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EKG mit der Apple Watch 4 – Marketing oder tatsächlich hilfreich?
Mit den neuen Herzüberwachungsfunktionen der Apple Watch Series 4 entwickelt sich das Wearable von der Smartwatch hin zu einem Medizingerät. Die Möglichkeit eine EKG-Messung durchzuführen, hat während der Vorstellung der neuen Apple Watch für viel Aufsehen gesorgt. Fast wäre das Feature bei der Präsentation gar nicht erwähnt worden, denn die Zulassung kam offenbar erst kurz vor der Vorstellung. Sicher ist die Messung der Herzfrequenz mit einer Uhr ein innovativer Schritt, doch die von Apple vielgelobte Funktion hat Grenzen und stößt auch auf Kritik.
FDA-Zertifizierung in letzter Minute
Als Apple-COO Jeff Williams beim September-Event auf der Bühne des Steve Jobs Theatre nicht nur die EKG-Funktion erklärte, sondern auch die entsprechende Zulassung durch die US-Arzneimittelbehörde FDA verkündete, applaudierten die Besucher der Apple-Vorstellung. Die Zertifizierung ist wichtig, zeigt sie doch, dass medizinische Standards erfüllt werden - zudem ist es gute Werbung. Fast wäre dieses Highlight ausgeblieben. So schreibt Mark Sullivan vom US-Magazin Fast Company, dass die FDA-Zulassung für die Herzüberwachungsfunktionen der Apple Watch erst kurz vor der Präsentation erfolgt sei.
Die Aufregung war durchaus berechtigt. Die Genehmigung der zuständigen US-Behörde FDA wurde am 11. September, und damit am Vortag des Apple-Events, erteilt. Die Vorgaben für die Zulassung als Medizingerät sind relativ hoch. Gerüchten zufolge hat die entsprechende Genehmigung den Marktstart von Philips' Gesundheitsuhr verzögert.
Dabei wurde weder die Apple Watch selbst geprüft, noch handelt es sich streng genommen um eine Zulassung. Der Prüfung unterlag lediglich die EKG-App. Diese ist nach Klasse 2 des dreistufigen FDA-Einteilungssystems zertifiziert worden. Hier sind die Anforderungen weniger streng als für die anspruchsvollere Klasse-3-Zertifizierung. Demnach hat die FDA das EKG-Feature auch nur freigegeben und nicht nach einer strengeren Prüfung zugelassen.
Aufgrund des aufwendigen Prozesses und den unterschiedlichen Voraussetzungen je Land wird die EKG-Messung mit der neuen Apple Watch zunächst nur in den USA möglich sein. Der Start wurde für 2018 angekündigt, ein Release in Deutschland oder übrigen Ländern ist unbekannt. Gut möglich, dass Apple die Funktion zunächst in den USA testet und so weiter an Erfahrung und Daten sammelt. Hierzu passt die Apple Herz-Studie, die das Unternehmen aus Cupertino zusammen mit der medizinischen Fakultät der Universität Stanford durchgeführt hat. Ohnehin taugt die EKG-Messung der neuen Apple Watch kaum als herzmedizinische Wunderwaffe.
EKG-Messung der Apple Watch nur Info, keine Diagnose
Die Idee, wichtige medizinische Geräte nun sogar einfach am Handgelenk zu tragen, ist faszinierend. Hat Apple es tatsächlich geschafft, das Krankenhaus-EKG mit der EKG-Funktion der neuen Apple Watch überflüssig zu machen? Betrachtet man die technischen Fakten, zeigen sich die Möglichkeiten des Features deutlich. Die Smartwatch ermittelt die Herzdaten mit einem 1-Kanal-EKG durch einfaches Fingerauflegen. Genau werden Herzfrequenz und der Grundrhythmus gemessen. In Kliniken sind 12-Kanal-Geräte üblich, die deutlich mehr Werte anzeigen und damit aussagekräftiger sind. Die FDA-Zulassung zeigt deutlich, wie die EKG-Messung der Uhr einzuordnen und die ermittelten Werte einzuschätzen sind.
Die EKG-Messung der Apple Watch hat demnach eine rein informative Funktion. Ohnehin sind nur Hinweise zu möglichem Herzrhythmusstörungen möglich. Sicher ist das hilfreich, wie hoch der tatsächliche praktische Wert ist, muss sich allerdings erst zeigen.
Tatsächlicher medizinischer Nutzen nun zu belegen
Auch deutsche Ärzte haben sich zu den Herzüberwachungsfunktionen der neuen Apple Watch geäußert. So veröffentlichte die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DGK) eine erste Einschätzung zu der EKG-Funktion der Smartwatch. Die Kernaussage ist eindeutig: "Die neue Apple Watch 4 kann mit ihrer neuen EKG-Funktion Herzrhythmusstörungen wie Vorhofflimmern früh erkennen. Doch auch wenn erste Studien die Verlässlichkeit des Devices stützen, birgt die Interpretation der Messergebnisse Risiken.“
Die Mediziner sehen die Möglichkeit, schwerere Erkrankungen durch eine frühzeitige Feststellung von Herzrhythmusstörungen zu erkennen. Wie akut die Gefährdung wirklich ist, lasse sich aber nur durch eine gründliche medizinische Untersuchung feststellen. Voruntersuchungen zeigen laut DGK eine 95-prozentige Übereinstimmung von Fällen, bei denen ein Vorhofflimmern durch die Apple Watch festgestellt wurde und klinisch dokumentierten Fällen.
Die Experten zweifeln nicht an der Möglichkeit, Herzerkrankungen rechtzeitig festzustellen. Zusammen mit einer ärztlichen Betreuung kann die Apple Watch hilfreich sein. Wie genau die Messungen sind, und welche tatsächlichen Vorteile die EKG-Funktion der Apple Watch hat, sei aber fraglich. Dafür seien Studien erforderlich. „Bevor auf dieser Datenbasis konkrete Handlungsempfehlungen ausgesprochen werden können, beispielsweise die Einleitung einer Antikoagulation bei asymptomatischen Patienten mit einem in der Apple Watch 4 detektierten Vorhofflimmern, sind noch umfangreiche klinische Folgestudien notwendig.“, so Professor Dr. Peter Radke von der DGK.
EKG-Messung doch nur Apple-Marketing?
Wie belastbar Apples Aussagen sind, fragt sich auch Joy Victory von Healthnewsreview.org. Welche Daten Apple der FDA für die Zulassung vorgelegt hat, sei offen. Dazu sei die Zertifizierung im Rahmen eines neuen Programms für die Zulassung von Apps als Medizingeräte erfolgt. Hier seien die schwachen FDA-Standards für medizinische Geräte noch schwächer. Jeff Williams' Bezeichnung der Apple Watch als „ultimativer Schutzengel für die Gesundheit“ sei fragwürdig.
Apple bei EKG-Messung doch nicht auf Platz 1
So mag sich zeigen, dass Apple mit der Vision über bessere Gesundheit durch featurereiche Alltagstechnik recht hat. Mit einer Aussage lag Apple-COO Jeff Williams allerdings falsch. „Die Apple Watch ist das erste EKG-Gerät für Privatnutzer direkt von der Ladentheke.“, verkündete der Apple-Manager stolz. Im wenige Kilometer entfernten Mountain View wird die Reaktion hierauf verwundertes Staunen gewesen sein. Das dort ansässige Unternehmen AliveCor arbeitet an EKG-Messern für den Alltag, entsprechende Geräte sind bereits auf dem Markt. Das Kardia Band für die Apple Watch gibt es schon seit zwei Jahren - mittlerweile auch in Deutschland. So schwankt Apple mit der sehr guten Idee über bessere Gesundheit durch Technik zwischen Marketing und tatsächlichem Nutzen. Nicht neu, aber reichweitenstark präsentiert.
via FastCompany, Deutsche Gesellschaft für Kardiologie, Healthnewsreview.org
Mit den neuen Herzüberwachungsfunktionen der Apple Watch Series 4 entwickelt sich das Wearable von der Smartwatch hin zu einem Medizingerät. Die Möglichkeit eine EKG-Messung durchzuführen, hat während der Vorstellung der neuen Apple Watch für viel Aufsehen gesorgt. Fast wäre das Feature bei der Präsentation gar nicht erwähnt worden, denn die Zulassung kam offenbar erst kurz vor der Vorstellung. Sicher ist die Messung der Herzfrequenz mit einer Uhr ein innovativer Schritt, doch die von Apple vielgelobte Funktion hat Grenzen und stößt auch auf Kritik.
FDA-Zertifizierung in letzter Minute
Als Apple-COO Jeff Williams beim September-Event auf der Bühne des Steve Jobs Theatre nicht nur die EKG-Funktion erklärte, sondern auch die entsprechende Zulassung durch die US-Arzneimittelbehörde FDA verkündete, applaudierten die Besucher der Apple-Vorstellung. Die Zertifizierung ist wichtig, zeigt sie doch, dass medizinische Standards erfüllt werden - zudem ist es gute Werbung. Fast wäre dieses Highlight ausgeblieben. So schreibt Mark Sullivan vom US-Magazin Fast Company, dass die FDA-Zulassung für die Herzüberwachungsfunktionen der Apple Watch erst kurz vor der Präsentation erfolgt sei.
„ Zufällig hörte ich einen Apple-Mitarbeiter nach der Presseveranstaltung vor dem Steve Jobs Theater aufgeregt über das beinahe Ausbleiben der FDA-Zulassung sprechen.“ - Mark Sullivan
Die Aufregung war durchaus berechtigt. Die Genehmigung der zuständigen US-Behörde FDA wurde am 11. September, und damit am Vortag des Apple-Events, erteilt. Die Vorgaben für die Zulassung als Medizingerät sind relativ hoch. Gerüchten zufolge hat die entsprechende Genehmigung den Marktstart von Philips' Gesundheitsuhr verzögert.
Dabei wurde weder die Apple Watch selbst geprüft, noch handelt es sich streng genommen um eine Zulassung. Der Prüfung unterlag lediglich die EKG-App. Diese ist nach Klasse 2 des dreistufigen FDA-Einteilungssystems zertifiziert worden. Hier sind die Anforderungen weniger streng als für die anspruchsvollere Klasse-3-Zertifizierung. Demnach hat die FDA das EKG-Feature auch nur freigegeben und nicht nach einer strengeren Prüfung zugelassen.
Aufgrund des aufwendigen Prozesses und den unterschiedlichen Voraussetzungen je Land wird die EKG-Messung mit der neuen Apple Watch zunächst nur in den USA möglich sein. Der Start wurde für 2018 angekündigt, ein Release in Deutschland oder übrigen Ländern ist unbekannt. Gut möglich, dass Apple die Funktion zunächst in den USA testet und so weiter an Erfahrung und Daten sammelt. Hierzu passt die Apple Herz-Studie, die das Unternehmen aus Cupertino zusammen mit der medizinischen Fakultät der Universität Stanford durchgeführt hat. Ohnehin taugt die EKG-Messung der neuen Apple Watch kaum als herzmedizinische Wunderwaffe.
EKG-Messung der Apple Watch nur Info, keine Diagnose
Die Idee, wichtige medizinische Geräte nun sogar einfach am Handgelenk zu tragen, ist faszinierend. Hat Apple es tatsächlich geschafft, das Krankenhaus-EKG mit der EKG-Funktion der neuen Apple Watch überflüssig zu machen? Betrachtet man die technischen Fakten, zeigen sich die Möglichkeiten des Features deutlich. Die Smartwatch ermittelt die Herzdaten mit einem 1-Kanal-EKG durch einfaches Fingerauflegen. Genau werden Herzfrequenz und der Grundrhythmus gemessen. In Kliniken sind 12-Kanal-Geräte üblich, die deutlich mehr Werte anzeigen und damit aussagekräftiger sind. Die FDA-Zulassung zeigt deutlich, wie die EKG-Messung der Uhr einzuordnen und die ermittelten Werte einzuschätzen sind.
"Die von der EKG-App gezeigten EKG-Daten sind nur als Hinweis gedacht. Der Nutzer soll ohne Rücksprache mit einem qualifizierten Mediziner die Angaben nicht deuten oder medizinische Schritte einleiten.“ - FDA
Die EKG-Messung der Apple Watch hat demnach eine rein informative Funktion. Ohnehin sind nur Hinweise zu möglichem Herzrhythmusstörungen möglich. Sicher ist das hilfreich, wie hoch der tatsächliche praktische Wert ist, muss sich allerdings erst zeigen.
Tatsächlicher medizinischer Nutzen nun zu belegen
Auch deutsche Ärzte haben sich zu den Herzüberwachungsfunktionen der neuen Apple Watch geäußert. So veröffentlichte die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DGK) eine erste Einschätzung zu der EKG-Funktion der Smartwatch. Die Kernaussage ist eindeutig: "Die neue Apple Watch 4 kann mit ihrer neuen EKG-Funktion Herzrhythmusstörungen wie Vorhofflimmern früh erkennen. Doch auch wenn erste Studien die Verlässlichkeit des Devices stützen, birgt die Interpretation der Messergebnisse Risiken.“
Die Mediziner sehen die Möglichkeit, schwerere Erkrankungen durch eine frühzeitige Feststellung von Herzrhythmusstörungen zu erkennen. Wie akut die Gefährdung wirklich ist, lasse sich aber nur durch eine gründliche medizinische Untersuchung feststellen. Voruntersuchungen zeigen laut DGK eine 95-prozentige Übereinstimmung von Fällen, bei denen ein Vorhofflimmern durch die Apple Watch festgestellt wurde und klinisch dokumentierten Fällen.
„Die Apple Watch sollte nicht als Ersatz für einen Besuch beim Arzt verwendet werden, sondern kann vielmehr helfen, relevante Herzrhythmusdaten aufzuzeichnen und einen betreuenden Arzt in der Diagnostik zu unterstützen.“ - Professor Dr. med. Thomas Deneke, DGK
Die Experten zweifeln nicht an der Möglichkeit, Herzerkrankungen rechtzeitig festzustellen. Zusammen mit einer ärztlichen Betreuung kann die Apple Watch hilfreich sein. Wie genau die Messungen sind, und welche tatsächlichen Vorteile die EKG-Funktion der Apple Watch hat, sei aber fraglich. Dafür seien Studien erforderlich. „Bevor auf dieser Datenbasis konkrete Handlungsempfehlungen ausgesprochen werden können, beispielsweise die Einleitung einer Antikoagulation bei asymptomatischen Patienten mit einem in der Apple Watch 4 detektierten Vorhofflimmern, sind noch umfangreiche klinische Folgestudien notwendig.“, so Professor Dr. Peter Radke von der DGK.
EKG-Messung doch nur Apple-Marketing?
Wie belastbar Apples Aussagen sind, fragt sich auch Joy Victory von Healthnewsreview.org. Welche Daten Apple der FDA für die Zulassung vorgelegt hat, sei offen. Dazu sei die Zertifizierung im Rahmen eines neuen Programms für die Zulassung von Apps als Medizingeräte erfolgt. Hier seien die schwachen FDA-Standards für medizinische Geräte noch schwächer. Jeff Williams' Bezeichnung der Apple Watch als „ultimativer Schutzengel für die Gesundheit“ sei fragwürdig.
Apple bei EKG-Messung doch nicht auf Platz 1
So mag sich zeigen, dass Apple mit der Vision über bessere Gesundheit durch featurereiche Alltagstechnik recht hat. Mit einer Aussage lag Apple-COO Jeff Williams allerdings falsch. „Die Apple Watch ist das erste EKG-Gerät für Privatnutzer direkt von der Ladentheke.“, verkündete der Apple-Manager stolz. Im wenige Kilometer entfernten Mountain View wird die Reaktion hierauf verwundertes Staunen gewesen sein. Das dort ansässige Unternehmen AliveCor arbeitet an EKG-Messern für den Alltag, entsprechende Geräte sind bereits auf dem Markt. Das Kardia Band für die Apple Watch gibt es schon seit zwei Jahren - mittlerweile auch in Deutschland. So schwankt Apple mit der sehr guten Idee über bessere Gesundheit durch Technik zwischen Marketing und tatsächlichem Nutzen. Nicht neu, aber reichweitenstark präsentiert.
via FastCompany, Deutsche Gesellschaft für Kardiologie, Healthnewsreview.org
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