- Registriert
- 18.03.09
- Beiträge
- 9.146
Michael Reimann
Mit der Ankündigung, dass Facebooks Mutterkonzern künftig Meta heißen wird, hat Mark Zuckerberg es wieder geschafft. Der Konzern, der nur von den Daten der Kunden lebt und der nicht erst seit gestern massiv in der Kritik steht, ist wieder voll im Rampenlicht.
Alles schaut nach Kalifornien, wo sich „Zuck“ und seine Firma den angeblich neuen heißen Scheiß ausgedacht haben. Haben sie das wirklich? Mit Metaverse soll eine virtuelle Parallelwelt entstehen. Dort haben wir nach den Vorstellungen von Zuckerberg und Co. eine zweite Identität, einen Avatar.
Sind wir mal ehrlich. Was ist an dem Konzept einer virtuellen Welt, in der wir alle als Avatare unterwegs sind neu? Recht wenig. Neu ist die Technologie nicht. Virtuelle Räume gab es schon so lange wie es das Netz gibt. Angefangen von Dungeons ins Textdarstellung über Mailboxen, Foren, Chatkanäle und dann der angeblichen Krönung in 3D: Second Life.
Im Jahr 2003 gestartet, sollte das virtuelle Leben dort unserem realen in nichts nachstehen. Findige Menschen hatten schnell das Potenzial erkannt und mit Immobilien, Möbeln, Kleidung und Gegenständen aller Art ein Vermögen verdient. Wohlgemerkt, diese Gegenstände waren alle virtuell. Das dafür bezahlte Geld allerdings sehr real.
Im Zuge des Hypes um das Internet investieren viele Firmen große Beträge in die Neue Welt. Es war quasi geboten, in Second Life eine zweite Existenz aufzubauen, beziehungsweise eine Filiale zu eröffnen. Und so fanden sich viele große Konzerne wieder, aber auch kleine Firmen waren dort vertreten. Was heute Social-Media ist, war damals (ansatzweise) Second Life.
Aufbruch-Stimmung herrschte und das Gefühl an etwas ganz Großem teilzuhaben. Groß war demnach auch der Frust um das träge System, durch Diebstahl oder technische Pannen verloren gegangen Besitz und die große Langeweile in der gigantischen zweiten Heimat.
Am Ende war Second Life ein Sexparadies für – im echten Leben – mittelalte dickliche Herren, die dort als sexy und muskelbepackter Macho ihre Fantasien ausleben konnten. Second Life gibt es zwar immer noch, aber so richtig sind sie nie mehr aus dem Quark gekommen.
Zugegeben, hier haben wir erlebt, was passiert, wenn Visionen auf Realität treffen und die Realität noch nicht bereit ist für so eine Technik. Oder auch umgekehrt. Die Technik der damaligen Zeit war noch nicht bereit für die Vision. Ruckelnde Grafik, plötzlich verschwundene Bereiche und viele andere Probleme machten Second Life auf Dauer unattraktiv.
Ok, soweit muss es mit dem Metaverse nicht kommen. Heute haben wir ausreichend schnelle Systeme und Netze. Wir haben VR- und AR-Headsets – auch die von Facebook – und unsere Rechner sind dank neuester CPUs auch in der Lage komplexe virtuelle Welten darzustellen. Heute haben wir aber noch mehr. Heute haben wir einen datenhungrigen Konzern, der nur dadurch existieren kann, dass wir die Nutzer, diesen Datenhunger befriedigen.
Das Metaverse
Wie heißt es immer so schön in Zusammenhang mit Star Wars: „Komm‘ auf die dunkle Seite der Macht, wir haben auch Cookies“. Oder etwas allgemeiner: „Mit Speck fängt man Mäuse“. Was will ich damit sagen: Facebook ködert uns mit seinem technischen Wunderwerk, einer zweiten (virtuellen) Realität. Ich mag nicht so weit gehen, zu behaupten, dass wir hier die Realisierung von „Ready Player One“ sehen. Also einer Welt, in der jede und jeder sein kann, was er und sie will. Aber es geht in die Richtung.
Ich mag mir gar nicht vorstellen, welchen Einfluss ein 3D-Facebook haben wird. Was ist dort, wenn machthungrige Populisten wie Trump ein Imperium errichten? Was hält russische Oligarchen davon ab, Wahlen im Westen zu beeinflussen? Schwurbler, Querdenker, Verschwörungstheoretiker. Alle strecken doch schon jetzt bereits die klebrigen Finger nach den Möglichkeiten aus.
Angesichts der nicht vorhandenen Digitalkompetenz in der deutschen Politik mag ich nicht daran denken, was für Parallelwelten sich dort entwickeln werden. Wer ist in der Lage, so einen Konzern noch zu kontrollieren? Mit anderen Worten, es kann und sollte nicht sein, dass wir so eine Plattform, wenn sie denn jemals Realität wird und nicht eine weitere leere Ankündigung von Facebook, nicht einem einzigen Konzern überlassen.
Mir reicht dafür schon die Macht, die das jetzige Portal hat. Von mir aus muss es kein Metaverse von Meta geben.
Den Artikel im Magazin lesen.