Die EKG-Funktion ist wohl eines der interessantesten Features der Apple Watch Series 4. Mit zwei Apps soll die Smartwatch Herzrhythmusstörungen erkennen und vorzeitig warnen. Noch hat Apple die neuen medizinischen Funktionen nicht veröffentlicht. In den USA sollen Nutzer noch in diesem Jahr ein EKG mit der neuen Apple Watch erstellen können. Wann das Feature nach Europa kommt, ist unklar. Einer Meldung von 9to5Mac zufolge könnten die Herzmessfunktionen bei uns noch lange auf sich warten lassen.
Das amerikanische Magazin hat sich bei der Medicines and Healthcare products Regulatory Agency (MHRA) nach den Voraussetzungen für eine Zulassung der Herz-Features erkundigt. Die MHRA ist die medizinische Zulassungsbehörde in Großbritannien. Wie 9to5Mac schreibt, sei eine klinische Studie zur Wirksamkeit der EKG-Messung durch die Apple Watch das größte Zulassungshindernis. Obwohl Apple bereits entsprechende Ergebnisse im Rahmen der Zulassung durch die in den USA zuständige Behörde FDA haben dürfte, sei für Großbritannien eine neue Studie erforderlich. Dadurch könnte sich die Zulassung noch Jahre hinziehen. Doch das muss so nicht sein.
Richtig ist, dass eine Zulassung für das Inverkehrbringen medizinischer Produkte erforderlich ist. Anders als bei Apps für den Freizeitbereich – zum Beispiel Fitness-Apps – ist für Medizinprodukte eine Zertifizierung erforderlich. Ob es sich um ein entsprechendes Produkt handelt, liegt an der Einschätzung des Herstellers. Da Apple bei der Vorstellung der Apple Watch Series 4 auf die EKG- und Herzkontrollfunktionen als medizinische Features hingewiesen hat und die Zulassung durch die FDA vorliegt, wird der Konzern aus Cupertino außerhalb der USA keine Ausnahmen machen wollen.
Die Voraussetzungen für die übrige EU – und somit auch Deutschland und Österreich – unterscheiden sich dabei nicht von denen für Großbritannien. Starten darf die Apple Watch 4 mit EKG und Co erst nach einer CE-Prüfung. Die jeweiligen Anforderungen an diese Prüfung richten sich nach der Risikoklasse, in die das entsprechende Produkt eingeteilt ist. Wie 9to5Mac schreibt, fallen die Herzmessfunktionen der Apple Watch 4 in die mittlere Klasse IIa. Das bereits zertifizierte Kardia Band von Alivecor, dass ebenfalls eine EKG-Messung ermöglich, befindet sich genauso wie die medizinisch zertifizierte Gesundheitsuhr von Philips ebenfalls in der Klasse IIa. Dabei macht es keinen Unterschied, dass Apples Herz-Features kein Gerät im eigentlichen Sinne sind, sondern nur Apps.
Alle medizinischen Geräte in dieser Klasse müssen einen Nachweis über deren Wirksamkeit erbringen. Damit soll verhindert werden, dass die Bezeichnung als Medizingerät nur als Werbung verwendet wird. Im einfachsten Fall kann dieser Nachweis auf vorhandener Literatur basieren. Lassen sich auf diesem Weg nicht genug Belege finden, ist eine klinische Prüfung, und damit eine Studie, erforderlich.
Es ist möglich, dass Apple hier auf die bereits erhobenen Ergebnisse verweist. Allerdings bleibt offen, wie belastbar die für die FDA-Freigabe erhobenen Daten sind und ob sie für die CE-Zertifizierung ausreichen würden. Zweifel gab es bereits in der vergangenen Woche. Zudem müssen die Ergebnisse aktuell sein. Es ist somit durchaus denkbar, dass eine neue Studie für die Zulassung der Herzmessfunktionen in Europa durchgeführt werden muss. Erste Schritte dafür hat Apple womöglich bereits getan. Allerdings ist dann nicht mit einer Freigabe für die Apple Watch 4 zu rechnen. Ohnehin gab es noch keine Informationen, dass Apple einen Start in Europa plant. In Kanada ist die Zulassung bereits auf dem Weg.
Doch es gibt auch Experten, die mit einer deutlich schnelleren Freigabe rechnen. Das Magazin Mac&i hat sich mit dem Kardiologen Thomas Meinertz unterhalten. Meinertz erwartet eine „relativ schnelle“ Zertifizierung.
„Nach meiner Erfahrung wird eine CE-Zertifizierung in Deutschland relativ schnell kommen.“ – Professor Dr. Thomas Meinertz
Der Mediziner ordnet in dem Interview auch den Nutzen der Herzmessfunktionen ein. Gerade bei Vorhofflimmern sieht Meinertz die Funktionen sehr positiv. Weil die Apple Watch den Herzschlag über einen längeren Zeitraum misst und die Dauer des unregelmäßigen Herzschlags sowie die Häufigkeit aufzeigt, könnten Ärzte bessere Diagnosen treffen.
„Aufgrund des Ein-Kanal-EKG wie bei der Apple Watch Series 4 kann man ein Vorhofflimmern eher vermuten und eine zu 95 Prozent sichere Diagnose stellen.“ – Professor Dr. Thomas Meinertz
Für andere Herzerkrankungen, wie Herzmuskelentzündungen, Infarkten oder Durchblutungsstörungen sei das EKG der Apple Watch dagegen nicht geeignet, so der Kardiologe. Generell überwiegen laut Meinertz die Vorteile. Rund 50 Prozent der Betroffenen mit Vorhofflimmern merken nichts von der Störung. Hier können Geräte wie die Apple Watch helfen. Der Mediziner sieht jedoch auch die Möglichkeit, dass Nutzer zu vorsichtig werden. „Aber das ist nicht so schlimm, dass man sagen müsste, man darf das den Patienten deshalb nicht in die Hand geben“, so Meinertz. „Man muss die Patienten ermahnen, es richtig zu gebrauchen.“
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