Benimmregeln sind ganz sicher wichtig bei einem Zusammentreffen verschiedener Kulturen, oder wenn es darum geht einen wichtigen Vertrag unter Dach und Fach zu bekommen. Aber bei einem Date sollte man schon man selbst sein. Mit allen Ecken und Kanten und nicht jemanden spielen, dessen Wesen man nicht länger als einen Abend oder die Zeit der Umwerbung aufrecht erhalten kann.
Das ist meiner Meinung nach verlogen.
Entweder man ist grundsätzlich aufmerksam gegenüber seiner Herzensdame (oder auch allen anderen Menschen), oder eben nicht,
Was nutzt es denn, wenn man sich in einen Menschen verliebt, der sich bis zur Unkenntlichkeit verdreht hat, und dem es auf die Zukunft gesehen einfach zu anstrengend wird, die Messlatte der Aufmerksamkeit so hochhalten zu können.
Ich bin so erzogen worden, von meinen Eltern und auch von der Gesellschaft in der ich mich bewegt habe, dass den Älteren und den Frauen ein gewisser Respekt entgegen gebracht werden sollte und man ihnen z.B. schwere Arbeiten abnimmt. Ebenso hält man beim Durchgehen für den nächsten (egal ob Mann oder Frau) die Tür auf und bietet vermeintlich "schwächeren" als man selbst, seine Vorteile an, die man ohne eine Leistung erbracht zu haben, erhalten hat. Dazu gehört es für mich meinen Sitzplatz frei zu machen, oder auf die Poleposition an der Supermarktkasse für einen älteren Menschen oder eine Mutter mit nörgelnden Kindern zu verzichten.
Ebenso setze ich allerdings auch meine Bedürfnisse durch, wenn ich nicht alleine unterwegs bin, sondern meine Kinder dabei habe.
Dann allerdings nicht für mich, sondern zum Vorteil meiner Kinder. Es kommt also sehr auf die Situation an, in der ich mich befinde.
Stehe ich mit meinen Kindern an der Kasse, oder sitze mit ihnen im Bus, so würde ich einen älteren Menschen (und ich meine damit einen offensichtlichen Senioren) sehr wohl vorlassen oder ihm meinen Platz anbieten, eine Mutti mit ihren Kindern hingegen hätte in dieser Situation keine Chance auch nur beachtet zu werden. Natürlich nicht abweisend, immer noch aufmerksam, aber eben nicht in dem Maße als wäre ich alleine unterwegs. Auch beachte ich Menschen nicht, die etwas wie selbstverständlich einfordern. Erzwungener Respekt oder Vorteilsnahme ist mir ein Graus und würde auch von mir öffentlich mit Ignoranz oder ein paar passenden Worten abgestraft.
"Wissen sie etwa nicht, was sich gehört?" wäre so ein Initialzünder dafür. Egal ob Frau, älterer Mensch oder sonst wer, wäre damit aus meiner Verlosung ausgeschlossen. Niemand muss sich meinen Respekt verdienen, wer ihn jedoch einfordert, der hat ihn verwirkt.
Meiner Frau halte ich i.Ü. auch heute noch die Tür auf, helfe ihr aus und in die Jacke oder den Mantel und stehe hinter ihrem Stuhl im Restaurant bis sie sich gesetzt hat. Allerdings wusste sie von unserem ersten Date an, dass es völlig normal ist, wenn gewisse Speisen wie z.B. Zwiebel- oder Paprikahähnchen auf dem Heimweg oder Verdauungsspaziergang gewisse Flatulenzen begünstigen, die auch den natürlichen Ausweg nehmen müssen. Ebenso schafft man es entgegen aller Behauptungen auch nicht immer nach den ersten gemeinsamen Nächten aufs heimische Klo, oder kann warten bis man zuhause wieder alleine ist.
Von meinem Teller wird nicht probiert, auf meinem Parkett werden die Schuhe ausgezogen und ich kratze mich auch am Sack, wenn es denn juckt. Vom ersten Tag an bis heute. Ich hab mich nie verstellt, nur entwickelt.
Wenn man alle Macken und Schrullen anfangs der Etikette halber unterbindet, dann wacht der andere unter Umständen irgendwann böse auf.
