Achtung, längerer Text. Wenn es langweilt, einfach ignorieren.....
Da man ja behauptet, ich wäre ignorant gegenüber ambitionierten Sportlern und deren Sicht auf die Apple Watch, würde ich dann doch einmal gerne meine Sicht auf dieses Thema erläutern. Ich beziehe mich hierbei übrigens auf den aktuellen Stand der Watch mit watchOS 1.1 und nicht auf kommende Funktionen mit watchOS 2 und native Apps mit Zugriff auf die Sensoren. Auch wird die Watch als "Stand-alone" Gerät ohne mitgeführtes iPhone bewertet.
Ich finde es vereinfacht die Vorgehensweise wenn man sich der Thematik nicht einfach über das Aufzählen von Funktionen, sondern über Anforderungsprofile nähert. Daher beschreibe ich mal einfach drei denkbare Gruppen von Benutzern und deren Anforderungen gespiegelt am Konzept der Watch. Mir ist bewusst, dass das nur eine Annäherung sein kann und es natürlich viele Überscheidungen und Graustufen zwischen den Gruppen gibt, aber ich glaube damit kann ich meine Sicht auf das Thema besser darstellen...
Gruppe 1: die leistungsorientierten Sportler
Hiermit meine ich Menschen, die typischerweise fast jeden Tag in der Woche Sport treiben und das ganze als eine selbstverständliche Gewohnheit betrachten. Diese Gruppe zeichnet sich durch einen natürlichen Bewegungsdrang aus, zu lange Untätigkeit und Ruhe verursacht fast schon körperliches Unwohlsein.
Diese Sportler haben ambitionierte Ziele in ihrer jeweiligen Sportart und wollen beim Trainieren ihren Leistungsstand festhalten, auswerten und bzgl. Maßnahmen zur Leistungssteigerung analysieren.
Gruppe 2: die ambitionierten Sportler
Hier wird auch mehrfach die Woche Sport getrieben, Fortschritte sind das erklärte Ziel und die Trainingsdaten werden regelmäßig betrachtet und spielen eine Rolle für die Planung der weiteren Trainingseinheiten.
Gruppe 3: die Fitness-Jäger
Hier tummeln sich gleich mehrere Gruppen von Menschen. Zum einen diejenigen, die schon lange Zeit keinen Sport (auf ambitionierten Level) mehr getrieben haben aber wieder damit anfangen. Zum anderen aber auch die, die zwar meistens ein paar Einheiten Sport die Woche treiben, bei denen es aber noch nicht zur regelmäßigen und unverzichtbaren Routine geworden ist.
Beide Gruppen streben neben den regelmäßigen Sporteinheiten aber auch noch eine insgesamt aktivere Lebensweise an und wollen auch im Alltag mehr Aktivität als Passivität umsetzen.
Die Funktionen der Watch gespiegelt an den Anforderungen der Gruppen:
Gruppe 1: Ich glaube wir kommen schnell zu der Schlussfolgerung, dass die Watch kein adäquates Gerät für diese Gruppe ist. Es fehlt GPS zur genauen Aufzeichnung der zurückgelegten Strecke, die erfassten Daten der Activity-App lassen sich nur sehr schwer auswerten und eine genaue Analyse in Korrelation mit dem aufgezeichneten Puls ist auch nicht möglich. Diese Gruppe wird zu spezialisierten und professionellen Geräten (Polar, Garmin, etc.) greifen, oder ein iPhone in Kombination mit einer guten App (z.B. RunTastic, Strava) in Kombination mit einem Brustgurt zur Pulsmessung benutzen.
Gruppe 2: Wenn es dem einzelnen Benutzer nicht so sehr darauf ankommt, ob es bei den zurückgelegten 10 Km eine Abweichung zwischen Watch und GPS von einem kleineren, einstelligen Prozentbereich ankommt, dann kann die Watch durchaus das Trainingsgerät der Wahl sein. Hier kommt es auch darauf an, welchen Sport man betreibt. Schwimmer werden nicht besonders glücklich sein, Kraftübungen im Gym lassen sich auch nicht besonders aussagefähig messen. Wer Fahrrad fährt oder läuft, der kann einigermaßen verlässliche Daten über zurückgelegte Strecke und Zeit erhalten, das ist dann auch schon weitgehend alles.
Gruppe 3: Dies ist meiner Meinung nach momentan (warten wir die Entwicklung mit OS 2 mal ab) die wahre Zielgruppe der Watch wenn es um Bewegung und Fitness geht. Das Ringsystem ist für die Gruppe 1 und 2 irrelevant, da die vorgegebenen Trainingszeiten und Bewegungskalorien weit unter den eigenen Ansprüchen liegen. Höchstens das stündliche Stehziel kann auch einen Nutzen für Sportler stiften, die ansonsten auch sehr viel sitzende Tätigkeiten im Alltag verbringen.
Für diejenigen, die ansonsten ihren Alltag mit Auto->Büro->Tiefgarage->Couch verbringen, kann das Ringsystem schon ein kleiner Kick Richtung mehr regelmäßiger Aktivität sein. Ein optisch und akustisch verfügbares Zielsystem motiviert einige Menschen nun einmal dazu, die Tagesziele auch zu erfüllen. Und für diese Gruppe ist jeder Schritt, jede Treppe, jedes Stehen mehr ein wichtiger Erfolg und eine Bewegung in die richtige Richtung. Egal wie dämlich sich das für einen ambitionierten Sportler anhören mag.
Und wem es egal ist ob er 5,6 (schlechter Tag) oder 6,1 Km (guter Tag) gelaufen ist, weil es ihn mehr interessiert dreimal die Woche eine Outdoor-Aktivität mit einer bestimmten Dauer, also eine gewisse Regelmäßigkeit sportlicher Aktivitäten in den Alltag zu bringen, der ist mit der Activity-App und den Trainingszusammenfassungen auch gut bedient.
Ich finde die Positionierung der Apple Watch Sport vom Namen her ein wenig unglücklich, da sie nun einmal nur sehr begrenzte Möglichkeiten für Aufzeichnung und Analyse von sportlichen Aktivitäten mitbringt. Vielleicht wäre "Motion", oder "Flow" ein geeigneterer Zusatzname gewesen. Auch wenn der Name eigentlich nur in Abgrenzung zu den beiden anderen Modellen steht, er weckt natürlich Erwartungen an die Funktionen professioneller Sportgeräte, der er nicht gerecht wird.