Auch dieses Jahr hat Apple wieder drei neue Smartphones vorgestellt, was die Positionierung betrifft aber einen cleveren Schachzug vollzogen. Das günstigere Gerät mit LC-Display wurde deutlich aufgewertet – nicht nur im Marketing. Wir haben uns das iPhone 11 näher angesehen.
Im vergangenen Jahr hat Apple erstmals drei Geräte mit Face ID vorgestellt. Das günstigere iPhone XR setzt auf ein LC-Display, die beiden deutlich teureren Modelle auf ein OLED-Display. Das hat sich auch dieses Jahr nicht geändert, wohl aber die Positionierung des günstigeren Modells. Es hört jetzt auf den Namen iPhone 11, die anderen beide Modelle steigen von regulären Modellen zu den Pro-Modellen auf.
Reines Marketing? Meiner Meinung nach nicht ganz. Apple hat seinen Geräten dieses Jahr eine neue Fotolinse spendiert. Die neue Ultraweitwinkel-Kamera finden wir in allen drei Modellen, damit bekommt selbst das günstigere Modell die völlig neue Technik. Während die Zoomlinse immerhin mit Software nachgestellt werden kann, wäre die Ultraweitwinkel-Linse eigentlich ein interessantes Verkaufsargument für die Pro-Reihe. Offensichtlich hat sich der Konzern gegen diesen Schritt entschieden – aber beginnen wir beim Anfang.
Am grundlegenden Design hat sich wenig verändert. Das iPhone 11 besitzt weiterhin ein – als solches zumindest bezeichnetes – rahmenloses LC-Display mit 6,1 Zoll. Im Vergleich zu den OLED-Varianten ist der Rahmen deutlich dicker, aber nicht störend. Nach wie vor setzt Apple bei der Vorder- und Rückseite auf Glas, der Rahmen besteht aus Aluminium. Die größte optische Änderung ist die Erhöhung für die Kamera auf der Rückseite.
Apple beweist meiner Meinung nach wieder Mut zur Hässlichkeit. Was für die Notch gilt – diese wurde sogar zur Ikone erhoben –, gilt auch für die Kamera auf der Rückseite. So finden wir hier die gleiche quadratische Form wie bei den Pro-Modellen vor. Warum, ist mir ein Rätsel. Hier hätte ein Design wie bei den anderen Modellen mit zwei Linsen eigentlich reichen müssen.
Bei den Farben gibt es wieder eine breite Auswahl: schwarz, weiß, gelb, grün, violett und rot. Im Vergleich zum Vorjahr fallen die Farben allgemein deutlich gedeckter aus. Wie immer ist die Verarbeitungsqualität auf einem sehr hohen Niveau.
Gehäuse aus Glas haben in Realität mehr Nachteile als Vorteile. Sie sind weniger stabil, Reparaturen sehr teuer, und noch dazu liegen die Geräte schlecht in der Hand. Warum das Ganze? Für die Möglichkeit, drahtlos zu laden, denn durch eine Metallrückseite wäre dies nicht möglich. Apple hat jedoch eindeutig ein neues Finish für das Material, die Rückseite ist etwas griffiger als zuvor.
Mit iOS 13 hat Apple Face ID deutlich beschleunigt, die neue iPhone-Generation soll noch etwas schneller arbeiten. Schnell wird klar: So hätte Face ID eigentlich immer arbeiten sollen. Das gilt auch für den Betrachtungswinkel, der deutlich besser wurde – aber immer noch Potenzial hat. Sofern das iPhone 11 flach auf dem Tisch liegt, erkennt es mich nach wie vor nicht. Die Lösung, die bereits seit dem iPhone X gilt: ein Stand. Im Auto hingegen freue ich mich über den Winkel, hier erkennt mich das iPhone jetzt auch in der Qi-Halterung, zuvor war dies nicht der Fall.
Bereits der Vorgänger war ein kleines Akku-Wunder. Die niedrigere Auflösung hat auch ihre Vorteile, dementsprechend gibt es beim iPhone 11 nur wenig Verbesserung. Eine Stunde mehr soll es laut Apple sein. In meinem Alltag komme ich auf etwa 12 Stunden Betrieb, ebenso viel wie zuvor mit dem iPhone XS Max. Käufer des iPhone 11 müssen nach wie vor mit einem 5 Watt Netzteil vorlieb nehmen. Nur beim iPhone Pro liegt ein 18 Watt Netzteil bei – eine Lächerlichkeit, die Apple nicht notwendig hat, ich aber besser nicht weiter kommentiere, …
Die Größe des Geräts, bzw. des Displays, empfinde ich als einen gelungenen Kompromiss. Es ist deutlich kleiner als mein altes XS Max, zeigt aber die gleiche Menge an Inhalt. Dieser ist zwar kleiner, für mich jedoch ohne Weiteres erkennbar. Insofern bekomme ich ein kleineres Gerät, ohne tatsächlich genutzte Fläche eintauschen zu müssen. Nachdem mir das XS Max bisher oft zu groß war, ist dies ein interessanter Kompromiss.
In Sachen Leistung gibt es keinerlei Grund für Kritik. Das iPhone 11 ist extrem performant, im Vergleich zu den Pro-Modellen gibt es technisch aber auch kaum Unterschiede.
Alle neuen Modelle haben einen Nachteil gemeinsam: 3D Touch wurde gestrichen. In der Praxis war die Umstellung für mich schon deutlich spürbar. Natürlich hat sich Apple einen Ersatz einfallen lassen, statt einem starken Druck gibt es jetzt den langen Druck. In der Praxis ist dies für mich ein deutlicher Unterschied: Alles dauert etwas länger, dadurch fühlt sich das Gerät langsamer an.
Auch nach einigen Tagen und Wochen merke ich diesen Unterschied noch. Die neue Bedienung ist mir zwar gewahr und ich drücke nicht versehentlich zu fest auf das Display, dennoch stört mich die Wartezeit.
Am Ende ist es für mich eine negative Entscheidung. Ich begrüße es, die neue Funktionalität endlich auch auf dem iPad zur Verfügung zu haben, vermisse aber die Geschwindigkeit auf dem iPhone. Ein Schritt nach vorne für das Tablet, ein Schritt nach hinten für das Smartphone. So einheitlich hätte das Nutzererlebnis für mich dann doch nicht sein müssen.
Das klare Highlight der diesjährigen iPhone-Generation ist ohne Frage die Kamera. Auch wenn die rückseitige Kamera äußerst markant ist, hat Apple auch der Frontkamera neue Möglichkeiten spendiert. Der Slofie ist eine nette Idee, die in Realität eine eher untergeordnete Rolle spielen wird. Deutlich praktischer ist die Weitwinkel-Aufnahme, so können endlich auch größere Gruppenfotos gemacht werden.
Auf der Rückseite verbaut Apple – auch beim iPhone 11 – erstmalig eine Ultraweitwinkel-Kamera. Die Krümmung ist ziemlich extrem, bei der Wahl des Motivs solltet ihr gut auf die Flucht achten. Bei Aufnahmen von Landschaft konnte mich die Linse durchaus begeistern, in Räumen bzw. bei der Fotografie von Objekten aber nicht. Nicht, dass Apple hier etwas schlechter machen würde als andere Weitwinkelobjektive – ich finde die Perspektive nur oft sehr unvorteilhaft. Zudem gibt es für mich einen klaren Konkurrenten, der schon deutlich länger an Bord ist: das Panoramafoto. Ein Modus, den ich seit jeher sehr schätze und auch häufig einsetze. So kann ich ebenfalls „viel Inhalt“ auf einem Foto unterbringen.
Apple hat der neuen iPhone-Generation auch endlich einen Nachtmodus spendiert – ein Wunsch, den ich schon lange hatte. Ich möchte hier nicht die übliche Diskussion über „die Nähe zur Realität“ entfachen. Mir persönlich ist es lieber, auf einem Foto etwas zu erkennen, als einfach nur reale Schwärze zu sehen. Die Möglichkeit, eine Erinnerung überhaupt festzuhalten, geht für mich vor Farbtreue. Die Kamera-App entscheidet bei der Aufnahme selbst, ob und wenn ja wie, sie Belichtungszeit ändern muss. Bei Belichtungszeiten über drei Sekunden zeigt Apple auch eine entsprechende Animation bei der Aufnahme an. Das Smartphone muss in dieser Zeit sehr ruhig gehalten werden – eine nicht besonders einfache Aufgabe. Langsam muss ich über die Anschaffung eines Stativs für mein iPhone nachdenken, …
Die Leistung des Nachtmodus ist auf jeden Fall äußerst beeindruckend. Das gilt bedingt auch für Deep Fusion – eine Engine zur Bildverbesserung, die mit iOS 13.2 nachgerüstet wurde. Auch hier spielt Apple ein wenig an Belichtung und Schärfe. Das Ergebnis ist in der Regel eine etwas bessere Aufnahme, im Zweifel ist das Objekt nicht bemerkbar. Eine gute Entscheidung, im Vergleich zum Beauty-Gate aus dem Vorjahr.
Display: 6,1 Zoll LCD
Auflösung: 1.792 x 828 Pixel bei 326 ppi
Abmessungen: 150,9 x 75,7 x 8,3 cm
Gewicht: 194 Gramm
Das iPhone 11 war der dritte Größenfaktor des neuen Designs, der für mich noch offen war. Was vor zwei Jahren mit dem iPhone X begann, setzte ich vergangenes Jahr mit dem iPhone XS Max fort. Dieses Jahr entschied ich mich dazu, die Antwort auf eine wichtige Frage im täglichen Gebrauch zu finden. Die Frage lautete, aus meiner Sicht: „Ist das Pro-Modell wirklich 350 Euro Aufpreis wert?“.
Nach einem Monat kann ich euch leider keine allgemeingültige Antwort geben. Das iPhone 11 ist ohne Frage ein wirklich gelungenes Gerät. Dank Deep Fusion vermisse ich die Zoom-Linse weniger, als ich dachte. Dennoch macht das Display einen großen Unterschied. Ein Unterschied, der dem Nutzer vielleicht nicht auffällt, sofern er noch nie ein OLED-Gerät hatte. Natürlich sehen die Farben anders aus und generell ist die Darstellung eines OLED besser – ehrlich gesagt erkenne ich diese Differenzen aber nur, wenn beide Geräte nebeneinander liegen. Was ich jedoch deutlich merke, ist die Reaktionszeit der Anzeige. Bei schnellem Scrollen durch Listen „verwischt“ die Darstellung. Besonders schlimm ist dies im Querformat, hier schlägt die Polarisierung des Displays doppelt hart zu. Objekte in schnellen Sequenzen in Filmen oder Videospielen ziehen klar Schlieren nach sich.
Insofern kann ich die Frage jedoch für mich persönlich beantworten. Ich werde nächstes Jahr wieder auf ein Pro-Modell wechseln, alleine aufgrund des Displays. Das iPhone ist mein wichtigster Computer, das eine technische Gerät, auf das ich nie verzichten möchte, es ist immer bei mir. Ich bin gerne bereit, bei anderen Geräten Kompromisse einzugehen, sei es Standrechner, Notebook oder Tablet – nicht aber bei meinem Smartphone.
Das iPhone 11 hat in einem Punkt auf jeden Fall die Nase vorne: In Sachen Preis-Leistung ist das neue Modell unschlagbar. Der aktuell schnellste Prozessor aus dem Hause Apple trifft auf die neue Ultraweitwinkel-Linse. So bleibt abgesehen von den bekannten Schwächen wenig Raum für Kritik.
Preisbewusste Neukäufer (im Bereich Apple, natürlich gibt es deutlich günstigere Geräte bei der Konkurrenz) bekommen ein wirklich gutes Gerät geboten. Es wird interessant sein, wie Apple das Modell über die nächsten Jahre weiterentwickelt. Betrachten wir die Konkurrenz, ist ein Smartphone für 800 Euro ohne OLED durchaus ambitioniert, …
Das iPhone 11 wird ab 799 Euro bei Apple angeboten, im freien Handel sind einige Modelle ab und an bereits günstiger erhältlich.
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