachte ich "oweh", weil ich weiss, dass sowas ein Halbtags- bis Vollzeitjob sein kann, weil dazu halt der Artikel nicht nur "eben mal korrekturgelesen" sondern gedacht, verstanden, verarbeitet sein muss. Ich dachte auch kurz daran, mich dranzuhaengen, meine Unterstuetzung auch anzubieten, unter der Voraussetzung, dass Skeeve tatsaechlich mitmacht, aber Jespers Antwort hat mich gleich wieder in den Rueckzug getrieben, bevor ich ueberhaupt vorgeprescht waere, weil hierzu einfach viel zuviel Diskussion noetig waere, Diskussion mit den Autoren, mit der Chefredaktion etc. etc., und diese Zeit kann und mag ich nicht aufbringen.
So, das waren jetzt mal paar Gedanken zu diesem Thema, das mir durchaus am Herzen liegt.
LG Tom