Editor's Blog

Clubhouse – Elitäres Audio-Gelaber

Seit einigen Tagen geistert eine iOS-App mit dem Namen Clubhouse durch die Filterbubble. Der neue „heiße Scheiß“ am Social-Network-Himmel ist nicht viel mehr als die Bubble für elitäres Gelaber, meine ich.

Und ja, auch ich habe ein Invite, also eine Einladung zur Teilnahme, bekommen. Derzeit öffnet sich das neue Netzwerk nur langsam für neue Nutzer. Was oberflächlich natürlich mit technischen Gründen erklärt wird, ist nicht mehr und nicht weniger Strategie. Man grenzt sich ab. Will nicht Jede und Jeden dabei haben.

Dabei ist gerade das mehr als albern, denn wer einmal drin ist, kann zwei weitere Menschen dazu holen. Habe ich auch gemacht. Somit wächst das Netzwerk – vorausgesetzt jede/r lädt zwei weitere auch wirklich ein, exponentiell.

Virtueller Diskussionsraum

Was ist Clubhouse? Im Grunde nichts anderes als ein virtueller Diskussionsraum. Bzw. viele davon. Wer dabei ist, kann einen Raum aufmachen und dort Zuhörer einladen. Entweder als öffentlicher Raum, oder privat mit nur geladenen Gästen. Zusätzlich können beliebige andere Gäste als Speaker eingeladen werden. Im Grunde ist es sowas wie eine virtuelle Podiumsdiskussion.

Das Besondere: Die Menschen in Clubhouse sind nur zu hören, weder zu lesen noch zu sehen. Es gibt auch keine Möglichkeit, Links zu setzen (jedenfalls habe ich keine offensichtliche gefunden) und man sieht nur das Profilbild der Menschen.

Eliten unter sich

Die Abgrenzung findet aber nicht nur durch das etwas abgehobene Einladungssystem statt, die App ist derzeit auch nur auf iPhones installierbar.  Wenn man denkt „Kommt sicher noch für andere Systeme“, hat man Clubhouse meiner Meinung nach nicht verstanden. Man will sich offenbar abgrenzen. Das zeigt sich auch an den vorhandenen Räumen und Speakern. In der Regel Bussiness-, PR-, Social-Media-Manager oder deren Derivate mit langen nichtssagenden Berufsbezeichnungen auf den virtuellen Visitenkarten.

Meinungsfreiheit nur auf Einladung

Wer „In“ ist, muss bei Clubhouse sein. Auch die Sprachbarriere sorgt für eine weitere Abgrenzung. Derzeit ist die App nur auf Englisch zu benutzen. Klar, wer Business kann, kann auch Englisch. Das gemeine Volk „Hallo I bims der Michi“ will dort sowieso niemand sehen. Freie Meinungsäußerung? Ja, klar aber bitte nur auf Einladung.

Klar, dass die „Business-Kasper“ auf Clubhouse stehen, die Pandemie sorgt dafür, dass es keine Panels, Workshops oder andere Bühnen gibt, auf denen sie sich präsentieren können. Die bisherigen Plattformen, die ähnliche, bessere oder auch leichter zugängliche Möglichkeiten bieten, werden kaum dafür genutzt.

Probleme gibts auch

Einmal bei Clubhouse angemeldet, kommt man auch nicht wieder weg. Das Löschen des Accounts oder gar das DSGVO kompatible Herausgeben von gespeicherten Daten ist nicht vorgesehen. Wie ist es, wenn doch Hass und Hetze Einzug fänden? Wie geht Clubhouse mit Verschwurblern wie Wendler, Naidoo oder Querdenkern um? Ach ja, die dürfen wahrscheinlich nicht rein. Oder doch, irgendwer wird schon ein „Invite“ haben.

Adressbücher können freigegeben werden, damit man andere User findet. Diskussionen werden – fürs „Beschwerdemanagement“ mitgeschnitten, angeblich aber nach dem Ende (Schließen) eines Raumes wieder gelöscht.

Mitschnitte bleiben aber auch nicht für die Öffentlichkeit erhalten. Ist der Raum weg, ist der Inhalt weg. Das ist ganz im Zeichen der Nachhaltigkeit und Transparenz nicht wirklich ein Fortschritt.

Nicht Nachhaltig

Alles in Allem kann ich an Clubhouse nur wenig Vorteilhaftes erkennen. Ja, in Zeiten der Pandemie braucht es kreative Lösungen und sicher ist die App ein Ansatz in die richtige Richtung. Und ja, vielleicht irre ich mich auch und wir haben wir wirklich den neuen „heißen Scheiß“. Die Zeichen dafür erkenne zumindest ich allerdings nicht.

Michael Reimann

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