Mit der Internationalen Funkausstellung ist es wie mit Apples Keynotes: Im Vorfeld werden große Erwartungen in die Veranstaltung gesetzt, hinterher vermisst man dann doch die großen Innovationen. Vielleicht liegt es einfach daran, dass sowohl Apple als auch die Hersteller der Unterhaltungs- und Haushaltsindustrie Produkte verkaufen müssen. Der Innovationssprung zwischen den jährlich neu erscheinenden Geräten ist daher meist gering, vor allem, wenn man den hohen Stand unserer technischen Entwicklung betrachtet. Mittlerweile hält sich daher die Begeisterung häufig in Grenzen – sowohl bei den Apple-Präsentationen als auch bei der IFA. Doch wenn bei Apple die Veränderungen beim Blick ins Detail erscheinen, dann finden sich die technischen Highlights bei der Funkausstellung entweder im großen Kontext oder vereinzelt unter der Masse der Aussteller.
Am enttäuschendsten mag die IFA 2016 bei den Fernsehern gewesen sein. OLEDs und LEDs, 4K und HRD. Alles nicht neu und schon gesehen. Dabei darf man nicht vergessen, dass sich die Bildqualität in den letzten zwei oder drei Jahren extrem weiterentwickelt hat. Mehr Farben, mehr Kontraste und ein noch realistischeres Bild. Ultra HD und HDR sind noch gar nicht richtig in den Wohnzimmern angekommen. Daher tüfteln die Fernsehhersteller weiter am immer noch besseren Bild. Die Branche dürfte in Aufregung sein. Durch mehr und mehr hochauflösende Inhalte wird für die nächsten Jahre ein steigender Absatz bei Fernsehern vorhergesagt. Dazu bringt UHD die Möglichkeit, sich Geräte mit noch größerer Bilddiagonalen anzuschaffen.
Welche Bildschirmtechnik für den neuen Fernseher gewählt wird, hängt mittlerweile fast nur noch vom eigenen Geschmack oder dem Portemonnaie ab. LGs OLED-Technologie scheint nach wie vor die Spitze bei der Bildqualität darzustellen. Entsprechend selbstbewußt feierten sich die Koreaner auf der IFA 2016. Der OLED-Tunnel, der mit 210 Panels den Eingang zur Messehalle bildete, zeigte eine beeindruckende Demonstration. Mittlerweile sollen die Panels eine Lebensdauer von 100.000 Stunden erreichen. Mit den Picture-on-glass-Geräten der Signature-Reihe zeigt LG auch ein großes Gespür für Design. Die Technik wird mittlerweile auch an andere Unternehmen weitergereicht. Philips, Loewe, Metz, Grundig und Vestel zeigten neue Geräte mit OLED-Bildschirm. Bei Panasonic wird am fertigen Gerät noch gearbeitet.
Im Gegensatz dazu setzt Samsung auf die Quantum Dot-Technologie. Hierbei wird das Bild durch eine Nanokristallfolie erzeugt. Der Farbraum und die Leuchtdichte sind bei dieser Technik höher, als bei klassischen LEDs. In Verbindung mit einem guten Bildprozessor lässt sich so ein sehr gutes Bild erzeugen. An OLEDs reicht es jedoch nicht ran. Gerade beim Schwarzwert gibt es Unterschiede. Doch durch das sogenannte „local dimming“, bei dem die Beleuchtung in bestimmten Bereichen reduziert wird, kann auch hier ein sehr ansehnliches Ergebnis erzeugt werden. Bei guten Modellen erhält man ein so Gerät mit sehr gutem Bild, für einen vergleichsweise günstigen Preis.
Auch bei Sony will man lieber die Möglichkeiten der LEDs weiter ausreizen und dafür preiswertere Geräte anbieten. Die neuste Entwicklung zeigen die ZD9-Geräte. Die Japaner verwenden hier mit Backlight Master Drive eine Technik, mit der jede einzelne Diode angesteuert werden kann. Damit lassen sich die Farbabstufungen sehr viel genauer darstellen. Der neue Bildprozessor X1 Extreme bringt zusätzlich Verbesserungen bei der HDR-Darstellung. Der Chip erkennt einzelne Objekte im Bild und passt den Kontrast entsprechend an. Dazu verwendet Sony bereits bekannte Techniken wie Super Bit Mapping, bei dem die Farbabstufungen im Bild flüssiger dargestellt werden und ein sauberer Farbverlauf angezeigt wird. Auch hier bekommt man ein sehr gutes Bild, ohne den Preis eines OLED-Geräts zahlen zu müssen.
Ein ganz großes Thema auf der IFA 2016 war Smart Home. Endlich möchte man fast sagen. Das intelligente Wohnen wird auch schon lange genug angekündigt. Vor allem gab es vernetze Haushaltsgeräte in Berlin zu sehen. Von der Waschmaschine über den Vollautomaten bis hin zum Kühlschrank, können nun alle Geräte miteinander verbunden werden. Die Steuerung erfolgt bei Wunsch per App. Das mag in einigen Fällen durchaus sinnvoll sein. Bei Bosch und Siemens lässt sich das Waschprogramm anhand der eingeworfenen Wäsche automatisch wählen.
Von Samsung ist nun der Family Hub-Kühlschrank erhältlich. Neben einem 32 Zoll großen Bildschirm fällt das Gerät mit eingebaute Kameras auf. Verschiedene Apps können auf dem Bildschirm Fotos darstellen, der Nutzer hat Zugriff auf Rezepte, kann im Internet surfen, Notizen hinterlassen oder die Lagerzeit der Lebensmittel per Tag markieren. Auch eine Einkaufsliste kann erstellt werden, die dann per Smartphone vor Ort im Supermarkt abgerufen werden kann. Zur Not schaut man über die Kameras einfach nach, was gerade im Kühlschrank fehlt. Es gibt durchaus viele sinnvolle Anwendungsfälle. Teilweise suchen die Hersteller allerdings noch nach Gründen, um die Vernetzung dem Kunden schmackhaft zu machen.
Interessant war Siemens Konzept „MiyKie“. Der kleine Roboter zeigte die Vision einer interaktiven Schnittstelle, mit der sich in Zukunft Geräte steuern, Informationen abfragen oder einfach auch Telefongespräche führen lassen könnten. Das erinnert sehr an Amazons Echo mit dem Assistenten Alexa.
Neben den Haushaltsgeräten finden sich gerade im Bereich „Sicherheit“ viele Lösungen. Die Spanne reicht von komplexen Ökosystemen mit zahlreichen Sensoren, zum Beispiel für Türen, Fenster oder als Rauchwarnern, bis zu Eingeräte-Anwendungen. Viele Unternehmen sind mit entsprechenden Systemen auf dem Markt vertreten. Doch auch Newcomer versuchen sich mit Lösungen zu etablieren. Auf der IFA zeigte das Berliner Startup Buddyguard eine Eingeräte-Sicherheitssystem. Der „Flare“ soll sowohl einfach zu bedienen, als auch umfangreich in den Möglichkeiten sein.
Das System selbst erinnert an einen Diskus, der mit zwei Schrauben an der Wand befestigt wird. Im Gehäuse sind Sensoren für Bewegung und Geräusche. In der Mitte befindet sich eine HD-Kamera, die auch Infrarot wahrnehmen kann. Einmal per App eingerichtet, erkennt der „Flare“, ob unberechtigte oder berechtigte Personen im Raum sind. Auch Einbruchgeräusche kann das Gerät erkennen. Per WLAN oder LTE ist das System mit dem Internet verbunden. Im Alarmfall kann so entweder eine Nachricht auf die Handy-App oder an einen Sicherheitsdienst weitergegeben werden. Per Mikrofon besteht die Möglichkeit, mit Personen im Raum zu kommunizieren. Für den Schutz der Privatsphäre kann man auch regeln, wann die Kamera aktiv ist oder durch die Blende abgeschaltet wird. Das erinnert stark an den Computer Hal 9000 aus 2001: Odyssee im Weltraum. Trotz selbstlernender künstlicher Intelligenz soll das System allerdings nicht die Nachteile des Film-Computers haben.
Smartwatches, Fitnesstracker und Sportuhren kommen mehr und mehr in Mode. Auch wenn aktuelle Studien hinsichtlich der Langzeitmotivation Zweifel aufwerfen, kommen immer weiter Geräte auf den Markt. Das Gesundheitsthema gewinnt an Bedeutung. Bei steigenden Kosten geht Prävention vor Behandlung. Vielleicht sind die Hersteller hier schneller als die Kundschaft.
Philips ist in diesem Bereich aktiv. Seit langem gehört das Unternehmen zu den großen Herstellern von professionellen Gesundheitslösungen und stattet Arztpraxen sowie Krankenhäuser aus. Diese Kompetenz will der Konzern nun auch zum Endkunden bringen. Bereits zur IFA 2015 zeigte Philips die „Health Watch“. Die Gesundheitsuhr soll keine Smartwatch sein, wie die „Apple Watch“ oder die Gear S-Uhren von Samsung. Philips konzentriert sich ganz auf die Gesundheit. Daher verzichten die Niederländer auch völlig auf die üblichen Smartwatch-Funktionen.
Benachrichtigungen vom Handy oder Apps gibt es keine. Die Uhr konzentriert sich auf Körperdaten. Angezeigt werden diverse Herzfrequenzdaten, die Ruheatemfrequenz sowie die VO2 max-Einschätzung, Aktivitätsminuten, Kalorien, Schritte, Sitzverhalten und den Schlaf. Automatisch erkennt die Uhr, ob ihr Träger laufen geht, mit dem Rad fährt oder geht. Ausgewertet werden die Daten in der dazugehörigen Health-App. Soweit ist die Philips-Uhr wenig besonders. Der Unterschied ist, dass das Gerät als Medizinprodukt zertifiziert ist. Die Daten sind somit klinisch validiert.
Inwiefern die Uhr wirklich genauer ist, als zum Beispiel die Apple Watch, bildet vor diesem Hintergrund eine interessante Frage. Ein Test könnte hier die Antwort bringen. Im Zusammenspiel mit der App gibt das System personalisierte Gesundheitstipps, die sich leicht in den Alltag einbauen lassen sollen. Für 249,99€ ist das Gerät nun im Handel. Zur IFA hat Philips zur bisher bekannten Farbvariante schwarz weitere Versionen in silber und roségold mit unterschiedlichen Armbändern gezeigt. So ganz geht die aktuelle Smartwatch-Entwicklung dann doch nicht an Philips vorbei.
Es gab natürlich auch jede Menge Smartwatches zu sehen. Am wichtigsten dürfte wohl die neue Samsung Gear S3 sein. Ein Jahr nachdem die Koreaner mit der Gear S2 eine gute Smartwatch vorgestellt haben, wurde in diesem Jahr in Berlin nachgelegt. Dabei zeigt die Uhr technisch das, was vielfach für die Apple Watch gefordert wurde. Einige Tage, bevor der amerikanische Konzern die neue Version seiner Uhr mit GPS vorgestellt hat, konnte Samsung mit diesem Feature bereits punkten. Das Always on-Display haben die Koreaner dem Konkurrenten allerdings voraus. Der Durchmesser ist um 0,1 Zoll gewachsen. Wie auch beim Vorgänger wird es die Samsung-Uhr in verschiedenen Varianten geben. Die Gear S 3 Classic richtet sich durch ihr elegantes Äußeres an die Kunden, die es gerne schicker mögen. Die Gear S 3 Frontier ist das passende Gerät für Outdoor-Begeisterte. Zum robusteren Gehäuse kommt ein genaueres GPS und die Mobilfunkverbindung via LTE.
Wenn der Blick dann mal von den großen Herstellern weg geht, dann finden sich durchaus interessante Perlen, die nicht auffallen, wenn man nicht gerade danach sucht. Wegweisende Produkte inbegriffen. Die Masse an Ausstellern auf der Funkausstellung bietet sich dafür ideal an. Eines dieser innovativen Unternehmen ist ReSound. Die dänische Firma gehört zu den führenden Hörgeräte-Herstellern. Das mag nicht spannend klingen. Doch die Zahl der Menschen mit eingeschränktem Gehör nimmt zu. Wer auf eine Hörhilfe angewiesen ist, der wird sich über eine Verbesserung der technischen Möglichkeiten freuen. Mittlerweile bietet der technische Stand fantastische Lösungen an. Wie so oft, wenn es um Zukunftstechnik geht, heißt auch hier das Stichwort „Vernetzung“.
In Zusammenarbeit mit Apple hat die Firma das Hörgerät LiNX2 entwickelt, welches sich mit dem iPhone koppeln lässt. Durch die Resound Smart App werden so die Möglichkeiten des Geräts erweitert. Davon profitiert der Träger gleich in mehrfacher Hinsicht. Natürlich lassen sich die grundlegende Hörgeräte-Funktionen regeln. Der Sprachfokus kann mit dem Smartphone individuell eingestellt werden, sodass der Gesprächspartner besser zu verstehen ist. Auch die Anpassung des Störschalls oder die Reduzierung von Windgeräuschen ist je nach Aufenthaltsort möglich. Anhand von Profilen können die Einstellungen auch abgespeichert werden. Das Smartphone erkennt dann automatisch, an welchem Ort man sich aufhält und passt die Einstellungen des Hörgeräts an.
Durch die Anbindung an das Smartphone liegt die Nutzung des LiNX2 als Kopfhörer nahe. ReSound hat diese Möglichkeiten umgesetzt. Nahezu alle akustischen Signale des Handys werden so an das Hörgerät übertragen. Der Träger kann somit Benachrichtigungen von Apps ebenso hören, wie Ansagen des Navis oder Musik. Auch für Telefonate ist das LiNX2 geeignet. Die Hörgeräte-Batterie hält dabei rund eine Woche. Nicht nur die Kopplung mit dem iPhone ist möglich, sondern auch die Steuerung per Apple Watch. Mittlerweile wird die App zusätzlich für Android angeboten. Die Dänen zeigen mit einer sehr überzeugenden Umsetzungen die positiven Möglichkeiten vernetzter Technik
Wenn man beim IFA-Besuch durch die Hallen streift, dann lassen sich auch Fragen klären, die schon lange brennen. Was machen zum Beispiel die Hersteller von Navigationsgeräten? Google Maps, Apples Karten App und generell das Smartphone haben darauf spezialisierte Geräte eigentlich überflüssig gemacht. Das wissen auch die Hersteller. TomTom bietet zwar noch entsprechende Geräte an, doch dient das Navi dort mehr als zweiter Bildschirm für das Handy. Die Navi-App, die auf einem Freemium-Modell basiert, gehört da natürlich dazu.
Den Fokus legen die Niederländer allerdings auf den Bereich Kartenmaterial. TomTom gehört zu den wenigen Unternehmen, die das erforderliche Datenmaterial selbst erstellen. Auch Apple bezieht die Karten von dort. Im Moment konzentriert sich die Tätigkeit in diesem Bereich auf noch genauere Karten, die das autonome Fahren ermöglichen sollen. TomTom hat hierzu eine Methode entwickelt, um die riesige Datenmenge auf ein kleines, nutzbares Format zu komprimieren. So reichen für Deutschland dann einige Gigabyte an Speicherplatz. Zusätzlich wird die Veränderung von Objekten, wie zum Beispiel der jahreszeitliche Wechsel bei Bäumen und Sträuchern, berücksichtigt. Umso genauer das Datenmaterial, umso präziser wird die Steuerung der Fahrzeuge. Wenn dann die im Fahrzeug eingebauten Sensoren in Zukunft auch noch Veränderungen wahrnehmen und in die Cloud weiterleiten, erhält man eines Tages Kartenmaterial nahezu in Echtzeit.
Die IFA 2016 war eine durchaus ansehnliche Messe, wenn auch vielleicht nicht für jeden. Im Unterhaltungsbereich legte die diesjährige Ausgabe durchaus eine kleine Pause ein. Doch die vielen Smart Home-Anwendungen zeigen die zukünftige Möglichkeiten, auch wenn viele Hersteller immer noch durchschlagende Anwendungsfälle suchen. Wem das dann doch nicht ausreichte, der konnte sich bei den zahlreichen VR-Demonstrationen auf dem Messegelände die Zeit vertreiben. Von HTC Vive über Samsung VR bis zur bald in den Verkauf kommenden und von vielen erwartete Playstation-Brille zeigte die Messe, dass Virtual Reality in den nächsten Jahren sicherlich ein großes Thema auf der IFA sein wird. Für Technikbegeisterte bleibt die Internationale Funkausstellung nach wie vor ein Blick in die Zukunft.
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