Da wir ein sehr ähnliches Thema hier auch schon diskutiert haben, hier noch eine linguistische Einordnung zur Frage, wie man „Bürgermeisterwahl“ gendern kann - und wie sehr das generische Maskulinum eben sehr wohl eher männliche Assoziationen hervorruft.
Bei der beschriebenen Untersuchung sehe ich (wie schon häufiger), das Problem der verkürzten Sätze, die ohne Zusammenhang präsentiert werden. Der Effekt ist bekannt, dass in sehr verkürzten Darstellungen einzelne, oft irrelevante Details wie der Genus einen größeren Effekt auf die Wahrnehmung hat. In einer normalen Unterhaltung übernehmen immer mehr die Situation und weitere Informationen diesen Effekt, weil z.B. auch erkannt wird, dass das Geschlecht gar nicht die relevante Größe ist. Dass dann bei personenbezogeneren Wörtern eine Nachfrage nach dem Geschlecht eher als passend empfunden wird, wundert mich nicht, bestätigt aber in meinen Augen nicht, dass Gendern diesen Effekt auch im Alltag effektiv eindämmt. Dazu wäre dann eine Untersuchung "in die Gegenrichtung" interessant: Wird eine Nachfrage bei "die LehrerInnen", ob denn das Geschlecht so relevant sei, dass es hier verdeutlicht werden muss als passend oder unpassend empfunden?
Grundsätzlich werde ich nämlich skeptisch, wenn keine Vergleichsgruppen herangezogen werden. So kann man nur einen Effekt beschreiben, aber nicht nachweisen, ob die Reaktion darauf (hier: das Gendern) den ungewollten Effekt überhaupt vermindert.
Zu diesem Thema empfehle ich einen Artikel aus der SZ:
Viele, die sich für das Gendern oder das Ändern alter Kinderbücher engagieren, wollen gar nicht die Welt verbessern, sondern ihr moralisches Prestige, sagt der Philosoph Philipp Hübl.
sz-magazin.sueddeutsche.de
In dem geht es primär gar nicht um das Gendern, sondern u.a. darum, zu hinterfragen, warum man bestimmte Dinge sagt und tut. Hier wird Gendern nur als ein Beispiel unter mehreren genannt:
"Wissen Sie, ich würde mir auch wünschen, dass Sprachpolitik wie Gendern unsere Gesellschaft gerechter macht. Das wäre so einfach und effizient. Doch leider gibt es dafür bisher keinen Beleg, zumindest nicht nach wissenschaftlichen Standards. Deswegen sage ich: Ignoriere deine Ideologie und schau dir zuerst die Studien an! Am Ende werden die meisten zugeben müssen, dass sie vor allem gendern, weil es die Menschen in ihrem Umfeld auch so machen, weil man bei einer Bewegung dabei sein will, die sich richtig anfühlt."
Und hier noch ein weiteres kurzes Video, über die Genus/Sexus-Beziehung.
Auch dieses Video bestätigt doch nur, dass die Vorstellung/Erwartung mehr die Wahrnehmung beeinflusst, als die Sprache, zeigt es doch, dass der Genus nicht einmal genug Einfluss auf einen korrekten Gebrauch der Grammatik hat. Dass sich alle Zuhörer bei "das Mädchen" eine weibliche Person vorstellen, liegt doch auf der Hand - warum das ein Argument gegen den Gebrauch des generischen Maskulins sein soll, ist nicht nachvollziehbar. Im Gegenteil: Es belegt doch, dass der Genus viel weniger Einfluss auf die Wahrnehmung hat, als von manchen behauptet wird.