Ich hasse Stammtischparolen, vereinfachte Aussagen oder populistische Meinungsverbreitung, doch zu diesem Thema muss ich einfach mal einen Satz los werden:
Wieso bekommt der zwei Jahre und Ackermann mit einem blauen Auge davon?
ich könnte schreien.
Das mit dem Ackermann hat folgende Bewandnis:
Erstens darf man nicht vergessen, dass sich Ackermann gar nicht selber bereichert hat. Das Geld, welches er in Form von Abfindungen verteilte, ging ja gar nicht an ihn, sondern an Esser und Co. Rein moralisch ist Ackermann daher von den Mannesmann-Angklagten am wenigsten vorzuwerfen gewesen. Juristisch sieht das allerdings anders aus: Da war es gerade er (der von der ganzen Sache gar keinen Vorteil gehabt hat), der, was den Vorwurf anbelangt, am schlechtesten gestellt war.
Das Mannesmann-Verfahren wurde nach §153a StPO eingestellt. 153a StPO sieht, vereinfacht gesagt, vor, dass ein Verfahren bei dem es um ein Vergehen geht (Vergehen ist nicht so schlimm wie Verbrechen --> unterschieden wird anhand der Strafandrohung) das Verfahren eingestellt werden kann, wenn die Schwere der Schuld nicht entgegensteht und kein öffentliches Interesse an der weiteren Strafverfolgung besteht.
Das ist ersteinmal geltendes Recht.
Der §153a ist nicht unumstritten, da die Regelung sehr "schwammig" ist. So ist z.B. nicht klar, was unter "öffentlichem Interesse" genau zu verstehen ist. Letztendlich steht es also im Ermessen des Richters zu entscheiden, ob eine Einstellung nach §153a stattfindet oder nicht.
Einige halten den §153a sogar für verfassungswidrig, da der zu unbestimmt ist und somit gegen das Grundgesetz verstößt.
Das Gericht im Mannesmann-Prozess hat das "öffentliches Interesse" vor allem als "ungeklärte Rechtsfragen" verstanden.
Dazu muss man wissen, dass es bei der Geschichte besonders auf 2 Dinge ankam:
1.) War das Verhalten von Ackermann überhaupt eine Untreue? Der BGH hat das in seiner Entscheidung grds. bejaht.
2.) War die Veruntreuung dem Ackermann auch persönlich vorwerfbar (das ist Voraussetzung für eine Verurteilung!)? Wie ist z.B. der Umstand zu würdigen, dass führende Anwälte und Jura-Profs ihm explizit versicherten, dass die Abfindungen rechtlich völlig ok waren?
Die Richter haben nun gesagt: Nur die erste Frage ist für die Öffentlichkeit von Belang, und die hat der BGH mit "Ja" beantwortet. Die 2. Frage ist noch ungeklärt, betrifft aber nur die persönliche Schuld, das hat die Öffentlichkeit nicht zu interessieren. Daher die Einstellung. Das kann man so sehen, muss man aber nicht.
Das 3,2 Mio EUR für Ackermann keine harte Strafe sind, das haben auch die Richter erkannt. Leider ist nach geltendem Recht keine höhere Geldstrafe für solche Fälle möglich. Die Richter haben da das Maximum ausgeschöpft. Diese Vorschrift stammt eben noch aus einer Zeit, als es noch keine Top-Manager mit 10Mio+ Jahresgehalt gab. Da müsste, das sagen auch die Richter, der Gesetzgeber mal nachbessern.
Was man nicht vergessen darf, und das ist in der öffentlichen Diskussion leider etwas in den Hintergrund geraten:
Bei dem Mannesmann-Prozess ging es
NIE um die Höhe der Abfindungen!!! Das ca. 60 Mio Abfindung moralisch vielleicht unverständlich erscheinen, ist juristisch völlig irrelevant.
Das Problem war nur, dass diese Abfindungen VERTRAGLICH nicht vorgesehen waren, also keine Rechtsgrundlage dafür bestand.
Wäre das ganze vorher im Vertrage geregelt worden, dann hätte Ackermann auch 100 Milliarden EUR verteilen können, ohne sich auch nur im geringsten strafbar zu machen. Andersherum: Hätte Ackermann statt 60 Mio nur 1000,- EUR an Abfindung verteilt, wäre das genauso Untreue gewesen. Mit der HÖHE der Abfindungen hatte der Prozess, auch wenn's beim juristischen Laien Kopfschütteln hervorrufen mag, nie etwas zu tun.
Obszön hohe Gehälter oder Abfindungen sind eben an sich noch nicht strafbar.
...und wenn jetzt häufiger der Satz auftaucht "Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen", dann sollte man auch bedenken, dass man "die Großen" eben auch nicht nur allein deshalb verurteilen darf, weil sie eben die "Großen" sind. Sie müssen die gleiche Chance auf Freispruch oder Einstellung des Verfahrens haben wie "die Kleinen".
Ich finde das Verhalten von Ackermann & Co. moralisch betrachtet auch ziemlich pervers und obszön. Nur: Das Strafrecht ist eben nicht das richtige Mittel (und soll es auch nicht sein), so etwas zu ahnden...
my 2 cents, lg
Stefan