Zelte, Campingstühle, Hunderte Wartende und lange Schlangen: Vor dem Verkaufsstart des neuen iPhones bestimmte dieses Szenerie jahrelang das Bild vor den Apple-Stores. Auch in diesem Jahr wurde mit einem Ansturm von kaufwilligen iPhone-Enthusiasten gerechnet. Daraus wurde nichts. Statt Menschenmassen herrschte gähnende Leere von den Geschäften. Ursächlich ist nicht das mangelnde Interesse am neuen Smartphone aus Cupertino, sondern eine bewusste Entscheidung des Unternehmens mit dem Apfel-Logo. Nach dem Klinken-Anschluss trennt sich Apple nun auch von der Warteschlange.
Diese einschneidende Änderung des Fan-Kults wurde im Vorfeld des iPhone 7-Starts nur zögerlich bekannt. Ende letzter Woche gab es die ersten Meldungen, dass das neue iPhone nur mit Vorbestellung zum Verkaufsstart erhältlich sein werde. Camper vor Ort meldeten via Twitter, Youtube und Facebook vom neuen Vorgehen des kalifornischen Unternehmens. Wer zum Warten angereist war, wurde vom Apple-Personal über die neue Verkaufsregelung informiert. Auch die Medien wurden überrascht und berichteten erst kurz vor Verkaufsstart. Apple bestätigte auf Apfeltalk-Nachfrage, dass der Kauf am 16. September ausschließlich mit einer Reservierung möglich sein werde.
Mit dem Abschneiden alter Zöpfe tut sich das kalifornische Unternehmen von jeher leicht. Bislang war es zum Verkaufsstart des neuen iPhones immer möglich, gleich am Tag der Veröffentlichung einfach ein neues iPhone zu kaufen. Prinzipiell. Die Nachfrage überstieg häufig die tatsächlich vorhandene Zahl der Geräte. Zahlreiche Kaufwillige mussten daher in den vergangenen Jahren auch nach stundenlangem Warten ohne das neue iPhone die Stores verlassen. Für die Kundenzufriedenheit war das trotz der ausgelassenen Bilder der letzten Jahre eher abträglich. Bereits im letzten Jahr erklärte Apple-Store Chefin Angela Ahrendts, dass die Kunden das neue Gerät doch lieber online bestellen sollen. Eine klare Absage an den Massenandrang.
Den Behörden war der Auflauf vor den Stores ohnehin seit Langem ein Dorn im Auge. Bereits vor zwei Jahren teilte die Verwaltung in Hamburg auf Nachfrage von Apfeltalk mit, dass eine entsprechende Sondernutzungsgenehmigung nur eine Ausnahme sei. Grundsätzlich würde eine entsprechende Erlaubnis für den Jungfernstieg nicht erteilt werden. Da sich das Campen allerdings ohnehin nicht vermeiden lasse, mache die Verwaltung gute Mine zum bösen Spiel und schaffe mit der Genehmigung wenigstens den rechtlichen Rahmen. Traurig wird man in den Behörden über Apples Entscheidung daher nicht sein.
In Berlin, wo in den letzten Jahren der größte Andrang herrschte, arrangierte man sich mit den neuen Gegebenheiten. Eine Handvoll treuer Fans wartete trotzdem bis zum Veröffentlichungstag vor dem Store am Kurfürstendamm. Nach eigenen Angaben waren sie ohnehin nur wegen der Stimmung, für eine spaßige Zeit und zum Treffen alter Bekannter vor Ort. Fast wie bei einem Festival. Begeistert waren die Anwesenden von Apples Entscheidung dennoch nicht. Richtige Party-Stimmung kam selten auf.
Nach Angaben der Camper vor dem Store am Berliner Kurfürstendamm war die Informationslage verworren. Von der Reservierungspflicht wurde man vor Ort sehr früh informiert. Dennoch habe es ein Hin und Her hinsichtlich der Duldung des Aufenthalts vor dem Store gegeben. Am Tag vor der Veröffentlichung seien die Wartenden aufgefordert worden, den Bereich vor dem Geschäft zu verlassen. Grund seien Vorgaben der zuständigen Behörde. Allerdings soll nach Angaben der Anwesenden eine betreffende Genehmigung für Absperrungen und Zelte vorgelegen haben.
Von Apples neuen Verkaufsregelungen besonders betroffen sind ausländische Käufer. In den letzten Jahren nahm die Zahl der Kaufwilligen gerade aus dem ost- und südosteuropäischen Raum zu. In dieser Region ist das Apple Smartphone erst deutlich später erhältlich. Daher versuchten viele, die Wartezeit durch einen Besuch in Deutschland zu verringern. Zahlreich waren sie in den vergangenen Tagen angereist. Einige sind ohne Gerät wieder abgereist, andere hoffen weiter auf ihre Chance. Oft geht es hierbei gar nicht um das Interesse am eigenen Smartphone. Im Auftrag reicher Apple-Fans tätig, kann so leicht etwas nebenher verdient werden. Auch professionelle Händler waren die letzten Jahre vor Ort. Im letzten Jahr wurde berichtet, dass Käufern beim Verlassen des Stores Abkaufangebote gemacht wurden.
Sicherlich dürfte auch das ein Grund für Apple sein, die Warteschlangen zu beenden. Natürlich möchte das Unternehmen so viele Geräte wie möglich verkaufen. Doch in Cupertino betont man immer, ein besonderes Kauferlebnis ermöglichen zu wollen. Wer lange vor den Stores wartet und dann am Ende doch kein Gerät erhält, für den ist dieses besondere Erlebnis eher nicht gegeben. Der zügige Kauf mit einer Vorbestellung passt da viel mehr ins Bild. Die Abkehr vom freien Verkauf zum Start erhöht daher die Kundenzufriedenheit in den Veröffentlichungsmärkten und gibt Apple auch die Kontrolle zurück.
Wie die Verfügbarkeit des neuen iPhone 7 in den Tagen nach dem Verkaufsstart aussieht, bleibt fraglich. Auch am Sonnabend wird man wohl nur mit Reservierung ein Gerät erhalten. Ob ein zusätzliches Kontingent oder nicht abgeholte Smartphones dann verfügbar sein werden, muss sich zeigen. Für Apple bleibt es eine Herausforderung, gerade mit Hinsicht auf die Kaufwilligen, die weite Wege und hohe Kosten aus sich genommen haben und sicher nicht ohne ein iPhone nach Hause wollen.
Damit geht eine weitere Ära bei Apple zu Ende. Der Anblick von Menschenmassen und Zelten ist vorbei. Ohnehin hatte sich die Atmosphäre in den letzten Jahre verändert. Die Leichtigkeit der Anfangszeit war vorbei. Daher ist das Ende der Warteschlange verschmerzbar. Irgendwann ist die Zeit für jedes Event vorüber. Die Erlebnisse von unbequemen Nächten bleiben denen, die dabei waren als Erinnerung. So wie die Partystimmung. Diese Zeit wird nicht mehr wieder kommen. Das war es mit dem Festival. „iPhonepalooza“ ist Geschichte.
Fotos. Ulrich Reinbold/ Apfeltalk
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