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Moin!
Um den "Ich habe was neues"-Thread nicht zuzuspammen, mal ein Spin-Off dazu - und ich packe das ganze mal nicht in den normalen "Diskussionsthread", da es hier um ein eigenständiges Thema geht, was vielleicht allgemein zur Diskussion rund um solche Themen einlädt.
Nun aber mal zum Thema:
Kurzfassung: Wie ich gestern, nach so einigen, einigen, einigen, Gesprächen bestätigt bekommen habe, liege ich im sog. "Autismus-Spektrum" oder auch "Autismus-Spektrum-Störung" (ASS) oder mittlerweile auch in letzter Zeit "Neuro-Diversität".
Den meisten sind dann unter dem Begriff des Autismus wohl am ehesten die krassen Fälle bekann: Rainman oder Inselbegabte, die kaum selbst lebensfähig sind, aber irgendwelche Begabungen besitzen, wie ganze Skylines detailgetreu aus dem Gedächtnis nachzeichnen zu können oder komplexe Matheaufgaben "einfach so" lösen zu können. Teilweise häufig sogar falsch dem Autismus zugeordnet. Alles aber natürlich nur Extrembeispiele.
Hier ist der Begriff des Spektrums sehr hilfreich: Es ist also ein weites Feld. Es gibt viele Symtome, also z.B. Verhaltensweisen, die auf ASS hinweisen, aber auch einfach "normal" sein können. Klassisches Beispiel: Viele Autisten haben Probleme mit Smalltalk. Es gibt aber auch welche, bei denen das nur sehr schwach auftritt, umgekehrt viele "normale" Leute, die damit ebenso Probleme haben. Es gibt also einen bunten Strauss an an Symptomen. Da kann ich empfehlen, einfach mal ein wenig quer zu lesen, wenn es interessiert.
Wie kam es also nun bei mir dazu?
Ich habe in den letzten Jahren, basierend auf Gesprächen, Feedback zu bestimmten Situationen, Selbstreflektion etc. pp. gespiegelt bekommen, dass es viele Situationen gibt, in denen ich, sagen wir, "sozialuntypisch" handle:
Aus vielen, vielen kleineren und größeren Themen heraus kam daher der Verdacht auf, dass dort "irgendwas" sein könnte. Das wurde flankiert dadurch, dass ich in recht kurzer Zeit von mehreren Personen mit med. Hintergrund bzw. mit persönlichen Erfahrungen mit Menschen "im Spektrum" angesprochen wurde, ob es sein könnte bzw. seit wann ich im Spektrum sei.
Und damit war für mich klar - ganz ergebnisorientiert: Lass das prüfen. Wenn es das (oder was anderes) ist, ist das vollkommen in Ordnung. Aber gibt mir die Möglichkeit, ggf. damit umzugehen. Denn es gibt viele Bereiche, wo ich wenigstens das Gefühl habe, dass ich mir selbst im Weg stehe, das Leben schwer mache oder vielleicht sogar drunter leide - und umgekehrt natürlich auch, dass ich anderen Leuten damit ggf. Dinge antue, die so nicht gewollt sind.
Der Rest ist dann mittlerweile Historie: Es folgten Termine, Gespräche, Auseinandersetzungen, ... und letztlich die Einordnung. Und das ist für mich vollkommen fein und tatsächlich gut.
Die nächsten Schritte sind dann eine dauerhafte verhaltenspsychologische Therapie. Zielsetzung ist hier letztlich, die Verbesserung der sozialen Kompetenzen, Förderung von Empathie, Verständnis von Gesten, etc. pp.
Tjoar, das mal als Abriss dazu. Ich lasse es einfach mal so stehen - und wenn es Fragen gibt, einfach raus damit. Es sind für mich eher 1.000 Kleinigkeiten und daher nicht einfach möglich, einfach nur mal schnell ein paar "große" Beispiele zu benennen.
Und nun noch zu den ursprünglich schon im anderen Thread gestellten Rückfragen:
Zunächst mal ist es für mich so, dass es mich entlastet. Ich habe nicht mehr das diffuse Gefühl, dass da "etwas anders" ist (Oder doch nicht? Oder habe ich den falschen Eindruck? Oder oder oder... all die Fragen die man sich so stellt, wenn man identifiziert, dass da was sein "könnte"), sondern es ist nun konkret. Der Umstand das benennen zu können, ein "Ettikett" drauf kleben zu können, hat für mich den großen Vorteil, dass ich weiß, dass es dafür dann auch irgendeind "Instrumentarium" gibt, um damit umzugehen/zu arbeiten/...
In der Folge wird das bedeuten: Verhaltenspsychologische Therapie. Wobei es nicht darum geht, das zu erlernen, was "anders" ist, sondern eher Methoden zu entwickeln, mit bestimmten Dingen umzugehen. Vielleicht mal etwas konkreter: Ein großer Teil für mich ist, dass ich viele Dinge nicht auf emotionaler Ebene nachvollziehen/greifen kann. So habe ich mal einer einer Ex-Freundin, deren Vater gestorben ist und wo es wenige Tage später die Beerdigung geben sollte als Antwort die Info zum Tod ihres Vaters geantwortet: "Ich habe nächste Woche einen Termin Bayern. Bin nicht da."
Das klingt hart und war es auch für sie. Der Punkt ist aber, dass ich zu dieser Veränderung keinen emotionalen Bezug habe. Die gesamte zwischenmenschliche Ebene der Reaktion etc. darauf, bekomme ich nicht gegriffen. Das hat sich später noch geklärt, ich habe viel über solche Themen gesprochen und kann heute die *Mechanik* nachvollziehen. Das ist aber eher wie ein "Ablaufplan": Wenn das und das passiert, wird das evtl. bestimmte Reaktionen auslösen - ob das aber wirklich der Fall ist, ist für mich kaum greifbar.
Letztlich ist ein Teil einer solchen Therapie genau dieses "Erkennen" und die Möglichkeiten darauf zu reagieren - aber die empathische Ebene kann natürlich nicht erlernt werden.
Mein Stand dazu ist, dass das zumindest vermutet wird und genetische Ursachen zumindest stark vermutet werden. Sicher belegt ist das aber wohl nicht.
Die Frage ob sich was ändert ist hingegen schwierig. Natürlich ist heute im Kern nichts anders, als gestern oder letzte Woche. Ein Unterschied wird sich für die Zukunft ergeben: vgl. Absatz oben - die Möglichkeit ein Instrumentarium zu erlernen, um mir den Umgang mit bestimmten Situationen zu erleichtern, aber auch um anderen Leuten ggf. den Umgang mit mir zu vereinfachen. Auf allen möglichen Ebenen, verschiedenen Lebenssituationen etc. pp.
Aber es ist schon richtig: Du wirst damit groß und erwachsen und nimmst die Welt einfach so wahr, wie du sie siehst. Und erst später stellst du fest, dass ein Großteil der Menschen ganz viele Dinge ganz anders wahrnehmen, verarbeiten etc. Das lässt sich viele Dinge noch mal überdenken, durchdenken, hintefragen, ...
Um den "Ich habe was neues"-Thread nicht zuzuspammen, mal ein Spin-Off dazu - und ich packe das ganze mal nicht in den normalen "Diskussionsthread", da es hier um ein eigenständiges Thema geht, was vielleicht allgemein zur Diskussion rund um solche Themen einlädt.
Nun aber mal zum Thema:
Kurzfassung: Wie ich gestern, nach so einigen, einigen, einigen, Gesprächen bestätigt bekommen habe, liege ich im sog. "Autismus-Spektrum" oder auch "Autismus-Spektrum-Störung" (ASS) oder mittlerweile auch in letzter Zeit "Neuro-Diversität".
Den meisten sind dann unter dem Begriff des Autismus wohl am ehesten die krassen Fälle bekann: Rainman oder Inselbegabte, die kaum selbst lebensfähig sind, aber irgendwelche Begabungen besitzen, wie ganze Skylines detailgetreu aus dem Gedächtnis nachzeichnen zu können oder komplexe Matheaufgaben "einfach so" lösen zu können. Teilweise häufig sogar falsch dem Autismus zugeordnet. Alles aber natürlich nur Extrembeispiele.
Hier ist der Begriff des Spektrums sehr hilfreich: Es ist also ein weites Feld. Es gibt viele Symtome, also z.B. Verhaltensweisen, die auf ASS hinweisen, aber auch einfach "normal" sein können. Klassisches Beispiel: Viele Autisten haben Probleme mit Smalltalk. Es gibt aber auch welche, bei denen das nur sehr schwach auftritt, umgekehrt viele "normale" Leute, die damit ebenso Probleme haben. Es gibt also einen bunten Strauss an an Symptomen. Da kann ich empfehlen, einfach mal ein wenig quer zu lesen, wenn es interessiert.
Wie kam es also nun bei mir dazu?
Ich habe in den letzten Jahren, basierend auf Gesprächen, Feedback zu bestimmten Situationen, Selbstreflektion etc. pp. gespiegelt bekommen, dass es viele Situationen gibt, in denen ich, sagen wir, "sozialuntypisch" handle:
- ja, auch ich hasse Smalltalk. Ich habe überhaupt kein Gespür diese Momente, ich halte sie für beklemmend, unangenehm und unnütz.
- ich vermeide, wenn möglich Augenkontakt, wenn es geht
- ich habe extrem große Schwierigkeiten nonverbale Kommunikation wahrzunehmen oder richtig zu deuten
- ich kann im professionellen Umfeld extrem sicher agieren - weil ich einen "Plan", einen "Rahmen" quasi ein Korsett habe - ich weiß, was zu tun ist. Im privaten habe ich das nicht: Eine Unterhaltung ist zumeist nicht zielgerichtet. Sie folgt "Regeln" die ich nicht greifen kann.
- ich lege in vielen Bereichen wiederholte Handlungen etc. vor: Ich habe bestimmte Routinen, die ich versuche einzuhalten (keine Zwangshandlungen), aber es "stört" mich, wenn diese gebrochen werden.
- Ich habe "Inselinteressen". Ich brenne also für bestimmte Themen. Dort kann ich mich dann quasi vollständig mit auseinandersetzen und Zeit investieren.
- nur wenig Gespür für die Gefühle oder Vorstellungen anderer
- ich kann mich nur schwer bis gar nicht in andere Personen hineinversetzen, soweit es um eine emotionale Ebene geht
- ich ritualisiere bestimmte Verhalten, damit es ein gleichbleibender Prozess ist
- ich rationalisiere extrem stark - auf dieser Ebene kann ich sehr leicht die Dinge "auseinandernehmen" - mit Gefühlen funktioniert dies nicht.
- ich kann nicht auf konkrete Ursachen bezogene Änderungen nicht nachollziehen (ich kann z.B. heute den Raum verlassen und nach 10 Jahren treffe ich die Person wieder, mit der ich mich davon unterhalten habe. Für mich gibt es keinen Grund, warum sich etwas in dem Verhältnis getan haben sollte, obwohl wir uns 10 Jahre nicht gesehen haben: Für eine Veränderung gab es keinen Anlass).
Aus vielen, vielen kleineren und größeren Themen heraus kam daher der Verdacht auf, dass dort "irgendwas" sein könnte. Das wurde flankiert dadurch, dass ich in recht kurzer Zeit von mehreren Personen mit med. Hintergrund bzw. mit persönlichen Erfahrungen mit Menschen "im Spektrum" angesprochen wurde, ob es sein könnte bzw. seit wann ich im Spektrum sei.
Und damit war für mich klar - ganz ergebnisorientiert: Lass das prüfen. Wenn es das (oder was anderes) ist, ist das vollkommen in Ordnung. Aber gibt mir die Möglichkeit, ggf. damit umzugehen. Denn es gibt viele Bereiche, wo ich wenigstens das Gefühl habe, dass ich mir selbst im Weg stehe, das Leben schwer mache oder vielleicht sogar drunter leide - und umgekehrt natürlich auch, dass ich anderen Leuten damit ggf. Dinge antue, die so nicht gewollt sind.
Der Rest ist dann mittlerweile Historie: Es folgten Termine, Gespräche, Auseinandersetzungen, ... und letztlich die Einordnung. Und das ist für mich vollkommen fein und tatsächlich gut.
Die nächsten Schritte sind dann eine dauerhafte verhaltenspsychologische Therapie. Zielsetzung ist hier letztlich, die Verbesserung der sozialen Kompetenzen, Förderung von Empathie, Verständnis von Gesten, etc. pp.
Tjoar, das mal als Abriss dazu. Ich lasse es einfach mal so stehen - und wenn es Fragen gibt, einfach raus damit. Es sind für mich eher 1.000 Kleinigkeiten und daher nicht einfach möglich, einfach nur mal schnell ein paar "große" Beispiele zu benennen.
Und nun noch zu den ursprünglich schon im anderen Thread gestellten Rückfragen:
Grundlegend erst mal sehr positive:Was hat das denn für Auswirkungen für dich, wenn ich fragen darf?
Zunächst mal ist es für mich so, dass es mich entlastet. Ich habe nicht mehr das diffuse Gefühl, dass da "etwas anders" ist (Oder doch nicht? Oder habe ich den falschen Eindruck? Oder oder oder... all die Fragen die man sich so stellt, wenn man identifiziert, dass da was sein "könnte"), sondern es ist nun konkret. Der Umstand das benennen zu können, ein "Ettikett" drauf kleben zu können, hat für mich den großen Vorteil, dass ich weiß, dass es dafür dann auch irgendeind "Instrumentarium" gibt, um damit umzugehen/zu arbeiten/...
In der Folge wird das bedeuten: Verhaltenspsychologische Therapie. Wobei es nicht darum geht, das zu erlernen, was "anders" ist, sondern eher Methoden zu entwickeln, mit bestimmten Dingen umzugehen. Vielleicht mal etwas konkreter: Ein großer Teil für mich ist, dass ich viele Dinge nicht auf emotionaler Ebene nachvollziehen/greifen kann. So habe ich mal einer einer Ex-Freundin, deren Vater gestorben ist und wo es wenige Tage später die Beerdigung geben sollte als Antwort die Info zum Tod ihres Vaters geantwortet: "Ich habe nächste Woche einen Termin Bayern. Bin nicht da."
Das klingt hart und war es auch für sie. Der Punkt ist aber, dass ich zu dieser Veränderung keinen emotionalen Bezug habe. Die gesamte zwischenmenschliche Ebene der Reaktion etc. darauf, bekomme ich nicht gegriffen. Das hat sich später noch geklärt, ich habe viel über solche Themen gesprochen und kann heute die *Mechanik* nachvollziehen. Das ist aber eher wie ein "Ablaufplan": Wenn das und das passiert, wird das evtl. bestimmte Reaktionen auslösen - ob das aber wirklich der Fall ist, ist für mich kaum greifbar.
Letztlich ist ein Teil einer solchen Therapie genau dieses "Erkennen" und die Möglichkeiten darauf zu reagieren - aber die empathische Ebene kann natürlich nicht erlernt werden.
Ist es nicht so das Autismus von Anfang an da ist?
Dann dürfte sich ja eigentlich für einen nichts ändern bis auf das man es jetzt weiß?
Würde mich aber auch interessieren.
Mein Stand dazu ist, dass das zumindest vermutet wird und genetische Ursachen zumindest stark vermutet werden. Sicher belegt ist das aber wohl nicht.
Die Frage ob sich was ändert ist hingegen schwierig. Natürlich ist heute im Kern nichts anders, als gestern oder letzte Woche. Ein Unterschied wird sich für die Zukunft ergeben: vgl. Absatz oben - die Möglichkeit ein Instrumentarium zu erlernen, um mir den Umgang mit bestimmten Situationen zu erleichtern, aber auch um anderen Leuten ggf. den Umgang mit mir zu vereinfachen. Auf allen möglichen Ebenen, verschiedenen Lebenssituationen etc. pp.
Aber es ist schon richtig: Du wirst damit groß und erwachsen und nimmst die Welt einfach so wahr, wie du sie siehst. Und erst später stellst du fest, dass ein Großteil der Menschen ganz viele Dinge ganz anders wahrnehmen, verarbeiten etc. Das lässt sich viele Dinge noch mal überdenken, durchdenken, hintefragen, ...
Das ist wenig das, was für mich auch ursächlich war. Man bemerkt selbst oder bekommt Feedback zu etwas und fragt sich tatsächlich wo das herkommt. Und was das ggf. bedeutet, ob das "gut" oder "schlecht" ist etc. pp.Evtl. ist es gut, es zu wissen, wenn man etwas bemerkt und nicht weiß, was das ist / woher das kommt?