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Kommentar: Apple und Diabetes Management

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Apple soll, so die Gerüchte, an einer eigenen Lösung rund um das Thema Diabetes und Blutzuckermessung arbeiten. So soll es ohne die Zuführung von Blut möglich sein, den Blutzucker zu überwachen. Die Schlüsselrolle in Sachen Messung soll die neue Apple Watch spielen – in Sachen Datenverwaltung dann anschließend Apple Health.

Seit einigen Wochen ärgere ich mich rund um die Berichterstattung zu diesem Thema. Nach etwas Bedenkzeit habe ich mich entschlossen, selbst Stellung dazu beziehen zu wollen – und einen großen, privaten Einblick zu geben. Der Grund: Ich bin selbst Diabetiker. Früh in meiner Jugend wurde mir die Diagnose Diabetes Typ 1 gestellt, was bedeutet, dass ich mehrmals täglich sowohl Blutzucker messen als auch Insulin spritzen muss. Dementsprechend möchte ich meine Erfahrungen – quasi aus erster Hand – zu diesem Thema schildern, aber auch meine Gedanken zu einer möglichen Zukunft äußern.

Die Vergangenheit

Um die eigene Theraphie möglichst optimieren zu können, ist es nicht nur notwendig, die gemessenen Werte, sondern auch wichtige zusätzliche Daten – wie Bewegung, Schlafdauer, Menge der Nahrung und Broteinheiten, sowie Besonderheiten wie Stress, Alkohol oder psychische Probleme – aufzuzeichnen. So lassen sich Muster erkennen und die eigene Therapie ergänzen. Ein Beispiel? Natürlich war mir klar, dass mein Blutzucker sinkt, wenn ich Sport betreibe – schließlich verbrennt der Körper hier Energie. Erst nach Jahren der Analyse fand ich heraus, dass dies auch bei Horrorfilmen der Fall ist. Nicht generell – sondern speziell bei mir. So sehr ich diese Filme liebe – offensichtlich bereiten sie meinem Körper phyischen Stress, sodass ich hier mehr Zucker verbrenne als üblich. Eine wichtige Erkenntnis, die nur durch eine enorme Menge an erfassten Daten möglich wurde.

Seine Daten digital zu verwalten, erscheint hier eigentlich naheliegend. Diabetes und digitale Technik – eine steinige und wirklich sehr lange Geschichte. Letzten Endes ist diese Krankheit daran schuld, dass ich erst 2006 völlig auf Macs umsteigen konnte. Der Grund: Das Management der Krankheit an sich. Zur Verwaltung meiner Daten schaffte ich mir 2004 einen Pocket PC an. Später war die Übertragung meiner Messwerte an den Computer möglich – via Infrarot Schnittstelle an eine Windows Software. Erst Bootcamp ermöglichte es mir, Windows Geräten dann letztlich völlig den Rücken zuzukehren. Und viele, viele Jahre war – nur aus diesem Grund – immer noch Windows auf meinen Macs installiert.

Die Gegenwart

Kommen wir ins Jahr 2017 – dem Jahr, in dem sich alles ändern soll. Wie ist der Status Quo? Wirklich viel geändert hat sich leider nicht. Seit einigen Jahren kann ich zumindest auf Infrarot verzichten, der Anschluss der Geräte ist mit Micro USB möglich. Seit ungefähr einem Jahr kann ich auf das Kabel verzichten und auf Bluetooth zurückgreifen. Ich wiederhole gerne: Seit einem Jahr. Offensichtlich dauert es sehr lange, bis die Hersteller von Gesundheitsanwendungen auf „moderne“ Technik setzen. Die Übertragung der Daten an den PC oder Mac ist mittlerweile Geschichte. Hier muss das Smartphone herhalten – was angesichts der breiten Verfügbarkeit bzw. der Nähe zum Anwender keine schlechte Idee ist. Hier bieten die Hersteller eigene, meist abscheuliche, Apps an, mittlerweile kommen aber auch die ersten Unternehmen mit übergreifenden Lösungen in den AppStore. Diese bieten oft bessere Interfaces und ein vereinfachtes Management. Ein Umstand, dem auch manche Hersteller Folge leisten und für ihre neuen Gerätegenerationen lieber zu übergreifenden Lösungen raten – ja, sogar Premium Dienste verschenken, statt die eigene App zu empfehlen. Ein positiver Schritt in dieser Richtung.

Langsam aber doch verbreiten sich Messsysteme, die dauerhaft angebracht werden können. Dafür ist es aktuell notwendig, einen kleinen Sensor unter der Haut anzubringen. Dieser kann die Daten anschließend permanent an ein kompatibles Endgerät übertragen. Hier gibt es bereits Lösungen, die auch an die Apple Watch senden können. Lösungen, die für mich nicht in Frage kommen. Einerseits möchte ich persönlich nicht permanent einen Sensor in bzw. unter der Haut haben, andererseits kommen diese Sensoren nicht unbedingt gut mit Verschmutzung klar. Nein, ich wälze mich natürlich nicht jeden Tag eine Stunde lang im Dreck – aber ein einstündiger Lauf, Schweiß inklusive, kann schon ein Problem darstellen. Insofern wäre eine Lösung, die dies ohne separaten Sensor schafft, tatsächlich zu begrüßen. Apple würde mit der Messung am Handgelenk, ohne Blut, nicht nur das Management der Krankheit, sondern generell die Gesundheit des Anwenders ganz erheblich steigern.

Die wahre Revolution

Die Revolution liegt im Detail. Natürlich ist es schön, ohne ewiges Stechen messen zu können – es spart Blut und Schmerzen. Aber auf der anderen Seite ist die komplette, dauerhafte, Überwachung der echte Segen. Kurzfristig können Unterzuckerungen sehr gefährlich sein, langfristig führt permanent überhöhter Zucker zum Tod. Unterzucker spürt ein Diabetiker in der Regel – doch es gibt Ausnahmen. Unterzucker äußerst sich ungefähr so wie Alkoholkonsum. Dementsprechend gibt es genau zwei Szenarien, in denen eine Unterzuckerung oft nur schwer erkannt werden kann. Zwei Situationen, in denen so etwas aber sehr häufig vorkommt. Einerseits beim Sport – hier kann es schon sein, dass einem leicht schwindelig wird -, anderseits eben bei echtem Alkoholkonsum. Eine permanente Überwachung könnte sich aktiv melden, sofern Gefahren eintreten – Gefahren, bei denen der Benutzer reagieren muss. Außerdem gewinnt jeder Graph durch die Menge der Datenpunkte. In der Regel besitze ich jeden Tag zwischen vier bis acht Datenpunkte – mit einer permanenten Überwachung würde die Verlaufskurve ganz erheblich an Daten gewinnen.

Kommen wir aber abschließend zu Apple und meiner Skepsis. Gerüchte rund um Lösungen, die direkt am Handgelenk messen können – beispielsweise über den Hautwiderstand – gibt es seit über zehn Jahren. Und gerade einer Umsetzung direkt durch Apple stehe ich sehr skeptisch gegenüber. Ich mag den Konzern – so sehr, dass ich Teile meiner Freizeit als Redakteur für ein Magazin wie Apfeltalk einbringe. Trotz allem: Apple ist kein Konzern für medizinische Produkte. So sehr ich jedes Produkt der Ex-iPod, mittlerweile iPhone, Company schätze – die notwendige Genauigkeit bei medizinischen Geräten ist ein ganz anderes Thema. Hier sind 99,9 % nicht gut genug. Jedes Jahr erinnern uns einfache, kalkulierbare Prozesse wie ein Wechsel zwischen Sommer- und Winterzeit daran, wie schwer es offensichtlich ist, wirklich funktionale Geräte und Software zu bauen. Nach 10 Jahren iOS ist es immer noch möglich, neue Geräte mit einem Update unbrauchbar zu machen (Frühjahr 2016 mit den iPad Pro Modellen). Ich möchte hier wirklich nicht gegen Apple schießen. Diese Dinge passieren allen Elektronik-Konzernen – den meisten deutlich öfter und schwerwiegender als Apple. Aber von keinem dieser Konzerne würde ich mir eine derartige medizinische Lösung, auf die ich mich zu 100% Prozent genau – ohne Rundung – verlassen können muss, wünschen. Letzten Endes gleich diese Debatte für mich stark dem Thema rund um selbstfahrende Autos. So theatralisch dies nun auch klingen mag – letztlich muss ich im einen wie auch im anderen Fall entscheiden, ob ich Apple mein Leben in die Hände legen möchte. Und bei aller Liebe: So weit reicht mein Vertrauen nicht. Was ich mir an dieser Stelle deutlich besser vorstellen kann: Apple die Sammlung und meinetwegen auch Auswertung meiner Daten zu überlassen. Apple Health als zentrale Anlaufstelle wäre hier denkbar.

Seit vielen Monaten fragen mich Diabetiker, wann denn nun die erhoffte Rettung von Apple kommt – leider kann ich hier keine Antwort geben. Das einzige was ich weiß: Selbst wenn es eine schwerwiegende Verbesserung wird – alle Diabetiker werden auch damit leben lernen müssen. Permanent immer an seine Krankheit erinnert zu werden, macht es ggf. noch schwerer loszulassen als bisher. Ständige Überwachung ist in der Theorie eine praktische Idee, in der Praxis meiner Meinung nach aber sicher auch eine große Belastung bzw. Umstellung. Ob ich auf eine derartige neue Messmethode umsteigen werde? Sofort! Ob diese von Apple kommen sollte? Meiner Meinung nach nicht. Hier würde ich mir eine Kooperation mit einem etablierten Hersteller sehr wünschen. Einige Gerüchte deuten in die Richtung, dass die Messung über ein separates Armband erfolgen könnte – hier würde ich verlässliche Sensoren eines medizinischen Herstellers sehen wollen. Ob ich meine Daten wiederum Apple geben wollen würde? Ja, und zwar nur Apple.

 

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Tags: Kommentar, Diabetes, Apple, Apple Watch, Editor's Blog, Health

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