Dieses Thema ist mal wieder an Plattitüden und und extremen Ansichten kaum zu Überbieten..
Zuallererst: Wieso kann man es nicht einfach jeder Person selbst überlassen, was er/sie als "viel arbeiten" empfindet?
Das kommt doch total auf die Lebensumstände an, auf die Art der Arbeit und den eigenen Bezug dazu.
Weil hier grad der "Rockstar" in den Raum geworfen wurde.. was ist denn da die Arbeitszeit? Übezeit? Auftritte? Gespräche mit Management? Reisezeit zwischen Auftritten? Autogrammstunden? Zeit auf dem Sofa, wo man ein inspirierendes Buch liest, das letztlich in einem Songtext endet?
Je nach Definition kommen da bei diversen Künstlern auch locker 80h die Woche bei raus.
Auch bei Schillers 80h wissen wir überhaupt nicht, was da alles mit in der Definition steckt.
Wenn ich zur Arbeit fahre, bin ich technisch telefonisch erreichbar für Zeug, das die Arbeit betrifft und ab und zu telefoniere ich da (per Freisprecher, bevor jemand dumm fragt..).. ist das jetzt Arbeitszeit? Wenn ja, dann arbeite ich mal 8h mehr die Woche.
In den letzten Tagen hab ich mir in meinen Ferien Youtube Videos angeguckt von einer inspirierenden Persönlichkeit die diverse Vorträge u.a. am MIT gemacht hat, die auf YT zu finden sind. Davon hab ich ein paar Ideen mitgenommen, die ich demnächst auf der Arbeit nutzen will. Ist das Arbeitszeit?
Nicht jeder Job hat eine Stempeluhr, mit der man exakt erfassen kann, wie lange gearbeitet wurde. Und das ist auch gar nicht schlimm.
Die meisten Menschen haben vorab zumindest ein grobes Wissen darüber, was ein Job an Anforderungen stellt.
Und mit Sicherheit haben Menschen unterschiedliche Voraussetzungen, sowohl was Bildungschancen, Intelligenz, physische Voraussetzungen etc.
So kann logischerweise nicht jeder wirklich seinen "Traumberuf" erlernen. Um den oben genannten "Astronaut" aufzugreifen: Wenn man die körperlichen Voraussetzungen einfach nicht erfüllt, ist das einfach nicht möglich.
Andersrum kann in der aktuellen Zeit aber tatsächlich so gut wie jeder eine Neuorientierung anstreben. Das ist in den meisten Fällen hauptsächlich ein Zeitinvestment. Man kann Schulabschlüsse nachmachen, dafür gibt es Schulen mit dem zweiten Bildungsweg. Man kann an einer Fernuni/Abendstudium studieren und andere Qualifikationen anderweitig erwerben. In Zeiten des Internets war es auch noch nie so einfach theoretisches Wissen ohne großen Aufwand zu erwerben.
Natürlich gibt es gewisse finanzielle Limitierungen: Wenn ich eine LKW-Führerschein privat nachmachen will, kostet mich das 5000€.. muss irgendwoher kommen das Geld. Und wenn ich ohnehin jeden Monat am Limit bin, ist das nicht so einfach und dann muss man gucken welche Einsparungspotentiale man hat.
Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass man sich ganz schön einschränken kann, wenn man möchte. Als ich studiert hab (ist noch nicht so lange her..) hab ich nebenher gejobbt und kam am Ende des Monats bei <1000€ raus. Davon ging ein Großteil für Miete und Lebensmittel und Versicherung drauf. Und ja, das ist deutlich unter der lustigen Armutsgrenze. Es gibt durchaus eine Menge Studenten, die finanziell am untersten Limit leben. (Sidenote:
https://www.spiegel.de/start/statis...grenze-a-460cb19f-8a62-43ab-8b52-652814234250)
Ich bin dann halt für viele Jahre nicht groß in den Urlaub gefahren, war nicht groß feiern etc, weil ich Geld für größere Anschaffungen gespart hab. Das muss man sich halt vorher überlegen.
Insofern bin ich durchaus der Meinung, dass man aus eigener Kraft schon viel erreichen kann, aber viele Leute nicht dazu bereit sind aus Luxus zu verzichten. Und ihre Prioritäten anders setzen.
Und auch das ist vollkommen okay. Vater dreier Kinder möchte wahrscheinlich die Zeit mit seinen Kindern verbringen anstatt nach der Arbeit täglich noch 8h für die Schule zu lernen und sein Abitur nachzumachen.
Als jemand der mit Kindern und Jugendlichen arbeitet, lässt sich aber schon feststellen, dass viele ihren Traumberuf eher in Jobs sehen, die zumindest oberflächlich betrachtet erst einmal wenig zeitintensiv, aber dafür gut bezahlt sind. Influencer, Streamer, Pornostar (no joke), Hoteltester..
Das sah in meiner Generation noch anders aus.
Viele Kids heutzutage sind sich auch bewusst, dass sie vermutlich nicht nur einen einzigen Job in ihrem Leben haben werden, sondern da flexibler sein müssen, aber große Lust viel zu arbeiten haben die wenigsten.
Und letztlich ist das eine Entscheidung die man für sich fällen muss:
Investiere ich viel Zeit und Ressourcen oder suche ich eine Nische wo ich vielleicht nicht so viel arbeiten muss aber trotzdem über die Runden komme? Wo ist die Balance zwischen Arbeit und Freizeit und sieht das nicht für jeden individuell vielleicht ganz anders aus?
Wenn Schiller da 80h im Apple HQ rumhängt, total Bock darauf hat die neuesten Produkte schon vorab zu testen und seine Ideen zu Vermarktung etc umzusetzen, an oberster Reihe in einem der wertvollsten Unternehmen der Welt zu stehen, Verantwortung zu tragen etc... wer sind wir denn das zu kritisieren? Ohne Einblick in seine ganze sonstige Situation? Er wird da mit Sicherheit nicht zu gezwungen. Er kann morgen aufhören zu arbeiten und sein Leben in Saus und Braus leben. Er macht das absolut freiwillig.
Und genauso dürfen doch andere Leute entscheiden, dass sie nur 20 oder 30 Stunden die Woche arbeiten wollen, wenn sie das bewerkstelligt kriegen. Es mag dann die Konsequenz haben, dass sie sich bestimmte Dinge nicht leisten können.
Das Leben ist einfach meist ein Kompromiss.
Aber irgendjemanden zu verurteilen, nur weil er/sie das Leben anders lebt, ist einfach sinnlos.
Dass es möglicherweise gesamtgesellschaftliche Konsequenzen hat, wenn sich die Arbeitswelt verändert, viele Menschen weniger arbeiten, kann man sich ja ausrechnen. Kann sich ja jeder selbst drauf vorbereiten, was Rente, Vorsorge angeht.