Zur RCDS-Loriot-isierung
Ich habe Anfang der 90er ein mehrjähriges Gastspiel an der Kölner Uni gehabt (von einem regulären Jura-Studium kann man dabei vielleicht nicht ganz sprechen, von einem Abschluss ganz und gar nicht). Dort habe ich mich ein wenig für die »politische Landschaft« interessiert und schnell festgestellt, dass die dortige Studentenparlamentspolitik eine Verstärkung der Bundespolitik darstellte, da die Wahlbeteiligung seinerzeit nur bei ca. 27 % lag. So wurden die so genannten Parteien, und vor allem die RCDS entweder sehr belächelt, oder zur intensiven Netzwerkbildung genutzt. Dabei vermittelten die Jungs von der RCDS immer ein wenig den Eindruck von Menschen, die für Geld alles tun würden, solange sie es nicht selber tun müssten. Das »liberale Kaffeekränzchen« der JuLis war zwar ein wenig sympathischer, aber vermutlich nur ständig auf dem Weg zur RCDS. Alle anderen Gruppierungen waren entweder lächerlich (Maoisten/Leninisten) oder sie wurden gewählt (so wie die JuSos und die Grünen), was den angenehmen Vorteil hatte, dass man zumindest von diesen herrschenden Klassen für die kommende Legislaturperiode nie wieder etwas hörte.
Dies zeigte auch dem ungeübten Betrachter recht schnell, dass es nicht darum ging, die Interessen von allen Studenten zu vertreten, sondern vielmehr waren es »Krabbelgruppen« späterer »Seilschaften« (in Köln Karnevalsvereine genannt), da nur diese ein wenig mehr Sicherheit für die spätere Berufswahl und Karriere versprachen. Und da war es allen Parteien nur recht, Kontakte zu Extremen zu pflegen, nicht offiziell aber praktisch, ganz nach dem Motto »man weiß ja nie, wozu man die mal brauchen könnte«. Natürlich war das nicht repräsentativ für die gesamte Studentenschaft, da ja nur rund 25 Prozent zur Wahl gingen; der Rest interessierte sich vermutlich mehr für andere Dinge.
Ich glaube kaum, dass die dortigen »Parteien« ein großes Interesse daran hatten, die Gruppierungen von Rechtsaußen effektiv zu bekämpfen, den schließlich sorgten diese seltsamen Verbindungen, die mit den Farben alter Kriegsflaggen (Schwarz-Weiß-Rot) und Alt-Germanismen für sich warben, für ihre eigene deutliche Definition, und so war das Feinbild klar definiert.
Die Studenten von damals sind heute (hoffentlich) nicht mehr an der Uni, sondern sicherlich auch in einigen Fällen in der Politik tätig. Ich glaube auch in dieser Riege weiß man die Vorteile von Buhmännern und Teufeln zu schätzen, solange diese nicht die eigene Macht gefährden, sondern unwichtig aber bekannt genug sind, sich selbst als Rechtschaffen darstellen zu können.
Daher bin ich immer ein wenig misstrauisch, wenn solche Diskussion, zum Beispiel über Neo-Nazis, zu Diskussionen über kleinere Details wie die Nähe oder Ferne der RCDS zu schlagenden Verbindungen und damit zu Neo-Nazis ausarten. Ich glaube, das die einzig wertvolle Diskussion darüber geführt werden sollte, wie Neo-Nazi-Strukturen entstehen, und was man dagegen tun kann. Hier sehe ich eine weltoffene Bildung als heilbringenstes Mittel, denn wer einmal in einem fremden Land lebte, und sei es nur während eines Schüleraustausches in Frankreich, Polen oder Österreich, sieht schnell, dass die Parolen der Extremisten nur aus dem Unwissen heraus funktionieren können.
Für mich waren Aufenthalte in Frankreich und England in Kindheit und Jugend ungemein hilfreich für mein Weltbild und man wird immun gegen Pauschalierungen und Hetze.