Editor's Blog

Das Zwei-Klassen-Internet

Mit der Übernahme von Twitter durch Milliardär Elon Musk kam auch die Diskussion um so genannte „verifizierte Accounts“ wieder hoch. Landläufig als „Blauer Haken“ bezeichnet.

Blaue Haken (auch in anderen Farben)  gibt es auch auf anderen Plattformen. Instagram, Facebook und YouTube gehören dazu. Mit einem verifizierten Account zeigt man der Netzgemeinde, dass man ein echter Mensch und kein Bot ist. Man zeigt außerdem, dass man auch der Mensch (oder die Organisation) ist, der/die man vorgibt zu sein.

Mit anderen Worten, verifizierte Accounts strahlen eine gewisse Seriosität aus. Allerdings – und das wird oft missverstanden – zeigt der Haken eben nicht, dass die Inhalte die der Account postet korrekt sind, der Wahrheit entsprechen oder gar ernst gemeint sind. Solange Accountinhaber:innen nicht gegen geltendes Recht verstossen, können sie alles posten.

Das Verifizierungs-Symbol hat aber auch eine andere Wirkung. Weil in der Regel nur große Accounts (mit vielen Followern) oder bekannte Personen verifiziert werden, sieht das ganze nach einem elitären Kreis aus.

Das Zwei-Klassen-Internet

Und im strengen Sinne ist es das ja auch. Wer einen Haken neben seinem Accountnamen hat, gehört zu einem ausgewählten Kreis. Dem Kreis derjenigen, zu denen man im Netz aufschaut. Die Meinungsführer:innen, die Macher:innen, Netzaktivist:innen, politische Kreise. Kurz gesagt: Haken dran und man ist Wer.

Neben dem Statussymbol, für das einige den Haken bei sich wohl auch sehen, gibt es zusätzlich ein paar andere Vorteile. Bei Twitter (bisher jedenfalls) werden Posts von verifizierten Accounts häufiger angezeigt, in den Suchergebnissen höher gerankt und erreichen schon deshalb mehr Menschen.

Wegen der Misinterpretation des Verifizierung-Sysmbols kann man durchaus zu der Erkenntnis kommen, es gäbe ein Zwei-Klassen-Internet. Diejenigen, die – vielleicht auch fürs Ego – den Haken haben und die große Masse, die unverifiziert vor sich hin postet.

Weil die meisten der Netzwerke aus Amerika stammen, gilt hier das Motto: „Hey, auch Du kannst es schaffen“. Wie einst der Mythos vom Tellerwäscher zum Millionär. Ich will damit aber gar nicht sagen, dass es nicht möglich ist, bekannter zu werden und dann einen verifizierten Account zu bekommen. Ich will damit auch keinen Neid schüren: „Bäh, warum hast Du den Haken und ich nicht?“.

Ich will nur darauf aufmerksam machen, dass die Einführung eines solchen Symbols vielleicht nicht nur der Willkür eines Konzerns und im Falle von Twitter der Willkür eines Einzelnen überlassen werden sollte. Die Fehler, die dabei passiert sind, sprechen ja Bände.

Ich weiß nicht, ob die Idee gut ist, aus der Verifizierung einen Abo-Dienst zu machen, wie es jetzt Elon Musk für Twitter plant. Ich fände nur etwas mehr Transparenz wäre gut. Und ganz sicher muss sich das System verändern. Ich bin sehr gespannt, wieviele der derzeitigen „Hakeninhaber“ nach Einführung des neuen Systems den Haken noch haben und welche einen bekommen.

Solange es so bleibt wie es derzeit ist, ist es für mich ein Zwei-Klassen-Internet.

Michael Reimann

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