In Bielefeld wurden die Big Brother Awards 2024, oft als die „Oscars der Überwachung“ bezeichnet, verliehen. Diese Auszeichnung wird seit dem Jahr 2000 vom Verein Digitalcourage vergeben und kürt jährlich Akteure, die gegen den Datenschutz verstoßen. Zu den Preisträgern des Jahres 2024 gehören prominente Persönlichkeiten und Institutionen, darunter Karl Lauterbach, die Polizei Sachsen und die Deutsche Bahn. Der Trendbegriff des Jahres lautet „Technikpaternalismus“.
Gesundheitsminister Karl Lauterbach erhielt den Big Brother Award in der Kategorie Gesundheit für seine Rolle bei der Umsetzung des Gesundheitsdatennutzungsgesetzes. Dieses Gesetz soll Deutschland an den Europäischen Gesundheitsdatenraum anbinden, was bereits seit Langem von Datenschutzorganisationen kritisiert wird. In der Laudatio wurde betont, dass die Sekundärnutzung von Gesundheitsdaten für Forschungszwecke verfassungswidrig sei. Besonders kritisiert wurde, dass Patient:innen zwar widersprechen können, ihre pseudonymisierten Daten jedoch weiterhin ohne ihre ausdrückliche Zustimmung genutzt werden können. Dies verstoße gegen die ärztliche Schweigepflicht und den Hippokratischen Eid.
Die Polizei Sachsen erhielt den Award in der Kategorie Behörden und Verwaltung für ihr „videogestütztes Personen-Identifikations-System“ (PerIS). Dieses System wurde 2019 eingeführt und erfasst biometrisch die Gesichter von Autofahrer:innen sowie Insassen in grenznahen Gebieten zu Polen. Die gesammelten Daten werden automatisch mit polizeilichen Datenbanken abgeglichen. Kritisiert wurde, dass dadurch eine umfassende Überwachung eines großen Teils der Bevölkerung stattfindet, insbesondere in einem Gebiet von 30 Kilometern entlang der Grenze zu Polen.
In der Kategorie Mobilität ging der Preis an die Deutsche Bahn. Der Vorwurf lautet, dass das Unternehmen zunehmend Fahrgäste dazu zwinge, digitale, personalisierte Fahrkarten zu nutzen, während physische Alternativen abgebaut werden. Besonders die Abschaffung der physischen BahnCard wurde kritisiert, da die digitale Version in der App mit Trackern ausgestattet ist, die nicht deaktiviert werden können. Dies stelle einen erheblichen Eingriff in die Privatsphäre der Fahrgäste dar.
Den Preis in der Kategorie Verbraucherschutz teilten sich in diesem Jahr die E-Commerce-Plattformen Temu und Shein. Beide Plattformen stehen im Fokus, weil sie die Rechte ihrer Kund:innen durch Datenschutzrichtlinien und AGBs stark einschränken. Besonders problematisch sei die Offenlegung von personenbezogenen Daten an den chinesischen Staat, was gegen die europäische DSGVO verstößt.
In der Kategorie Trend wurde auf das wachsende Problem des Technikpaternalismus hingewiesen. Dabei handelt es sich um Technologien, die den Menschen bevormunden, Entscheidungen abnehmen und ständige Überwachung fördern. Laudatorin Rena Tangens warnte vor einer Zukunft, in der der Mensch durch seine eigene Bequemlichkeit zum Opfer der Technologien wird, die ihm Individualität und Selbstbestimmung rauben.
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