Wir wollen alle billig und sind dann bestürzt über die Bedingungen der Beschäftigten.
Meine Beobachtung ist, dass viele Bekannte und Freunde (und mich, seit ich Familienvater bin eingeschlossen), aus wirtschaftlichen Gründen gezwungen sind, einen immer größeren Anteil preisgünstig einkaufen zu müssen, um den Lebensstandard nicht zu stark zu senken (vom Halten will ich hier im Ruhrgebiet gar nicht sprechen).
Was ich in den Geschäften beobachte ist, dass viele Waren, die zuvor in Deutschland produziert wurden, mittlerweile in China hergestellt werden, ohne dass sich dies im Preis niederschlägt. Produktionen werden also auch für Produkte ausgelagert, obwohl der Endverbraucher einen höheren Preis als für Billigprodukte bezahlen.
Letztlich ist das alles Heuchelei, Firmen wollen, nein, sie müssen Geld verdienen, und wir wollen möglichst viel für unser Geld bekommen. Die schlimmsten Heuschrecken sind die Verbraucher, habe ich vor kurzem in einem Essay gelesen, und ich finde durchaus etwas Wahres daran. Doch auch dem Verbraucher kann man das nicht vorwerfen, besonders dem nicht, der von wenig leben muss und dennoch seinen gesellschaftlichen Status zu wahren sucht.
Was war zuerst da: die Henne oder das Ei? Wurden zuerst die Produkte ins Ausland verlagert oder haben zuerst die Verbraucher ihre Kleidung bei Aldi gekauft? Ich gehe davon aus, das der Essay in einer Wirtschaftszeitung zu finden war. Natürlich ist der böse Verbraucher Schuld. Aus Sicht der Unternehmer.
Die Realität des arbeitenden Durchschnittsbürgers dürfte Deinem letzten, oben zitierten Satz entsprechen. Trotz nominaler Lohnzuwächse ist der Lebensstandard gesunken. Viele Fahrer der BMW, die Du heute vor dem Aldi siehst, mussten sich erst überwinden. Mittlerweile ist es für sie normal. Der reale Einkommensverlust ist auch statistisch belegt - nicht wenige, haben einen Kaufkraftverlust im
zweistelligen Prozentbereich erlitten.
Und nun blicken wir nach Fernost und in die USA, beides weit weg. Wir wollen iPhone und iMac und iPod und MacBook und all die anderen schönen Sachen von Apple und das bitte nicht zu teuer... eine Firma wie Apple hat am Ende keine Wahl, muss mit Image und Umsatz jonglieren, ein schmaler Grad, und abstürzen kann man schnell, der Verbraucher kennt kein Mitleid.
Wer bitte hat da am Ende die Verantwortung? Ja, Apple, aber letztlich doch der Kunde, der Endverbraucher, der Markt, der Apples Handelsspielraum bestimmt und das Verhalten einfordert. Ja, wir Verbraucher müssen gute Arbeitsbedingungen und ökologisches Handeln über lauten Protest und Konsumverhalten einfordern. Das kann jeder: Rufen und (wenngleich nicht ganz so leicht) verzichten. Insofern ist der Artikel am Ende meines Gedanken doch nicht so verkehrt, wie ich an seinem Beginn dachte...
Ich maße mir an zu behaupten, wer einen iMac für 1.400,- Euro einem Komplettrechner mit ähnlicher Leistungsfähigkeit (von der Software abgesehen) mit zusätzlichem Monitor für 600 bis 800 Euro vorzieht, gehört nicht zu den Vebrauchern, die "billig, billig" schreien. Und die Bilanz von Apple scheint mir Recht zu geben in der Vermutung, dass Apple durchaus auf faire Produktionsbedignungen achten zu können, ohne wirklich in Existenznöte zu geraten. Den Verbrauchern wird gerne vorgeworfen, alles möglichst billig haben zu wollen (was gar nicht stimmt!). Über die Renditeerwartungen von Managern und Kapitalgebern, die jegliche Bodenhaftung verloren haben, wird sich kaum geäußert. Ich erinnere mich noch, als vor wenigen Jahren Thyssen-Krupp eine Sonderprämie an die Mitarbeiter ausschüttete, weil die Eigenkapitalrendite über 9 Prozent lag -- das gab es bislang noch nie in der Unternehmensgeschichte. Im selben Jahr kündigte die Telekom einen Personalabbau und weitere Einsparungen an, weil die Eigenkapitalrendite "nur" knapp über 40 Prozent lag (im Gegensatz zu Vodafone, deren Eigenkapitalrendite um die 50 Prozent betrug).
Ganz zum Schluss, wenn es um Produktionsstandorte geht: im hoch automatisierten Deutschland betragen die Lohnstückkosten, die ja immer gerne als Argument für die Standortverlagerung genannte werden, in der Regel weniger als 10 Prozent.
Wer die Verantwortung trägt? Der Auftraggeber. Apple verlangt Premiumpreise am Markt und bekommt sie auch. Die Verbraucher dürfen erwarten, für den Aufpreis nicht nur Design ein Mac OS mit iLife zu bekommen. Apple kann selbst herstellen oder die Produktion an einen Auftragsfertiger vergeben. Wenn ich eine U-Bahn baue, bin ich als Auftraggeber auch gefordert sicherzustellen, dass mein Auftragnehmer meine Vorgaben, die ich an den rechrtlichen Vorschriften ausgerichtet habe, entsprechend umsetzt. Denn sonst bin ich es, der die erforderliche Betriebserlaubnis nicht bekommt. Nicht die Baufirma. Oder so.
Phil o'Soph