Immer wieder gibt es Meldungen über Zensur bei Apple. So verkürzt diese Aussage letztlich auch sein mag – die meisten der Vorwürfe haben mehr als nur einen wahren Kern. Aktuell gibt es ein besonders lächerliches und deshalb sehr gutes Beispiel: Das rund um das Pride Watchface in Russland.
Zensur, was für ein böses Wort. Letztlich stellen häufig Regierungsbehörden Anfragen an Apple als Betreiber eines großen Marktplatzes. Die einsame Nummer eins im Hinblick darauf ist offensichtlich China. Im dortigen App Store werden immer wieder komplette Kategorien von Anwendungen entfernt – von Nachrichten über VPN bis hin zu Kommunikation. Das sind die medienbekannten Berichte, in denen Apple den dortigen Behörden nachgab – gegen große und durchaus marktmächtige Anbieter wie Microsoft. Die Entfernung der Apps sind im Angesicht der diesjährigen Entscheidung fast nur Nebenschauplätze. So hat Apple dieses Jahr die Daten chinesischer Kunden in eine eigene Cloud in China transferiert. Betrieben wird die Cloud von einem lokalen Anbieter.
Freiheit und Sicherheit
Die Gründe für das Handeln der Regierung sind klar – und zumindest die Mechanismen dahinter lassen sich leider weltweit feststellen. Im Zweifel gilt es, Freiheit und Sicherheit abzuwiegen. Besorgte Staaten beschließen derartige Schritte, da ihnen letztlich nur eines wichtig ist: Der einheimische Bürger. Schnell sind Beispiele dafür gefunden, warum diese Schritte notwendig sind. „Sie sind ein Fan von Freiheit? Ja? Auch dann immer noch, wenn Terrorismus und Kinderpornografie die Antwort sind?“. Ungefähr so läuft meist der öffentliche Diskurs. Dem lässt sich schwer beikommen.
Letzten Endes ist die Argumentation fadenscheinig. Wie viel diese Sicherheitsesoterik tatsächlich nutzt, kann keine Regierung namhaft beziffern. Es geht um Kontrolle, Macht und letztlich – ja, es ist Zensur und schränkt die Freiheit maßgeblich ein.
Sicherheit und rückschrittliche Motivationen
Der Fall von Russland ist besonders traurig. Denn obwohl sich hier alles nur um ein kleines (Hintergrund-)Bild dreht, zeigt sich letztlich das große (Gesellschafts-?)Bild einer Region. Zur Sachlage: In Russland hat sich Apple dazu entschieden, das Pride Watchface nicht anzubieten. Apple bezieht damit klar Position für Gleichstellung. Russland hingegen hat 2013 ein Gesetz beschlossen, das „Schwule Propaganda“ verbietet. Apple fürchtet hier offenbar den Verstoß gegen ein Gesetz.
Sicherheit? Kann hier nicht der Grund sein. Es ist letztlich nichts anderes als die rückschrittliche Denke eines Staatsoberhaupts. Der russische Regierungschef war bereits in der Vergangenheit durch Homophobie aufgefallen – so beleidigte er mehrmals öffentlich Conchita Wurst, eine offensichtlich transsexuelle Kunstfigur eines schwulen Künstlers aus Österreich, der letztlich den Songcontest gewann.
Rückschrittliche Motivationen und Apple
So sehr Apple für Freiheit und eigentlich ausschließlich löbliche Geisteshaltungen einsteht – wie weit her ist es letztlich damit? Eigentlich ist die Antwort einfach – aber unbequem: Immer genau bis zur Geldbörse, im Zweifel die der Anleger. Würde Apple den jeweiligen Forderungen der Staaten nicht nachkommen, würde das massive Konsequenzen nach sich ziehen. Diese würden sich auch erheblich auf den Aktienkurs des Unternehmens auswirken.
Gerne kommt an dieser Stelle der Vorwurf, dass Ethik und Moral eben auch dann verteidigt werden müssen, wenn finanzielle Werte betroffen sind und dies nicht nur Marketing sein darf. Wer sollte sich so einen Aufstand denn leisten können, wenn nicht Apple? Ganz von der Hand zu weisen ist dieses Argument nicht, aber,..
Apple ist eine Aktiengesellschaft und damit letztlich auch, wenn nicht vor allem, den Anlegern verpflichtet. Nicht alle Investoren heißen Warren Buffet und könnten hier Verluste verkraften. Oft investieren auch Pensionsfonds in derartige Unternehmen. Dazu kommt am Ende vielleicht auch – nennen wir sie für dieses Beispiel – Lieschen Müller und Oma Erna. Sie sind Apple Fans, glauben an den Konzern und die Produkte und haben ihr hart verdientes Geld zusätzlich in Aktien investiert. Aktien von Apple erscheinen eine gute und relativ stabile Investition zu sein. Wer erklärt den beiden Damen, dass Apple jetzt ihr Geld im Kampf für die Freiheit verbrät? Am Ende ist Apple eben doch nur eine Aktiengesellschaft,… wie all die anderen auch.
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