Die Verbannung der App des Dienstes Parler aus Apples App Store ist problematisch. Soll ein Privatunternehmen Grundrechte einschränken dürfen?
Das kalifornische Oligopol aus Amazon, Apple, Facebook, Google und Twitter, hat in einer faktischen Gemeinschaftsaktion den Nachrichtendienst Parler abgeschaltet. Auslöser war, dass sich die rechtsradikale Meute zum Angriff auf das Capitol via Parler verabredet hatte. Schon zuvor war in Parlerchats allerlei widerlicher Rassismus zu lesen. Parler ist eine Echokammer des Schreckens. Nur ein Beispiel: Die frisch gewählte Republikanerin Marjorie Taylor Greene aus Georgia verloste auf Parler ein Halbautomatikgewehr mit dem Vorschlag: „Verteidigen Sie Ihre Familie, wenn Black Lives Matter/Antifa-Terroristen vor Ihrer Haustür stehen!“ Rassismus, Antisemitismus und krude Verschwörungstheorien werden auf Parler ohne jede Moderation oder Filterung weiterverbreitet.
Seit dem Wahlsieg Joe Bidens hatte sich die Zahl der Nutzer verachtfacht. Parler, der französische Begriff für „sprechen“, konnte irgendwann keine Neuregistrierungen mehr verkraften, da die Amazon Server überlastet waren. Dass zu den frühen Parlerinvestoren die erzkonservative Rebekah Mercer zählte, die auch Trump maßgeblich finanzierte, kann nicht direkt gegen Parler in Stellung gebracht werden.
Netzneutralität und Menschenrechte
Vor ein paar Monaten hatte Zoom entschieden, eine Online-Veranstaltung der San Francisco State University zu blockieren. Grund war, dass an der Veranstaltung prominente Aktivisten der schwarzen und südafrikanischen Befreiungsbewegungen, die Gruppe „Jewish Voice for Peace“ und die Flugzeugentführerin Leila Chaled teilnehmen sollten. Die Volksfront zur Befreiung Palästinas, deren Mitglied Chaled ist, wird jedoch von den USA als Terrororganisation eingestuft. Dieser Blockade schlossen sich Facebook und YouTube an.
Durch den ersten Zusatzartikel der amerikanischen Verfassung und Paragraph 230 des Communication Decency Act (CDA) haben Internetdienstanbieter das Recht ihre Angebote zu kuratieren und wie bei Donald Trump und Twitter- Accounts zu sperren. Insofern nach amerikanischem Recht eine legal Vorgehensweise.
Im Gegensatz hierzu stehen jedoch die Menschenrechte, die in Deutschland in Artikel 1 bis 19 ins Grundgesetz Eingang gefunden haben. Natürlich lassen sich aus Grundrechten selten direkte Rechte ableiten. Auch eine Beurteilung amerikanischen Rechts aus deutscher Rechtssicht verbietet sich. Es geht vielmehr um den notwendigen Diskurs darüber, was Internetdienstanbieter eigenmächtig umsetzen dürfen. Verfolgung von Straftaten, wozu auch Hassrede und Aufruf zu Gewalttaten gehören, müssen grundsätzlich rechtsstaatliches Monopol sein. Entweder bedarf es eines offensichtlichen Rechtsverstoßes, einer Strafanzeige oder die Strafverfolgungsbehörden werden durch Kenntnis von Offizialdelikten selbstständig tätig. Kein Privater, kein Unternehmen, darf Grundrechte anderer „frei Schnauze“ einschränken. Internetdienstanbieter stellen zu selbst festgelegten Geschäftsbedingungen eine Struktur zur Verfügung, die verschiedenes ermöglicht.
Konkret stellt beispielsweise Apple die App Store Infrastruktur zur Verfügung, die dann für Apps, deren Hosting und Nutzung genutzt wird. Gegenüber den Inhalteanbietern hat Apple jedoch Netzneutralität zu wahren. Entziehen der Plattform muss staatliches Recht bleiben. Da hilft es auch nicht, dass Tim Cook nur von Suspendierung spricht und unter Bedingungen eine Rückkehr in den App Store in Aussicht stellt. Dabei geht es Tim Cook offensichtlich nicht um Meinungspluralität, sondern um das profitorientierte Unternehmen Apple und die Frage:
Darf Apple Grundrechte einschränken?
Durch die Löschung der App Parler hat Apple Grundrechte von deren Betreibern eingeschränkt. Da es bei Parler um eine fragwürdige Plattform geht, neigen viele dazu, dies zu begrüßen. Wie sieht es aber aus, wenn Apple möglicherweise Anrufe von iPhones nach Nordkorea unterbindet? Oder öffentlich-rechtliche TV-Sender nicht mehr via Apple TV ausstrahlt? Beides sind unwahrscheinliche Szenarien, sollen jedoch das Problem verdeutlichen. Eingriffe in Grundrechte müssen in jedem Fall dem Staat, genauer der unabhängigen Justiz, unterliegen. Ein Unternehmen darf zwar alles Mögliche in seine Geschäftsbedingungen schreiben, kann jedoch rechtsstaatlich dazu gezwungen werden, diese zu ändern oder nicht anzuwenden. Zugleich darf sich kein Unternehmen staatlicher Hoheitsrechte selbst bemächtigen.
Zensur oder Selbstjustiz durch Unternehmen muss in jedem Fall verhindert werden. Allein dem Staat steht das Recht zu derartigen Grundrechtseingriffen zu. Apple hätte Parler nicht aus dem App Store werfen dürfen.
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