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Mein Kollege Felix Rieseberg wird mich vermutlich in der Luft zerfetzen, aber ich wage mich, einen Kommentar zu aktuellen Web 2.0-Geschehnissen zu verfassen und auf den "Veröffentlichen-Knopf" zu drücken. Es gab eine Zeit, da war die Reise in die Welt der Medien ein One-Way-Ticket. Bedeutet: Man konsumierte die Tagesschau und stellt sich anschließend nur die Frage, ob es zum Abendbrot noch einen Kaffee gibt, oder nicht. One-Way. Doch heute, also eigentlich seit ich selbst im Internet mein Dasein friste, ist alles anders. Es wird kommentiert, getwittert, vlogged, geflamed, gebasht und unfollowed. Doch dazu später mehr. Ich stelle mir die Frage, ob der Spruch "Sind wir reif für eine neue Zeitung" vielleicht doch rhetorischer Art war. Denn ich meine: Wir sind es nicht. Und wieso? Weil es schlicht nicht nötig ist.[PRBREAK][/PRBREAK]
Der Beginn einerneuen Ära...
Natürlich gab es auch vor dem Web die Partizipation des Konsumenten an den Medien. Das nannte sich damals "Leserbrief" und wird bis heute noch verfolgt. Aus meiner Erfahrung durch die Mitarbeit bei einer urdeutschen Lokalzeitung weiß ich jedoch, dass es sich dabei tatsächlich um rudimentäre Überbleibsel aus grauer Vorzeit handelt. Das äußert sich zum Beispiel in der durchaus überschaubaren Menge an Schreiberlingen, die der Redaktion auf meist noch postalischem Weg ihre Meinung unterbreiten. Es sind immer die selben Leser, immer die selben Muster und es ist immer die selbe Laier. Mengentechnisch ist der Arbeitsaufwand bei postalischen Leserbriefen aber mit fünf Briefen im Monat durchaus zu bewältigen.
Anders verhält es sich im Hier und Jetzt. Webdienste wie Twitter und auch kleinere Funktionen, wie etwa die des Kommentars, ermöglichen es uns, auch vor der Investition von 45 Cent für eine Postkarte unseren Beitrag zu leisten. Das mag praktisch sein, erschwert es jedoch auch, den Überblick zu behalten.
Witzig wird es aber dann, wenn selbst die Medien anfangen verrückt zu spielen und sich aufgrund des enormen Leistungsdrucks die Köpfe einschlagen. Früher hinter verschlossenen Türen oder gar nach dem Motto "Leben und leben lassen", heute mit Kanonen auf Spatzen. Aktuelles Beispiel: Der BILDBlog, eine bekannte Seite mit Kommentaren anerkannter Journalisten zu Werken ebenfalls anerkannter Journalisten, wurde aufgrund eines Recherchefehlers vom ursprünglichen Jäger zum Gejagten. Gleich drei Abmahnungen regnete es von Seiten der Kläger, da man den ungeliebten Kommentator ja nun ohnehin eigentlich loswerden will. Die Macht des Geldes, David gegen Goliath.
Doch an einer Stelle wo in biblischer Vorzeit eine simple Steinschleuder den Sieg bedeutete, so ist es heute Twitter. Vielleicht. Während der Blog selbst um Spenden für die eigenen Anwaltskosten bittet, ziehen sich andere Prominente des Web 2.0 ihre glänzende Rüstung an und fahren in die Schlacht. Mit Twitter. Doch das klappt irgendwie nicht. Sascha Lobo rief in den vergangenen Tagen zum "Unfollowen" der abmahnenden Zeitung auf.
Und wieder der Vergleich zur "guten alten Zeit": Früher wurden Ungereimtheiten mit dem Stein, dann mit dem Schwert, dann mit der Duellpistole entschieden. Heute wird man "unfollowed". Welch' unglaubliche Tat., so ein "Unfollow". Und es hat nicht einmal geklappt. Denn betroffene Zeitung rühmt sich nun mit über 50 neuen "Followern" und gibt sich zufrieden die Schlacht gewonnen zu haben. Mehr Geld, mehr Follower, mehr Macht(?).
Worauf ich hinaus will: Ich kann es nicht verstehen, dass erwachsene Menschen in der heutigen Zeit ihre Meinung auf derart bizarre Art und Weise äußern. Was bietet Web 2.0, oder, was ist an Web 2.0 so besonders, dass es sich für viele Leute "normal" anfühlt, sich auf beschriebene Art einer Konfrontation oder einer Konversation auszusetzen? Mal im Ernst: Es ist doch eigenartig, dass es keinen Menschen interessieren würde, wenn ich mich auf die Kö (Einkaufsstraße im Herzen der schönen Stadt Düsseldorf) stelle und laut verkünden würde, dass ich mir grade ein Eis gekauft habe. Wenn ich das per Twitter tue, dann bekomme ich direkt 27 Kommentare wie geil das denn jetzt wieder ist. (Angenommen ich hätte einen Twitter Account)
Und die Bauern suchen nach wie vor verzweifelt nach einheimischen Spargelstechern. Aber die sind meist mit ihren Feldern bei Farmville zugange. Strange.
Anhang anzeigen 61631
Bild: eMedia, Nr. 26
Der Beginn einer
Natürlich gab es auch vor dem Web die Partizipation des Konsumenten an den Medien. Das nannte sich damals "Leserbrief" und wird bis heute noch verfolgt. Aus meiner Erfahrung durch die Mitarbeit bei einer urdeutschen Lokalzeitung weiß ich jedoch, dass es sich dabei tatsächlich um rudimentäre Überbleibsel aus grauer Vorzeit handelt. Das äußert sich zum Beispiel in der durchaus überschaubaren Menge an Schreiberlingen, die der Redaktion auf meist noch postalischem Weg ihre Meinung unterbreiten. Es sind immer die selben Leser, immer die selben Muster und es ist immer die selbe Laier. Mengentechnisch ist der Arbeitsaufwand bei postalischen Leserbriefen aber mit fünf Briefen im Monat durchaus zu bewältigen.
Anders verhält es sich im Hier und Jetzt. Webdienste wie Twitter und auch kleinere Funktionen, wie etwa die des Kommentars, ermöglichen es uns, auch vor der Investition von 45 Cent für eine Postkarte unseren Beitrag zu leisten. Das mag praktisch sein, erschwert es jedoch auch, den Überblick zu behalten.
Witzig wird es aber dann, wenn selbst die Medien anfangen verrückt zu spielen und sich aufgrund des enormen Leistungsdrucks die Köpfe einschlagen. Früher hinter verschlossenen Türen oder gar nach dem Motto "Leben und leben lassen", heute mit Kanonen auf Spatzen. Aktuelles Beispiel: Der BILDBlog, eine bekannte Seite mit Kommentaren anerkannter Journalisten zu Werken ebenfalls anerkannter Journalisten, wurde aufgrund eines Recherchefehlers vom ursprünglichen Jäger zum Gejagten. Gleich drei Abmahnungen regnete es von Seiten der Kläger, da man den ungeliebten Kommentator ja nun ohnehin eigentlich loswerden will. Die Macht des Geldes, David gegen Goliath.
Doch an einer Stelle wo in biblischer Vorzeit eine simple Steinschleuder den Sieg bedeutete, so ist es heute Twitter. Vielleicht. Während der Blog selbst um Spenden für die eigenen Anwaltskosten bittet, ziehen sich andere Prominente des Web 2.0 ihre glänzende Rüstung an und fahren in die Schlacht. Mit Twitter. Doch das klappt irgendwie nicht. Sascha Lobo rief in den vergangenen Tagen zum "Unfollowen" der abmahnenden Zeitung auf.
Und wieder der Vergleich zur "guten alten Zeit": Früher wurden Ungereimtheiten mit dem Stein, dann mit dem Schwert, dann mit der Duellpistole entschieden. Heute wird man "unfollowed". Welch' unglaubliche Tat., so ein "Unfollow". Und es hat nicht einmal geklappt. Denn betroffene Zeitung rühmt sich nun mit über 50 neuen "Followern" und gibt sich zufrieden die Schlacht gewonnen zu haben. Mehr Geld, mehr Follower, mehr Macht(?).
Worauf ich hinaus will: Ich kann es nicht verstehen, dass erwachsene Menschen in der heutigen Zeit ihre Meinung auf derart bizarre Art und Weise äußern. Was bietet Web 2.0, oder, was ist an Web 2.0 so besonders, dass es sich für viele Leute "normal" anfühlt, sich auf beschriebene Art einer Konfrontation oder einer Konversation auszusetzen? Mal im Ernst: Es ist doch eigenartig, dass es keinen Menschen interessieren würde, wenn ich mich auf die Kö (Einkaufsstraße im Herzen der schönen Stadt Düsseldorf) stelle und laut verkünden würde, dass ich mir grade ein Eis gekauft habe. Wenn ich das per Twitter tue, dann bekomme ich direkt 27 Kommentare wie geil das denn jetzt wieder ist. (Angenommen ich hätte einen Twitter Account)
Und die Bauern suchen nach wie vor verzweifelt nach einheimischen Spargelstechern. Aber die sind meist mit ihren Feldern bei Farmville zugange. Strange.
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Bild: eMedia, Nr. 26
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